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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 23.05.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 135/01
Rechtsgebiete: BVormVG, BGB


Vorschriften:

BVormVG § 1 Abs. 3
BGB § 1836
Die festgesetzte Obergrenze von 60,00 DM gilt nicht, wenn dem Betreuer eines nicht mittellosen Betreuten im Sinne des Rechtsgedanken des § 1 Abs. 3 BVormVG ein Härteausgleich gewährt wird.
Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Dr. Plößl und Dr. Schreieder

am 23. Mai 2001

in der Betreuungssache

auf die sofortige weitere Beschwerde der Betreuerin

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 28. März 2001 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Betroffene, der nicht unerhebliches Vermögen besitzt, steht unter Betreuung. Seit 1995 ist eine Rechtsanwältin zur Betreuerin bestellt. Sie führt die Betreuung berufsmäßig. Ihr Aufgabenkreis umfasst derzeit die Aufenthaltsbestimmung, die Sorge für die Gesundheit, die Vermögensverwaltung und die Entgegennahme, das Öffnen und das Anhalten der Post.

Auf den Antrag der Betreuerin, ihr für die vom 01.04.2000 bis 31.01.2001 geleistete Tätigkeit unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von 100,00 DM zuzüglich Mehrwertsteuer eine Vergütung in Höhe von 4804,33 DM zu bewilligen, setzte das Amtsgericht die Vergütung am 02.03.2001 auf lediglich 2882,60 DM einschließlich Mehrwertsteuer fest, da der Betreuerin nur ein Stundensatz von 60,00 DM zuzüglich Mehrwertsteuer zustehe. Die auf die Höhe des Stundensatzes beschränkte sofortige Beschwerde der Betreuerin hat das Landgericht mit Beschluss vom 28.03.2001 zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Betreuerin mit der sofortigen weiteren Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig, insbesondere vom Landgericht zugelassen (§ 56g Abs. 5 Satz 2 FGG). Es hat in der Sache aber keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

Zwar seien bei vermögenden Betreuten die Stundensätze des § 1 BVormVG für die dem Betreuer zu bewilligende Vergütung nicht verbindlich. Ihnen komme jedoch Richtlinienfunktion zu, sie seien auch für den Betreuer eines vermögenden Betreuten regelmäßig angemessen. Von ihnen sei nur dann abzuweichen, wenn dies die Schwierigkeit der Betreuungsgeschäfte ausnahmsweise gebiete. Eine derartige Schwierigkeit sei nicht gegeben.

Auch aus Gründen des Vertrauensschutzes könne der Betreuerin kein höherer Stundensatz gewährt werden. Ebenso wenig führe die bei vermögenden Betreuten entsprechend anzuwendende Übergangsregelung des § 1 Abs. 3 BVormVG zu einem höheren Stundensatz. Diese Härteregelung wolle vermeiden, dass Berufsbetreuer, denen bisher höhere Stundensätze bewilligt wurden, als ihnen nach der Neuregelung zustünden, Einkommenseinbußen erleiden, ohne dass sie Gelegenheit hatten, sich der veränderten Vergütungssituation durch Umschulung oder Fortbildung anzupassen. Allerdings gelte auch hier die Grenze von 60,00 DM, die ebenfalls nur ausnahmsweise bei besonderer Schwierigkeit der Betreuungsgeschäfte überschritten werden dürfte. Dies sei hier nicht der Fall. Die Betreuerin habe als Rechtsanwältin bereits die Qualifikation, die für die höchste Vergütungsstufe von 60,00 DM erforderlich sei, so dass eine vergütungserhöhende Qualifikationssteigerung nicht in Betracht komme.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) nicht in allen Punkten stand. Die Entscheidung erweist sich jedoch im Ergebnis als richtig.

a) Der Berufsbetreuer hat gegen den Betreuten Anspruch auf Vergütung seiner Amtsführung (§ 1908 Abs. 1 Satz 11, § 1836 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 BGB).

