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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 04.09.2002
Aktenzeichen: 3Z BR 131/02
Rechtsgebiete: KostO


Vorschriften:

KostO § 19 Abs. 4
KostO § 46 Abs. 4
Zur Frage, wann die Eröffnung einer Verfügung von Todes wegen ein nach § 19 Abs. 4 KostO privilegiertes Geschäft sein kann.
Gründe:

I.

Die am 29.9.2001 verstorbene Erblasserin war mit dem Beteiligten seit 19.2.1988 verheiratet. Die Eheleute haben am 11.3.1988 einen Ehe- und Erbvertrag geschlossen. Darin haben sie Gütergemeinschaft vereinbart; der Beteiligte hat ein landwirtschaftliches Anwesen in das Gesamtgut eingebracht; die Ehegatten haben sich gegenseitig als Alleinerben eingesetzt.

Das Amtsgericht eröffnete am 29.10.2001 den Erbvertrag. Durch Beschluss vom 25.2.2002 setzte es den Geschäftswert hierfür auf 539991,53 DM fest. Mit der hiergegen eingelegten Beschwerde machte der Beteiligte geltend, dass § 19 Abs. 4 KostO angewendet werden müsse.

Das Landgericht hat dem Einwand des Beteiligten Rechnung getragen und am 17.5.2002 den amtsgerichtlichen Beschluss aufgehoben sowie den Geschäftswert auf 54914,23 EUR festgesetzt. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Staatskasse.

II.

Die weitere Beschwerde ist vom Landgericht zugelassen worden (§ 31 Abs. 3 Satz 1, § 14 Abs. 3 Satz 2 KostO) und auch im übrigen zulässig. Insbesondere ist der Beschwerdewert von 50 EUR, der sich ebenfalls aus den genannten Vorschriften ergibt, erreicht. Unter Zugrundelegung des vom Amtsgericht festgesetzten Geschäftswerts, den die Staatskasse mit ihrer weiteren Beschwerde anstrebt, beträgt die Hälfte der vollen Gebühr, die für die Eröffnung des Erbvertrags anfällt (§ 102 KostO), 460 DM (§ 32 KostO a.F., § 161 Satz 1 KostO), während sie sich unter Zugrundelegung des vom Landgericht festgesetzten Geschäftswerts auf nur 145 DM beläuft. Die Differenz von 315 DM macht umgerechnet 161,06 EUR aus.

Die weitere Beschwerde hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Überprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) stand.

1. Das Landgericht hat der Ermittlung des Geschäftswerts zutreffend die Vorschriften der § 103 Abs. 1, § 46 Abs. 4 KostO zugrunde gelegt. Da durch den eröffneten Erbvertrag über einen Nachlass insgesamt verfügt wurde, ist danach der Wert des nach Abzug der Verbindlichkeiten verbleibenden reinen Vermögens maßgeblich; Vermächtnisse, Pflichtteilsrechte und Auflagen werden nicht abgezogen. Bei der Bewertung des Vermögens der Verstorbenen hat das Landgericht zu Recht das sogenannte Landwirtschaftsprivileg (§ 19 Abs. 4 KostO) angewandt.

a) § 19 Abs. 4 KostO privilegiert Geschäfte, welche die Überlassung eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs mit Hofstelle oder die Fortführung des Betriebes in sonstiger Weise betreffen, indem er das Vierfache des letzten Einheitswerts als Grundlage der Gebührenberechnung vorsieht. Gesetzgeberisches Ziel ist die Förderung der frühzeitigen Regelung der Hofnachfolge und die Erhaltung leistungsfähiger landwirtschaftlicher Betriebe (BT-Drucks. 11/2342 S. 6). Durch die Fassung "oder die Fortführung des Betriebes in sonstiger Weise betrifft" wird klargestellt, dass die vorangehende Aufzählung von Überlassungstatbeständen nicht abschließend ist und unter die Regelung im Einzelfall auch solche Geschäfte fallen können, die nur mittelbar der Fortführung des Betriebes dienen (BayObLGZ 1991, 200/202).

