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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 31.07.2002
Aktenzeichen: 3Z BR 145/02
Rechtsgebiete: FGG
Vorschriften:
FGG § 19 Abs. 1 | |
FGG § 22 Abs. 1 |
Gründe:
I.
Das Amtsgericht führt für den Betroffenen, der an einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis leidet, ein Betreuungsverfahren. Mit Beschluss vom 10.9.2001 wurde der Umfang der Betreuung eingeschränkt; der Aufgabenkreis des Betreuers umfasst seither die Gesundheitsfürsorge für nervenärztliche Behandlungen sowie die Vertretung des Betroffenen in zwei anhängigen Strafverfahren.
Mit Beschluss vom 14.3.2002 ordnete das Amtsgericht anstelle eines Betreuers die vorläufige Unterbringung des Betroffenen in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses bis längstens 28.3.2002 an und willigte in ärztliche Untersuchungs- und Behandlungsmaßnahmen ein. Anlässlich seiner am 19.3.2002 nachgeholten persönlichen Anhörung zu der sofort vollzogenen Anordnung legte der Betroffene zu Protokoll des Amtsrichters Beschwerde gegen den Unterbringungsbeschluss ein.
Am 26.3.2002 erklärte der Betroffene, er wolle sich nunmehr auf freiwilliger Basis weiter in dem Krankenhaus aufhalten.
Das Landgericht hob hierauf den Beschluss des Amtsgerichts mit Beschluss vom 28.3.2002 wieder auf, da eine Freiheitsentziehung begrifflich nicht mehr vorliege; "bis dahin" sei der angefochtene Beschluss rechtmäßig gewesen.
Dies nahm der Betreuer des Betroffenen zum Anlass, sich seinerseits gegen den Beschluss des Landgerichts zu wenden mit dem Antrag festzustellen, dass die Unterbringung des Betroffenen nicht rechtmäßig gewesen sei. Nach Rücksprache mit der Beschwerdekammer erklärte sich der Betreuer damit einverstanden, dass sein zunächst als Beschwerde bezeichnetes Schreiben vom 22.4.2002 als Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des amtsrichterlichen Beschlusses behandelt wurde. Das Landgericht hat über den Antrag mit Beschluss vom 19.6.2002 entschieden und die Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Betreuers.
II.
Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig, weil das Landgericht die Beschwerde des Rechtsbeschwerdeführers zurückgewiesen hat (vgl. Bassenge/Herbst/Roth FGG/RPflG 9. Aufl. § 27 FGG Rn. 7).
Das Rechtsmittel bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Das Landgericht hat das Schreiben des Betreuers vom 22.4.2002 nach Rücksprache mit diesem als "gesonderte Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde" gegen den Beschluss des Erstgerichts behandelt, über die das Landgericht noch nicht entschieden habe. Es hätte diese Beschwerde bereits als unzulässig verwerfen müssen.
1. Als Rechtsmittel des Betreuers selbst war die Beschwerde nicht fristgerecht eingelegt (§ 22 Abs. 1 FGG) und damit unzulässig. Dem Betreuer und nunmehrigen Beschwerdeführer ist der ordnungsgemäß mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehene Beschluss des Erstgerichts ausweislich der Akten bereits am 16.3.2002 zugestellt worden. Die Frist für die als Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Amtsgerichts allein statthafte sofortige Beschwerde (§§ 70m Abs. 1, 70h Abs. 1 Satz 2, 70g Abs. 3 Satz 1 FGG) war deshalb bei Eingang des Schreibens vom 22.4.2002 abgelaufen.
Die Beschwerdeeinlegung des Betroffenen kommt dem Betreuer für die von diesem selbst eingelegte Beschwerde nicht zugute. Eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Unterbringungsmaßnahme kann zwar gegenüber beiden Beteiligten in der Sache letztlich nur einheitlich ergehen. Dem FGG als dem vorliegend maßgebenden Verfahrensgesetz fehlt jedoch eine § 62 ZPO entsprechende Regelung zur notwendigen Streitgenossenschaft, nach der im Hinblick auf die Versäumung etwa der Frist zur Einlegung eines Rechtsmittels ein säumiger Streitgenosse als durch einen nicht säumigen vertreten angesehen wird. Auch der Umstand, dass der Betreuer im vorliegenden Falle mit seinem Feststellungsantrag letztlich das gleiche Ziel verfolgt wie der Betroffene, führt nicht dazu, dass das Rechtsmittel des Betroffenen verfahrensrechtlich dem Betreuer als Grundlage für einen Fortsetzungsfeststellungsantrag zugerechnet wird (vgl. BGH NJW 1980, 1960/1961; Jansen FGG 2. Aufl. Vorbem. §§ 8 - 18 Rn. 88; Keidel/Kahl FGG 14. Aufl. § 22 Rn. 9).
