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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 17.07.2002
Aktenzeichen: 3Z BR 135/02
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 1899 Abs. 1
BGB § 1899 Abs. 4
BGB § 1908b Abs. 1 Satz 1
FGG § 69i Abs. 5
FGG § 69i Abs. 7
Wird für den Betroffenen ein weiterer Betreuer bestellt, der einen Teil der bisherigen Aufgaben übernimmt, so liegt darin eine Teilentlassung des bisherigen Betreuers.
Gründe:

I.

Das Amtsgericht ordnete mit Beschluss vom 2.11.2000 für den Betroffenen Betreuung an mit den Aufgabenkreisen Vermögenssorge, Wohnungsangelegenheiten, Organisation der ambulanten Versorgung, Abschluss, Änderung und Kontrolle der Einhaltung des Heim- und Pflegevertrages, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern, Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post mit Ausnahme der Zustellung gerichtlicher Schriftstücke, Geltendmachung von Rechten des Betreuten gegenüber seinem Bevollmächtigten sowie Nachlassverfahren R. Zum Betreuer wurde für alle Angelegenheiten mit Ausnahme des Nachlassverfahrens der Sohn des Betreuten aus erster Ehe bestellt. Für das Nachlassverfahren wurde ein Rechtsanwalt als weiterer Betreuer bestellt.

Mit Schreiben vom 13.11.2001 wurde von dritter Seite angeregt, den Sohn des Betreuten als Betreuer zu entlassen. Hintergrund sind Erbschaftsstreitigkeiten. Dem Betroffenen war im Jahre 1999 ein Erbschein erteilt worden, wonach er seine verstorbene zweite Ehefrau allein beerbt habe. Zum Nachlass gehörte im wesentlichen ein Hausgrundstück, das der Betroffene mit notariellem Vertrag vom 26.4.1999 seinem Sohn und späteren Betreuer zu Alleineigentum überließ. Als Gegenleistung gewährte der Sohn des Betreuten seinem Vater einen unentgeltlichen Nießbrauch am fraglichen Objekt sowie die Organisation von Wart und Pflege in der jeweiligen Wohnung. Der Sohn des Betreuten wurde als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Der dem Betroffenen erteilte Erbschein wurde dann allerdings mit Beschluss des Nachlassgerichtes vom 30.7.2001 wieder eingezogen. Zur Überzeugung des Gerichts stehe fest, dass beim Tode der Erblasserin ein von ihr verfasstes handschriftliches Testament vorgelegen habe, welches den Betroffenen lediglich als Vorerben, einen weiteren Beteiligten aber als Nacherben ausgewiesen habe. Dieses Testament dürfte - so das Nachlassgericht in den Gründen des vorbezeichneten Beschlusses - aller Wahrscheinlichkeit nach vom Sohn des Ehemannes der Erblasserin - also vom Sohn des Betroffenen - vernichtet worden sein; es könne aber auch nicht ausgeschlossen werden, dass der Betroffene das Testament im Zustande geistiger Verwirrtheit selbst vernichtet habe.

Das Amtsgericht reagierte auf die Anregung der Betreuerentlassung in der Weise, dass durch Beschluss ein Aufgabenkreis Grundbuchberichtigung hinsichtlich des erwähnten Grundstücks aus dem dem Sohn des Betroffenen als Betreuer zugewiesenen Aufgabenkreis der Vermögenssorge ausgenommen und die weitere Betreuung um den nämlichen Aufgabenkreis erweitert wurde. Der schon bisher bestellte weitere Betreuer wurde auch insoweit zum weiteren Betreuer bestellt.

Gegen diesen Beschluss legte der Sohn des Betroffenen Beschwerde ein, die das Landgericht mit Beschluss vom 11.6.2002 zurückgewiesen hat. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Erstbeschwerdeführers.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist unbegründet.