Zwar soll § 19 Abs. 4 KostO insbesondere die Hofnachfolge und deren frühzeitige Regelung fördern. Er dient aber auch im übrigen der Erhaltung landwirtschaftlicher Betriebe in der bäuerlichen Familie. Wie die Erwähnung der Gesamtgutsauseinandersetzung in § 19 Abs. 4 Satz 1 KostO zeigt, wollte der Gesetzgeber Geschäfte aus Anlass der Beendigung der Ehe, die üblicherweise mit einer Gesamtgutsauseinandersetzung verbunden sind, nicht von der Privilegierung ausschließen. Auch sie sind in aller Regel für die Fortführung des Betriebes von erheblicher Bedeutung, zumal sie zu einem Zeitpunkt stattfinden, zu dem die Betriebsführung ohnehin durch den Ausfall eines Familienmitglieds besonders belastet ist. Deshalb kann im Rahmen des § 19 Abs. 4 KostO nicht generell gefordert werden, dass das privilegierte Geschäft einen Generationswechsel zum Gegenstand haben soll. Vielmehr ist die Privilegierung auch auf andere güter- und erbrechtliche Geschäfte zu erstrecken, die im Rahmen des Erhalts und der Fortführung des Betriebes in einer bäuerlichen Familie üblich und erforderlich sind. Dem gemäß können auch Eheverträge (z.B. die Vereinbarung einer Gütergemeinschaft) und Scheidungsvereinbarungen, die naturgemäß auch weitere, den landwirtschaftlichen Betrieb nicht betreffende Vermögensvereinbarungen zum Gegenstand haben, unter § 19 Abs. 4 KostO fallen (BayObLGZ 1991, 200/202 m. w. N.), soweit sie die Fortführung des Betriebes regeln und sichern (vgl. auch BT-Drucks. aaO S. 8). Dies hat zur Folge, dass auch Ehegatten zum Personenkreis der "Fortführenden" zählen (Korintenberg/Bengel/Tiedtke KostO 15. Aufl. § 19 Rn. 86 und 94; Rohs/Wedewer KostO § 19 Rn. 55 k; Göttlich/Mümmler/Assenmacher/Mathias aaO Ziff. 6.9; Reimann MittBayNot 1989, 117/121; Tiedtke Notarkosten im Grundstücksrecht 1. Aufl. Rn. 564). Der Hinweis in der Entschließung des Bundesrats (BT-Drucks. aaO S. 9), wonach die Privilegierung eine rechtzeitige Betriebsübergabe auf die nachfolgende Generation ermöglichen soll, stellt lediglich eine äußerst knappe Wiedergabe der gesetzgeberischen Motive dar, die im Gesetzestext keinen Niederschlag gefunden hat und damit einer Auslegung, die Ehegattengeschäfte in das Privileg einbezieht, nicht entgegensteht.

b) Nach diesen Grundsätzen durfte das Landgericht den Ehe- und Erbvertrag, in dem ein Ehegatte seinen landwirtschaftlichen Betrieb in das Gesamtgut eingebracht hat und worin sich beide Ehegatten gegenseitig als Alleinerben eingesetzt haben und das im Zusammenhang mit dessen Durchführung stehende Geschäft der Eröffnung des Erbvertrags zu Recht in die Privilegierung des § 19 Abs. 4 KostO einbeziehen.

Das Landgericht hat den Ehe- und Erbvertrag vom 11.3.1988 zu Recht als der Fortführung des Betriebes dienend angesehen. Es hat zutreffend ausgeführt, dass dem Vertrag der Wille der Eheleute zu entnehmen ist, ihre gleichmäßige Teilhabe am bäuerlichen Betrieb und nach dem Tod eines von ihnen dessen Fortführung durch den Überlebenden zu sichern.

Bei einem Vorversterben des Beteiligten wäre eine Hofnachfolge im eigentlichen Sinne eingetreten, weil dann seine Ehefrau nach einem Zeitabschnitt der Mitberechtigung (§ 1416 Abs. 1 Satz 1 BGB) nach Maßgabe des Erbvertrags Alleineigentümerin des Anwesens und Nachfolgerin in der Betriebsführung geworden wäre; der Erwerb des zweiten Gesamtgutsanteils von Todes wegen hätte einen einheitlichen Überlassungsvorgang abgeschlossen (vgl. BayObLG RdL 1996, 216; MittBayNot 2002, 127/128; zur gleitenden Hofübergabe allgemein BayObLGZ 1997, 240/242 sowie BayObLG NJW-RR 2000, 215 und 1999, 224; zur Auseinandersetzung einer Gesamtgutsgemeinschaft vgl. Göttlich/Mümmler/Assenmacher/Mathias KostO 14. Aufl. "Grundbesitzwert" Ziff. 6.3).