Auch durch die Beendigung der Unterbringung des Betroffenen wurde der Instanzenzug nicht in dem Sinn neu eröffnet, dass ein neuerliches selbständiges Rechtsmittel in Form einer Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde hätte eingelegt werden können. Durch die Beendigung war das Unterbringungsverfahren in der Hauptsache erledigt (vgl. Bassenge Einl. FGG Rn. 118 ff.).'Mit Erledigung der Hauptsache entfällt grundsätzlich das Rechtsschutzbedürfnis. Ein Rechtsmittel kann nicht mehr zulässig eingelegt werden; ein bereits eingelegtes Rechtsmittel wird unzulässig (Keidel/Kahl § 19 Rn. 93 f.). Nach inzwischen herrschender Auffassung kann im Falle einer freiheitsentziehenden Maßnahme allerdings trotz Erledigung des Verfahrens in der Hauptsache unter bestimmten Voraussetzungen weiterhin ein - im übrigen zulässiges - Rechtsmittel eingelegt oder weitergeführt werden mit Ziel, die Rechtswidrigkeit der Maßnahme festzustellen (vgl. BVerfG InfAuslR 2002, 132; BayObLGZ 1999, 24 m. w. N.; BayObLGZ 2000, 220; BayObLG NJW-RR 2001, 724; Bassenge Einl. FGG Rn. 130 m. w. N.). Das Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers muss in diesen Fällen als fortbestehend angesehen werden. Jedoch bleiben dabei die Zulässigkeitsvoraussetzungen im übrigen unberührt. Ein bereits aus anderen Gründen unzulässiges, insbesondere wie hier verfristetes Rechtsmittel bleibt unzulässig.
2. Das Schreiben des Betreuers vom 22.4.2002 kann auch nicht in einen Fortsetzungsfeststellungsantrag für den Betroffener umgedeutet werden.
Zum einen war der Betreuer nicht berechtigt, für den Betroffenen im Rahmen der von diesem fristgerecht erhobenen sofortigen Beschwerde (zur Form vgl. BayObLGZ 1987, 275/276) einen Fortsetzungsfeststellungsantrag zu stellen. Der Betreuer ist zwar nach §§ 70m Abs. 2, 70d Abs. 1 Nr. 3 FGG ohne Rücksicht auf den ihm übertragenen Aufgabenkreis zur Beschwerde im eigenen Namen berechtigt (vgl. Bassenge § 70d FGG Rn. 5; Keidel/Kayser § 70d Rn. 5). Dies ändert aber nichts daran, dass seine gesetzlich begründete Vollmacht, für den Betroffenen rechtlich wirksame Erklärungen abgeben zu können, auf den ihm übertragenen Aufgabenkreis begrenzt ist (§ 1902 BGB; Palandt/Diederichsen BGB 61. Aufl. § 1902 Rn. 1). Der Aufgabenkreis "Unterbringung" ist dem Betreuer im vorliegenden Fall aber gerade nicht übertragen; der ihm übertragene Aufgabenkreis "Gesundheitsfürsorge" umfasst die Unterbringung nicht (Palandt/Diederichsen § 1896 Rn. 20). Die Akten enthalten auch keinen Hinweis darauf, dass der Betroffene seinen Betreuer rechtsgeschäftlich wirksam bevollmächtigt hätte, im vorliegenden Verfahren für ihn Erklärungen gegenüber dem Beschwerdegericht abzugeben.
Zum anderen hatte das Landgericht über die Beschwerde des Betroffenen bereits mit Beschluss vom 28.3.2002 nach Tenor und Gründen abschließend entschieden. Mit dieser Endentscheidung endete das Verfahren über die Beschwerde des Betroffenen unabhängig davon, ob die Entscheidung des Landgerichts rechtlich zutreffend war oder nicht (vgl. Bassenge Einl. FGG Rn. 97). Damit war für eine Fortsetzung des vom Betroffenen initiierten Beschwerdeverfahrens nach Erlass der Entscheidung vom 28.3.2002 kein Raum mehr. Zu einer Abänderung dieser Entscheidung war das Landgericht nicht mehr berechtigt (vgl. Bassenge § 18 FGG Rn. 17; § 25 FGG Rn. 19).
3. Das Schreiben vom 22.4.2002 kann auch nicht als sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts vom 28.3.2002 ausgelegt werden. Abgesehen davon, dass der Betreuer selbst sein Schreiben ausweislich seiner Erklärung gegenüber dem Landgericht letztlich nicht in diesem Sinne gewertet wissen wollte, genügt das Schreiben auch nicht den gesetzlichen Formvorschriften für die weitere Beschwerde (hier: § 29 Abs. 1 Satz 2 FGG). Außerdem war der Betreuer trotz ursprünglich gegebener Beschwerdeberechtigung (s.o.) wegen der versäumten Frist bezüglich der Anfechtung des Unterbringungsbeschlusses (s.o.) nicht mehr berechtigt, die sofortige weitere Beschwerde zu erheben (vgl. Bassenge § 27 FGG Rn. 8 m. w. N.).
4. Der Senat hat damit nicht in der Sache selbst zu entscheiden. Er weist jedoch darauf hin, dass nach neuer höchstrichterlicher Rechtsprechung in Fällen einer vorläufigen Unterbringung gemäß § 70h Abs. 3 FGG i.V.m. § 1846 BGB bereits bei Anordnung für die Bestellung eines Betreuers innerhalb weniger Tage Sorge zu tragen ist (BGH NJW 2002, 1801; BayObLG Beschluss vom 15.5.2002 - 3Z BR 163/00), dass für das Entfallen der persönlichen Anhörung des Betroffenen (§ 70h Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 2, § 69f Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 FGG) Gefahr im Verzug erforderlich ist (§ 69f Abs. 1 Satz 4 FGG) und die hierfür maßgebenden Gründe konkret darzulegen sind (vgl. BayObLGZ 2000, 220/223), und dass die Anhörung des Betroffenen gegebenenfalls unverzüglich, d.h. im Grundsatz spätestens am nächsten Tag nachgeholt werden muss (vgl. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG; BVerfG NJW 1984, 1806/1807; BayObLG aaO S. 224; Keidel/Kayser § 70h Rn. 8).
Ende der Entscheidung
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