1. Zu Recht hat das Landgericht die Beschwerdebefugnis des Beschwerdeführers bejaht. Als Betreuer war der Beschwerdeführer berechtigt, gegen seine Entlassung aus dem Aufgabenkreis Grundbuchberichtigung Beschwerde einzulegen (vgl. Bassenge/ Herbst/Roth FGG/RPflG 9. Aufl. § 69g FGG Rn. 13; § 69i FGG Rn. 34, 33). Als Sohn des Betroffenen stand ihm die Beschwerde gegen die Bestellung eines (weiteren) Betreuers zu, § 69i Abs. 5 i.V.m. § 69g Abs. 1 FGG.

2. In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg. Das Landgericht hat die Beschwerde im Ergebnis rechtsfehlerfrei (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) zurückgewiesen.

a) Das Landgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

Das Erstgericht habe im Ergebnis zu Recht für die hier fragliche Angelegenheit einen weiteren Betreuer bestellt. Der Beschwerdeführer sei zwar entgegen der Auffassung des Erstgerichts nicht schon kraft Gesetzes daran gehindert zu prüfen, ob im vorliegenden Fall ein Anspruch auf Grundbuchberichtigung bestehe und ob die Durchsetzung dieses Anspruches im Interesse des Betroffenen liege. Unbeschadet dessen bestehe insoweit aber ein erheblicher Interessenkonflikt. Es könne nicht erwartet werden, dass der Beschwerdeführer hier die Interessen des Betroffenen objektiv wahrnehmen werde, zumal der Beschwerdeführer bereits zum Ausdruck gebracht habe, dass in dieser Angelegenheit aus seiner Sicht kein Handlungsbedarf bestehe. Im Falle eines so gearteten Interessengegensatzes sei die Beschränkung des dem Beschwerdeführer als Betreuer zugewiesenen Aufgabenkreises im angeordneten Umfange sowie die Bestellung eines weiteren Betreuers erforderlich..

Das Beschwerdegericht sei befugt, die zuvor dargestellte Rechtsauffassung in seiner Entscheidung zu berücksichtigen. Einer persönlichen Anhörung des Betroffenen im Beschwerdeverfahren habe es nicht bedurft.

b) Wird für den Betroffenen ein weiterer Betreuer unter Aufteilung des bisherigen, einem Betreuer zugewiesenen Aufgabenkreises bestellt, so liegt in dieser Maßnahme neben der Betreuerbestellung zugleich auch eine Teilentlassung des bisherigen Betreuers (vgl. OLG Zweibrücken FPrax 1998, 57; HK-BUR/Hoffmann, § 69i FGG Rn. 64; Bassenge § 69i FGG Rn. 21).

Das Vormundschaftsgericht hat einen Betreuer zu entlassen, wenn seine Eignung, die Angelegenheiten des Betreuten zu besorgen, nicht mehr gewährleistet ist oder ein anderer wichtiger Grund für die Entlassung vorliegt (§ 1908b Abs. 1 Satz 1 BGB). Ein "anderer wichtiger Grund" liegt vor, wenn der Betreuer zwar keinen Eignungsmangel aufweist, ein Betreuerwechsel aber dennoch im Interesse des Betreuten liegt, weil es dessen Wohl mehr als unerheblich schaden würde, bliebe der Betreuer im Amt (BayObLG FamRZ 1996, 1105). Dies ist etwa dann der Fall, wenn Interessenkollisionen in Vermögensbelangen auftreten (BayObLG aaO, NJW-FER 2001, 98/99; Knittel BtG § 1908b BGB Anm. 5a). Möglich ist dabei auch eine teilweise Entlassung des Betreuers, indem das Gericht ihm nur einen bestimmten Aufgabenkreis entzieht und hierfür einen weiteren Betreuer bestellt (BayObLG FamRZ 1996, 1105).