Ist der Betreute nicht mittellos bemißt sich die Vergütung zwar nicht zwingend nach den Stundensätzen des § 1 Abs. 1 BVormVG (vgl. BGH NJW 2000, 3709). Der vom Gesetzgeber in dieser Bestimmung getroffenen Regelung kommt insoweit jedoch Richtlinienfunktion zu. Die für den Fall der Inanspruchnahme der Staatskasse verbindlich festgelegten Stundensätze stellen im Regelfall auch für die von Betreuern vermögender Betreuter erbrachten Leistungen ein angemessenes Entgelt dar. Überschritten werden dürfen diese Stundensätze deshalb nur, wenn die Schwierigkeit der Betreuungsgeschäfte dies im Einzelfall ausnahmsweise gebietet (vgl. BGH aaO). Die Zuerkennung eines höheren Stundensatzes setzt demnach voraus, dass die Anforderungen der konkreten Betreuung, etwa wegen des vom Betreuer geforderten außergewöhnlichen, durch den Zeitaufwand nicht abgegoltenen Engagements oder wegen anderer - gemessen an der Qualifikation des Betreuers - besonderer Schwierigkeiten im Abrechnungszeitraum über den Regelfall einer Betreuung mit entsprechendem Aufgabenkreis deutlich hinausgegangen sind und die Vergütung des Betreuers mit dem seiner Qualifikation nach § 1 Abs. 1 BVormVG entsprechenden Stundensatz zu der von ihm erbrachten gesteigerten Leistung in einem klaren Missverhältnis stünde (vgl. BayObLGZ 2000, 316).

Für eine Übergangszeit ab dem Inkrafttreten der Neuregelung des Vergütungsrechts kann jedoch auch dem Berufsbetreuer eines nicht mittellosen Betroffenen im Rahmen der Bemessung des Stundensatzes ein Härteausgleich gewährt werden (BayObLGZ 2001 Nr. 26). Zwar gilt die Übergangsregelung des § 1 Abs. 3 BVormVG über § 1836a BGB unmittelbar nur, wenn die Vergütung wegen Mittellosigkeit des Betreuten aus der Staatskasse zu leisten ist. Das dieser Bestimmung zugrunde liegende gesetzgeberische Interesse, unzumutbare Nachteile zu vermeiden, die sich für Berufsbetreuer aus dem Wechsel der für die Vergütung ihrer Tätigkeit maßgeblichen Bemessungskriterien ergeben können (vgl. BayObLGZ 2001 Nr. 10), besteht jedoch gleichermaßen, wenn der Berufsbetreuer vermögende Personen betreut. Wegen der Richtlinienfunktion der in § 1 Abs. 1 BVormVG festgelegten Stundensätze wirkt sich die Vergütungsneuregelung in diesen Fällen häufig sogar besonders negativ aus, da die Gerichte für die Betreuung bemittelter Betreuter gewöhnlich deutlich höhere Stundensätze (für Rechtsanwälte galt in der Regel ein Stundensatz von 200,00 DM - BayObLGZ 1997, 44) zugebilligt hatten, als sie nach dem früheren Recht (§ 1836 Abs. 2 BGB a.F.) für die Betreuung mittelloser Betreuter vorgesehen waren (vgl. BayObLGZ 200-0, 331/334 f.). Ein solcher Härteausgleich ist entsprechend der ursprünglichen Fassung des § 1 Abs. 3 BVormVG regelmäßig nur für den Zeitraum bis 30.06.2000 gerechtfertigt. Die Verlängerung der Übergangsregelung für die Betreuer mittelloser Betreuter um ein Jahr durch Art. 7 Abs. 10 des Gesetzes vom 27.06.2000 (BGBl. I 897) rechtfertigt keine andere Beurteilung. Sie ist dadurch bedingt, dass die Nachqualifizierung gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 BVormVG in den meisten Bundesländern bis 30.06.2000 nicht abgeschlossen werden konnte (BayObLGZ 2001 Nr. 26), dient aber nicht der Berücksichtigung sonstiger Härten.

