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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 30.07.2003
Aktenzeichen: 3Z BR 139/03
Rechtsgebiete: GG, BGB


Vorschriften:

GG Art. 19 Abs. 4
BGB § 1906 Abs. 1 Nr. 2
Wird ein Unterbringungsverfahren beendet, nachdem das Landgericht die sofortige Beschwerde gegen die Verlängerung der Unterbringungsgenehmigung zurückgewiesen hat, kann der Betroffene gegen die Beschwerdeentscheidung sofortige weitere Beschwerde mit dem Ziel der Feststellung der Rechtswidrigkeit einlegen. Gegenstand der Überprüfung ist dann allein die landgerichtliche Entscheidung.
Gründe:

I.

Das Amtsgericht genehmigte am 28.3.2003 die vorläufige Unterbringung des seit Jahren unter Betreuung stehenden Betroffenen in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses bis längstens 9.5.2003. Am 1.4.2003 ergänzte das Amtsgericht den Beschluss dahingehend, dass erforderlichenfalls zur Durchführung der Unterbringung Gewalt angewendet und die Wohnung des Betroffenen auch gegen den Willen des Betroffenen betreten werden dürfe. Am gleichen Tag wurde der Betroffene geschlossen untergebracht. Mit Beschluss vom 8.5.2003 verlängerte das Amtsgericht die Genehmigung der vorläufigen geschlossenen Unterbringung bis zum 20.6.2003. Am 12.5.2003 wurde der Betroffene richterlich zur Verlängerung der Unterbringung angehört.

Die sofortigen Beschwerden des Betroffenen vom 7.4.2003 und vom 12.5.2003 gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 1.4.2003 und gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 8.5.2003 hat das Landgericht am 5.6.2003 zurückgewiesen und einen Befangenheitsantrag des Betroffenen gegen alle Mitglieder der Kammer verworfen.

Gegen diesen Beschluss geht der Betroffene mit seiner am 24.6.2003 eingelegten sofortigen weiteren Beschwerde vor, für welche er Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt. Am 18.6.2003 wurde der Betroffene aus der geschlossenen Einrichtung entlassen, das Unterbringungsverfahren wurde eingestellt. Daraufhin beantragte der Betroffene eine Entscheidung über die Kostenfrage und die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahmen.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Mit seinem Rechtsmittel greift der Betroffene nicht die Verwerfung seines Befangenheitsantrages an. Vielmehr erstrebt er die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Verlängerung der Unterbringung sowie der Gestattung der Gewaltanwendung.

1. Verlängerung der Unterbringung durch den Beschluss des Amtsgerichts vom 8.5.2003:

a) Die Hauptsache ist erledigt. Mit der Einstellung des Unterbringungsverfahrens durch das Amtsgericht am 18.6.2003 hat sich das Unterbringungsverfahren samt den in ihm enthaltenen richterlichen Anordnungen und Beschlüssen erledigt. Erledigt sich die Hauptsache, ist ein zuvor mit dem Zweck der Aufhebung der beanstandeten Maßnahme eingelegtes Rechtsmittel unzulässig; eine Sachentscheidung kann insoweit nicht mehr ergehen (vgl. Keidel/Kahl FGG 15. Aufl. § 19 Rn. 94). Der Betroffene kann aber mit seinem Rechtsmittel die Feststellung der Rechtswidrigkeit der getroffenen Maßnahme anstreben (BayObLGZ 2000, 220/221). Denn die in Art. 19 Abs. 4 GG verbürgte Effektivität des Rechtsschutzes gebietet es, dass in den Fällen, in denen der durch die geschlossene Unterbringung bewirkte tiefgreifende Eingriff in das Grundrecht der Freiheit beendet ist, die Schutzwürdigkeit des Interesses des Betroffenen an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Grundrechtseingriffs zu bejahen (vgl. BVerfG NJW 2002, 2456.ff.; BayObLGZ 2002, 304 ff.; Demharter FGPrax 2002, 137/138). ob hiervon im Einzelfall Ausnahmen gerechtfertigt sein können (vgl. Demharter aaO und BVerfG NJW 2003, 1514 für eine Durchsuchungsanordnung), bedarf keiner weiteren Erörterung, da im vorliegenden Fall einer zeitlich eng befristeten Freiheitsentziehung bereits nach den bisher maßgebenden Grundsätzen der Rechtsprechung (vgl. BVerfG NJW 1998, 2432; BayObLG NJW 2002, 146 m. w. N.) der Fortbestand des Rechtsschutzbedürfnisses zu bejahen ist.