Die Beurteilung des Tatrichters, ob die Eignung des Betreuers nicht mehr gewährleistet oder ein anderer wichtiger Grund für dessen Entlassung gegeben ist, kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur auf Rechtsfehler überprüft werden (§ 27 Abs. 1 Satz 1 FGG). Ein solcher liegt vor, wenn der Tatrichter die zuvor genannten unbestimmten Rechtsbegriffe verkannt hat, von ungenügenden oder verfahrenswidrig zustande gekommenen Feststellungen ausgegangen ist, wesentliche Umstände außer Betracht gelassen oder der Bewertung relevanter Umstände, unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (vgl. BayObLG aaO). Die Bestellung eines weiteren Betreuers ist - von der Bestellung zur Einwilligung in eine Sterilisation nach § 1899 Abs. 2 BGB einmal abgesehen - nur zulässig, wenn die Angelegenheiten des Betreuten durch mehrere Betreuer besser besorgt werden können (§ 1899 Abs. 1 BGB) oder wenn der andere Betreuer aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen verhindert ist (§ 1899 Abs. 4 BGB). Rechtlich verhindert ist der Betreuer, der nach § 181 BGB oder nach § 1908i Abs. 1 BGB i.V.m. § 1795 BGB von der Vertretung des Betreuten ausgeschlossen ist oder dem das Vormundschaftsgericht die Vertretungsmacht wegen erheblicher Interessengegensätze gemäß § 1908i Abs. 1 BGB i.V.m. § 1796 BGB entzogen hat (vgl. BayObLG FamRZ 1998, 512/513). Angelegenheiten des Betreuten können von einem weiteren Betreuer u. a. dann besser geltend gemacht werden, wenn der andere Betreuer sich bei der Wahrnehmung.seiner Aufgabe in einem ernsten Interessenkonflikt befindet (BayObLG aao S. 514).

c) Die Entscheidung des Landgerichts entspricht im Ergebnis diesen Grundsätzen.

aa) Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 8.1.2002 wurde sowohl die Teilentlassung des Beschwerdeführers als Betreuer des Betroffenen als auch die Bestellung eines weiteren Betreuers verfügt. Eine Erweiterung des dem Betreuer zugewiesenen Aufgabenkreises war mit dieser Verfügung nicht verbunden; vielmehr war der nunmehr dem weiteren Betreuer zugewiesene Aufgabenkreis Grundbuchberichtigung zuvor Teil des Aufgabenkreises Vermögenssorge und als solcher dem Beschwerdeführer zugewiesen. Aus Sicht des Senats besteht kein Anlass, in Zweifel zu ziehen, dass es sich bei der hier in Rede stehenden Grundbuchberichtigung um eine Angelegenheit handelt, die das (aktuelle) Vermögen des Betroffenen einschließlich der Realisierung etwaiger Ansprüche gegen den Beschwerdeführer betrifft. Es ist in diesem Zusammenhang unerheblich, dass dieser Problemkreis seinerzeit - also bei Errichtung der Betreuung - mit dem Betroffenen nicht im Detail erörtert worden ist. Die persönliche Anhörung des Betroffenen vor der Bestellung des Betreuers dient der Sachaufklärung und der Wahrung des rechtlichen Gehörs (vgl. Bassenge § 68 Rn. 4 FGG); sie hat nicht die Funktion, alle zukünftig etwas notwendigen Maßnahmen im einzelnen. zu erörtern.