b) Die Bemessung des Stundensatzes obliegt dem pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters (vgl. BT-Drucks. 13/7158 S. 55 f.; OLG Hamm FamRZ 1999, 1230/1231 f.; Bach Kostenregelungen für Betreuungspersonen 2. Aufl. Rn. E 3.4, E 3.9). Das Gericht der weiteren Beschwerde kann dessen Entscheidung nur auf Rechtsfehler überprüfen (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO). Ein solcher liegt vor, wenn das Tatgericht sich des ihm zustehenden Ermessens nicht bewusst war, von ungenügenden oder verfahrenswidrig zustande gekommenen Feststellungen ausgegangen ist, wesentliche Umstände außer Betracht gelassen, der Bewertung relevanter Umstände unrichtige Maßstäbe zugrundegelegt, gegen Denkgesetze verstoßen oder Erfahrungssätze nicht beachtet, von seinem Ermessen einen dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Gebrauch gemacht oder die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten hat (vgl. BGH NJW 2000, 3709/3711; BayObLGZ 1998, 65/69 m.w.N.).

c) Im vorliegenden Fall ist die Ermessensausübung des Landgerichts nicht frei von Rechtsfehlern.

aa) Zwar hat die Kammer hinsichtlich der Schwierigkeit der Betreuung den entscheidungserheblichen Sachverhalt verfahrensfehlerfrei und damit für den Senat bindend festgestellt (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 561 ZPO). Ihre Begründung zur Höhe des Stundensatzes (ohne Härteausgleich) entspricht den dargestellten Grundsätzen und wird von der weiteren Beschwerde auch nicht angegriffen. Auch mit den von der Betreuerin vorgebrachten Argumenten zum Grundsatz des Vertrauensschutzes hat sich die Kammer fehlerfrei auseinandergesetzt (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 26.03.2001 Az.: 3Z BR 65/01).

bb) Die Erwägung des Beschwerdegerichts, mit der es die Zubilligung eines Härteausgleichs verneint, ist hingegen nicht frei von Rechtsfehlern. Die Beschränkung auf 60,00 DM gilt nicht, soweit in Anlehnung an die Übergangsbestimmung des § 1 Abs. 3 BVormVG dem Betreuer eines vermögenden Betroffenen ein Härteausgleich zu gewähren ist. Andernfalls könnte dem wesentlich höheren Ausgangsniveau der früher solchen Betreuern gewährten Vergütungen nicht Rechnung getragen werden. Die frühere Vergütung stellt aber gerade einen besonders wichtigen Anhaltspunkt für den Härteausgleich dar (BayObLGZ 2001 Nr. 10). Das Ziel eines angemessenen Härteausgleichs, das § 1 Abs. 3 B.VormVG im Auge hat, würde in diesem Bereich verfehlt.

Die Auffassung der Kammer würde dazu führen, dass Rechtsanwälte den Härteausgleich so gut wie nie in Anspruch nehmen könnten, da ihre Stundensätze bis zum Inkrafttreten des BVormVG regelmäßig weit über 60,00 DM lagen.

d) Dieser Rechtsfehler zwingt nicht zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht, da der Senat ohne weitere Ermittlungen die erforderlichen Feststellungen aus den Akten treffen und in der Sache selbst entscheiden kann (BayObLG NJWE-FER 99, 151/152). Danach ist im vorliegenden Fall für den Zeitraum vom 01.04. bis 30.06.2000 ein Härteausgleich nicht mehr geboten. Es ist nicht ersichtlich, dass die Betreuerin im Vertrauen auf die bisherigen Stundensätze besondere Aufwendungen getätigt hätte, die sich noch im jetzt maßgebenden Zeitraum auswirken. Noch im Jahre 1998 stellte sie lediglich einen Stundensatz von 75,00 DM und erst danach einen solchen von 100,00 DM in Rechnung, letzterer wurde ihr für den Zeitraum bis 31.03.2000 und damit für den wesentlichen Teil der Übergangszeit zugesprochen. Die von der Betreuerin hinzunehmende Vermögenseinbuße für die Restzeit bis 30.06.2000 erscheint daher als kein so erheblicher Eingriff in ihre Vermögensposition, dass die Anwendung der Härteklausel geboten wäre.

Ende der Entscheidung

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