b) Gegenstand der Rechtswidrigkeitsfeststellung kann im Grundsatz sowohl die ursprüngliche Genehmigung der freiheitsentziehenden Maßnahme als auch deren Fortbestand für den Zeitraum der Durchführung der Unterbringung bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses sein. Der Betroffene legt durch seinen Antrag fest, in welchem Umfang er die Rechtswidrigkeit überprüft sehen möchte (vgl. hierzu BayObLGZ 2002, 304 ff.). Tritt die Erledigung erst nach Erlass der Entscheidung des Beschwerdegerichts ein, sind allerdings die Grenzen zu beachten, die einer Überprüfung durch das Gericht der weiteren Beschwerde allgemein gezogen sind. Gegenstand des Verfahrens der weiteren Beschwerde und damit auch der Nachprüfung ist die Entscheidung des Beschwerdegerichts und damit nur das, worüber das Beschwerdegericht eine Entscheidung getroffen hat (vgl. BayObLGZ aaO). Ist demnach lediglich der Fortbestand der amtsgerichtlichen Genehmigung der Unterbringung der Gegenstand der Beschwerdeentscheidung, kann das Gericht der weiteren Beschwerde, wenn die Erledigung der Hauptsache erst nach der entsprechenden Beschwerdeentscheidung des Landgerichts eintritt, auch nur über die Rechtswidrigkeit zum Zeitpunkt dieser Entscheidung befinden. Nur wenn Gegenstand der Beschwerdeentscheidung auch die Überprüfung der ursprünglichen und/oder Genehmigung ihr Fortbestand war, ist dem Gericht der weiteren Beschwerde auch die Entscheidung über diese Verfahrensgegenstände eröffnet. Aus der Möglichkeit der Einbeziehung dieser Verfahrensgegenstände folgt aber nicht zwangsläufig, dass das Beschwerdegericht stets auch über die ursprüngliche Rechtmäßigkeit der Genehmigung zu entscheiden hat. Vielmehr bestimmt der Inhalt der Beschwerde, welche Rechtsschutzziele der Betroffene mit seiner Beschwerde verfolgt. Legt er ohne nähere Angaben sofortige Beschwerde ein, kann im Grundsatz davon ausgegangen werden, dass er nur die Aufhebung der Genehmigung und Beendigung der Freiheitsentziehung anstrebt (vgl. BayObLGZ 2002, 304/310).

c) Nach diesen Grundsätzen kann Gegenstand der Rechtswidrigkeitsfeststellung hier nur die Berechtigung der Unterbringungsgenehmigung zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung des Landgerichts sein. Denn der Betroffene hat in seiner sofortigen Beschwerde zum Landgericht nur erklärt, dass er gegen die Verlängerung der Unterbringung eine Beschwerde einlegen möchte. Nähere Angaben zum Ziel der Beschwerde fehlen. Es ist damit davon auszugehen, dass der Betroffene mit seinem Rechtsmittel eine Beendigung der Freiheitsentziehung und die Aufhebung des Verlängerungsbeschlusses erreichen wollte. Dementsprechend hat sich das Landgericht in den Gründen seiner Beschwerdeentscheidung auch nur mit diesen Punkten beschäftigt.

Der Senat kann damit im vorliegenden Verfahren der weiteren Beschwerde nur prüfen, ob die in der Beschwerdeentscheidung des Landgerichts liegende Genehmigung der Fortführung der Unterbringung rechtmäßig war oder nicht.

d) Diese Genehmigung war rechtmäßig. Die Voraussetzungen für eine Unterbringung lagen zum Zeitpunkt der landgerichtlichen Entscheidung noch vor.

aa) Das Landgericht hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:

Nach der überzeugenden Stellungnahme desjenigen Arztes, welcher den Betroffenen im Bezirkskrankenhaus behandele, stehe fest, dass der Betroffene seit Jahren an einer paranoiden Psychose leide. Der Betroffene habe weder Krankheitseinsicht noch Krankheitsgefühl und könne die Notwendigkeit einer geschlossenen Unterbringung nicht erkennen. Die paranoide Psychose könne nur in einer geschlossenen Einrichtung der dringend notwendigen Therapie zugeführt werden. Eine ambulante Therapie sei nicht ausreichend, weil der Betroffene in einer Vielzahl vorgelagerter Verfahren gezeigt habe, dass er nicht in der Lage sei, seine Medikamente eigenständig und zuverlässig einzunehmen. Er habe die Medikamente immer wieder eigenmächtig abgesetzt, was jeweils zu einer Exacerbation seiner psychischen Erkrankung geführt habe. Er stehe unter dem Einfluss wahnhafter Ideen und könne derzeit nicht auf sich alleine gestellt leben. Auch während seiner Anhörungen habe sich der Betroffene krankheitsuneinsichtig gezeigt. Die Genehmigung der Unterbringung sei deshalb nach § 1906 Abs. 1 Nr.2 BGB gerechtfertigt.

bb) Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand, § 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO. Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei die weitere Fortführung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gebilligt.