bb) Es bedarf ferner keiner weiteren Begründung, dass im vorliegenden Falle eine massive Interessenkollision zwischen dem Beschwerdeführer einerseits und dem Betroffenen andererseits besteht, wenn es darum geht, Maßnahmen zu prüfen und gegebenenfalls durchzusetzen, die auf eine Rückabwicklung des durch den Beschwerdeführer mit dem Betroffenen abgeschlossenen Grundstücksgeschäfts abzielen. Soweit es um Rechtsgeschäfte geht, die in diesem Zusammenhang zwischen dem Beschwerdeführer und dem Betroffenen zu tätigen wären, wäre der Berufungsführer ohnehin kraft Gesetzes von einer Vertretung des Betroffenen ausgeschlossen (§ 1908i Abs. 1 i.V.m. § 1795 Abs. 2, § 181 BGB). Es ist dabei nicht Sache des Vormundschaftsgerichts, die Interessen des Betroffenen selbst zu gewichten und anstelle eines Betreuers Vor- und Nachteile einer Rückabwicklung des notariellen Überlassungsvertrages abzuwägen. Aufgabe des Vormundschaftsgerichtes ist es im Normalfall lediglich, den Betreuer zu beraten und seine Tätigkeit zu beaufsichtigen (§ 1908i Abs. 1 i.V.m. 1837 Abs. 1 und 2 BGB Palandt/Diederichsen BGB 61. Aufl. 1837 Rn. 1). Nur dann, wenn ein Betreuer noch nicht bestellt ist oder der Betreuer an der Erfüllung seiner Pflicht verhindert ist, hat das Vormundschaftsgericht die im Interesse des Betroffenen erforderlichen Maßregeln selbst zu treffen (§ 1908i Abs. 1 i.V.m. 1846 BGB). Die Voraussetzungen für Eilmaßnahmen dieser Art (vgl. dazu Seichter Einführung in das Betreuungsrecht 2001 S. 114) sind im vorliegenden Fall ganz offensichtlich nicht gegeben.

Aufgrund der aufgetretenen Interessengegensätze hat das Amtsgericht den Beschwerdeführer zur Recht als Betreuer des Betroffenen im Aufgabenkreis Grundbuchberichtigung abgelöst und insoweit einen anderen Betreuer bestellt. Es war ein neuer Betreuer zu bestellen (§ 1908c BGB), wobei der aufgezeigte Interessenkonflikt nach den Feststellungen des Landgerichts zugleich auch die Bestellung eines weiteren Betreuers im Sinne von § 1899 Abs. 1 BGB rechtfertigte (s. o.). Die übrigen Voraussetzungen für die Anordnung einer Betreuung im fraglichen Aufgabenkreis sind nach dem vom Landgericht in Bezug genommenen ärztlichen Sachverständigengutachten erfüllt. Die Eignung des ausgewählten weiteren Betreuers wird vom Beschwerdeführer selbst nicht in Zweifel gezogen.

cc) Die Feststellungen des Landgerichts, auf denen die angefochtene Entscheidung beruht, sind schließlich auch verfahrensfehlerfrei zustande gekommen; sie sind für den Senat bindend (§ 27 Abs. 1 FGG, § 561 Abs. 2 ZPO). In Sonderheit war es ausreichend, dem Betroffenen wie geschehen vor Erlass der angefochtenen Erstentscheidung rechtliches Gehör zu gewähren. Da der Betroffene im vorliegenden Falle ausweislich des vom Amtsgericht erholten Sachverständigengutachtens durchaus noch in der Lage ist, sich zu äußern und gegebenenfalls auch seine Interessen zu wahren, war die Bestellung eines Verfahrenspflegers hier nicht geboten. Eine persönliche Anhörung des Betroffenen war weder mit Blick auf die (Teil-)Entlassung noch auf die Neubestellung eines weiteren Betreuers erforderlich. Was die Entlassung betrifft, so sieht § 69i Abs. 7 FGG eine persönliche Anhörung des Betroffenen lediglich in dem Falle vor, dass der Betroffene der Entlassung des Betreuers widerspricht (vgl. Bassenge § 69i FGG Rn. 31; BayObLG FamRZ 1997, 1358). Dies ist im vorliegenden Falle nicht geschehen. Bezüglich der Bestellung des neuen weiteren Betreuers gilt § 69i Abs. 5 FGG; eine persönliche Anhörung ist wegen der Verweisung auf § 69i Abs. 1 FGG hier (nur) erforderlich, wenn mit der Bestellung eine Erweiterung des Aufgabenkreises verbunden ist (vgl. BayObLG FamRZ 1998, 512/513) oder die Anhörung zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 12 FGG) geboten ist. Dies ist hier nicht der Fall (s. o.).

Eine (weitere) Anhörung des Betroffenen im Beschwerdeverfahren war damit gleichfalls entbehrlich, § 69g Abs. 5 Satz 1 FGG.

Ende der Entscheidung

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