Dass die Ehefrau zuerst verstorben ist und der Beteiligte ihren Gesamtgutsanteil geerbt hat, insoweit also ein Heimfall an den ursprünglichen Alleininhaber des landwirtschaftlichen Betriebs stattgefunden hat, ändert nichts an der Zielrichtung der Fortführung des Betriebes. Auch in dieser Fallgestaltung dient die Gesamtregelung dem Erhalt des landwirtschaftlichen Betriebes in der Hand der bäuerlichen Familie zur Fortführung durch den überlebenden Ehegatten.

2. Die Art und Weise, wie das Landgericht die Verbindlichkeiten abgezogen hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

a) Die Frage, in welchem Umfang betriebsbezogene Verbindlichkeiten von den Aktiva eines Nachlasses abzuziehen sind, zu dem ein mit dem Vierfachen seines Einheitswerts bewerteter landwirtschaftlicher oder forstwirtschaftlicher Betrieb gehört, kann dem Wortlaut des § 46 Abs. 4 KostO nicht ohne weiteres entnommen werden.

Ein vollständiger Ausschluss eines solchen Abzugs, wie er bei der Bewertung nach Erbscheinserteilung unter Berufung auf den Wortlaut von § 107 Abs. 2 Satz 1 KostO zum Teil vertreten wird (vgl. OLG Oldenburg JurBüro 1990, 1187 und Agrarrecht 1993, 116/117), findet im Wortlaut des § 46 Abs. 4 KostO keine Stütze. Umgekehrt können auch die Entscheidungen zur Höfeordnung, wonach kapitalisierte Altenteilsverpflichtungen von dem mit dem Einheitswert bzw. dessen 1 1/2fachen bewerteten Hofwert grundsätzlich voll abziehbar sind (vgl. BGH NJW-RR 1986, 1014/1016; OLG Celle ArgarR 2001, 264), wegen des speziellen Charakters des Verfahrens nach der Höfeordnung und der außerhalb des Kostenrechts liegenden Zielrichtung der einschlägigen Vorschriften nicht ohne weiteres für die hier zu entscheidende Frage herangezogen werden, zumal die Höfeordnung in Bayern nicht gilt.

Die betriebsbezogenen Verbindlichkeiten werden nicht selten das Vierfache des Betriebseinheitswerts übersteigen. Zur Vermeidung eines unangemessen niedrigen Geschäftswerts erscheint es deshalb im Einzelfall geboten, die Verbindlichkeiten nicht in voller Höhe abzuziehen. Dabei bietet es sich an, für den Umfang der Minderung den Maßstab heranzuziehen, der auch für die Privilegierung hinsichtlich des Aktivvermögens, also des Betriebswertes gilt. Die Verbindlichkeiten sind dann in dem Verhältnis zu mindern, das dem Verhältnis des vierfachen Einheitswerts zum Verkehrswert des Anwesens entspricht (vgl. OLG Hamm AgrarR 1991, 191/192; Korintenberg/Reimann § 46 Rn. 34; Göttlich/Mümmler/Assenmacher/Mathias aaO Ziff. 6.2). Eine solche Handhabung ist jedenfalls dann angemessen, wenn wie hier das landwirtschaftliche Anwesen den wesentlichen Teil des Nachlasses bildet, sein Verkehrswert um ein mehrfaches höher ist als sein vierfacher Einheitswert und die Verbindlichkeiten zum größten Teil aus Altenteilsverpflichtungen bestehen, deren Bewertung anhand ihrer Grundbucheintragung aufgrund abstrakt-formelhafter Schätzung erfolgte.

b) Das Landgericht ist zutreffend von Nachlassverbindlichkeiten in Höhe von 28632,34 EUR ausgegangen. Es durfte hierbei die Annahmen des Kostenbeamten des Amtsgerichts, die dieser im Nachlassverzeichnis niedergelegt hat, zugrundelegen. Dieser hat die auf dem Hof lastenden, aus dem Grundbuch ersichtlichen Rechte wie folgt durch Schätzung und mit nach Erfahrungswerten abstrakt gebildeten Rechenformeln bewertet:

Betretungs- und Reparaturvornahmerecht 3000,00 DM Altenteil 99000,00 DM Buchhypothek 10000,00 DM 112000,00 DM daraus 1/2 den Nachlass betreffend 56000,00 DM entspricht 28632,35 EUR

Nach den oben genannten Grundsätzen durfte das Landgericht nur einen Teil dieser Verbindlichkeiten von den Aktiva abziehen und diesen Teil durch das Verhältnis ermitteln, in dem das Vierfache des Betriebseinheitswerts zum Verkehrswert des Anwesens steht.

Ende der Entscheidung

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