Eine mit Freiheitsentziehung verbundene Unterbringung des Betroffenen durch den Betreuer, d.h. die Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung gegen den Willen des Betroffenen bedarf der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts (§ 1906 Abs. 2 Satz 1 BGB). Dieses muss die Genehmigung erteilen, solange sie zum Wohle des Betroffenen erforderlich ist, weil aufgrund einer psychischen Krankheit des Betroffenen die Gefahr besteht, dass er sich selbst erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt (§ 1906 Abs. 1 Nr.1 BGB) oder weil eine Untersuchung des Gesundheitszustandes, eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff notwendig ist, welcher ohne die Unterbringung des Betreuten nicht durchgeführt werden kann und der Betreute aufgrund seiner psychischen Krankheit die Notwendigkeit der Unterbringung nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann (§ 1906 Abs. 1 Nr.2 BGB). Im Bereich der Anlasskrankheit, also der psychischen Krankheit, die zur Betreuerbestellung geführt hat, ist eine Unterbringung nur zulässig, wenn die beabsichtigte Behandlungsmaßnahme geeignet ist, den gewünschten Behandlungserfolg herbeizuführen und die Nachteile, die ohne Unterbringung und Behandlung entstehen würden, die Schwere der Freiheitsentziehung überwiegen (vgl. Marschner/Volckart Freiheitsentziehung und Unterbringung 4. Aufl. § 1906 BGB Rn. 25). Eine Unterbringung zur Durchführung einer Heilbehandlung setzt weiter voraus, dass der Betroffene aufgrund der Krankheit den Willen nicht mehr frei bestimmen kann (vgl. Marschner/Volckart § 1906 Rn.30). Die Erforderlichkeit der Unterbringung ist der strengen Prüfung am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu unterziehen, da die Freiheit der Person ein so hohes Rechtsgut darstellt, dass sie nur aus besonders wichtigem Grund angetastet werden darf (vgl. BVerfG NJW 1998, 1774/1775).

cc) Das Landgericht hat die Voraussetzungen für eine Genehmigung der Unterbringung des Betroffenen beanstandungsfrei bejaht. Der Senat ist an die verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts gebunden (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 559 ZPO ). Danach steht fest, dass der Betroffene seit Jahren an einer paranoiden Psychose leidet. Der Betroffene war deshalb schon mehrfach geschlossen untergebracht. Er ist krankheitsbedingt nicht dazu in der Lage, seine Krankheit und deren Behandlungsbedürftigkeit einzusehen. Die ihm verordneten Medikamente setzt er eigenmächtig wieder ab. Er führt so immer wieder eine Exacerbation seiner Krankheit herbei. Aufgrund dieser Feststellungen durfte die Kammer den Schluss ziehen, dass die Behandlung des Betroffenen in einer geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses noch für einen weiteren Zeitraum erforderlich war. Wegen der völligen Krankheitsuneinsichtigkeit des Betroffenen ist eine Erfolg versprechende Behandlung nur im Rahmen einer geschlossenen Unterbringung möglich. Dies gilt zumindest solange, bis die Medikamentation eingestellt und der Betroffene unter dem Einfluss der Medikamente zumindest für einige Zeit in der Lage ist, die verordneten Medikamente zu nehmen. Würde der Betroffene nicht zur Heilbehandlung geschlossen untergebracht, wäre eine Behandlung nicht möglich. Der Gesundheitszustand des Betroffenen würde sich weiter verschlechtern und er immer mehr in seine Psychose versinken mit der Gefahr, dass eine Erfolg versprechende Behandlung immer schwieriger wird. Es liegt auf der Hand, dass diese Nachteile den notwendigen Eingriff in die Freiheit des Betroffenen bei weitem übertreffen.

2. Gestattung der Gewaltanwendung durch den Beschluss des Amtsgerichts vom 1.4.2003:

Auch insoweit ist die Hauptsache erledigt. Der Betroffene befand sich seit dem 1.4.2003 in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses. Der Beschluss regelte lediglich die Art und Weise der Zuführung des Betroffenen zur geschlossenen Unterbringung so dass mit der Unterbringung des Betroffenen die Hauptsache erledigt war (vgl. auch BayObLGZ 1993, 76/78). Die Hauptsache hat sich damit noch vor der Beschwerdeentscheidung des Landgerichts und vor der Einlegung der Beschwerde durch den Betroffenen erledigt. Der Betroffene hätte allenfalls die Erstbeschwerde nach den oben dargestellten Grundsätzen umstellen können. In der vorliegenden Form war sie zum Zeitpunkt der landgerichtlichen Entscheidung unzulässig. Das Landgericht hätte die Beschwerde daher als unzulässig verwerfen müssen. Insofern war die Beschlussformel des Landgerichts zu berichtigen. Im Übrigen hätte auch die Umstellung der Erstbeschwerde in der Sache keinen Erfolg gehabt. Es ist schon zweifelhaft, ob in der Gestattung der Gewaltanwendung ein derart schwerwiegender Grundrechtseingriff liegt, wie ihn die Rechtsprechung als Voraussetzung für eine Rechtswidrigkeitsfeststellung fordert. Jedenfalls aber fehlt in den Akten jeglicher Anhaltspunkt dafür, dass der Betroffene unter Anwendung von Gewalt untergebracht worden ist, so dass ein Grundrechtseingriff gar nicht stattgefunden hat (vgl. BVerfG NJW 1998, 2813/2814).

4. Da das Rechtsmittel des Betroffenen ohne Aussicht auf Erfolg war, konnte ihm keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden.

Ende der Entscheidung

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