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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 29.09.2004
Aktenzeichen: 3Z BR 147/04
Rechtsgebiete: KostO


Vorschriften:

KostO § 46 Abs. 4
KostO § 102
KostO § 103 Abs. 1
Ein Grundstück, das noch vom Erblasser aufgelassen wurde, dessen Eigentumsumschreibung im Grundbuch aber zu dessen Lebzeiten nicht mehr erfolgte, gehört auch hinsichtlich des Geschäftswerts zum Nachlass. Seinem Wert kann jedoch der auf Übereignung des Grundstücks gerichtete schuldrechtliche Anspruch als Nachlassverbindlichkeit gegenüberstehen.
Gründe:

I.

Die Beteiligte ist Alleinerbin ihrer am 30.6.1999 verstorbenen Mutter. Der dem zugrunde liegende Erbvertrag vom 1.10.1983 sowie ein öffentliches Testament vom 23.4.1993 nebst Nachtrag vom 18.12.1993 wurden vom Nachlassgericht am 16.7.1999 eröffnet. Hierfür wurde mit Kostenrechnung vom 21.10.2002 eine halbe Gebühr aus einem Geschäftswert von 3.188.000 EURO von der Beteiligten verlangt. Die Beteiligte, vertreten durch ihren Ehemann, wandte sich unter anderem gegen diesen Geschäftswert. Der Wert eines Hausgrundstücks, das der Beteiligten durch notariell beurkundeten Vertrag vom 10.11.1998 von ihrer Mutter geschenkt worden war, sei zu Unrecht bei der Bildung dieses Geschäftswerts herangezogen worden.

Das Amtsgericht wies durch Beschluss vom 10.3.2003 die Erinnerung zurück. Mit der hiergegen eingelegten Beschwerde verfolgte die Beteiligte nur noch die Rüge weiter, dass der genannte Geschäftswert um den Wert des aufgeführten Grundstücks zu hoch sei.

Das Landgericht hat am 17.5.2004 die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten.

II.

Die weitere Beschwerde betreffend den Geschäftswert der Eröffnung der Verfügungen von Todes wegen ist zulässig (§ 31 Abs. 3 Satz 1, § 14 Abs. 3 Satz 2 KostO a.F.; § 163 KostO n.F.). Das Landgericht hat dieses Rechtsmittel wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen.

In der Sache führt das Rechtsmittel zur Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidungen und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.

1. Das Landgericht hat ausgeführt, das fragliche Hausgrundstück sei "zum Zeitpunkt der Verkündung durch den Rechtspfleger" noch nicht in das Eigentum der Beteiligten übergegangen gewesen. Daher gehöre es zum bei der Bildung des Geschäftswerts maßgeblichen Nachlass.

2. Dieser Ausgangspunkt ist rechtlich nicht zu beanstanden (§ 14 Abs. 3 Satz 3 KostO a.F., § 546 ZPO).

Der Geschäftswert für eine Testamentseröffnung folgt dem reinen Nachlasswert nach Abzug der Verbindlichkeiten außer solchen aus Vermächtnissen, Pflichtteilsrechten oder Auflagen (§ 102, § 103 Abs. 1, § 46 Abs. 4 KostO). Zum Nachlass gehören alle Sachen, die im Eigentum des Erblassers standen. Ein Grundstück, dessen Auflassung vom Erblasser bereits erklärt war, dessen Eigentumsumschreibung im Grundbuch zur Zeit des Erbfalles jedoch noch nicht erfolgt war, steht zu diesem Zeitpunkt noch im Eigentum des Erblassers (§ 873 Abs. 1 BGB) und gehört damit zu dessen Nachlass.

Da die Eigentumsumschreibung auf die Beteiligte im Grundbuch, aus welchen Gründen auch immer, vor dem Tod der Erblasserin nicht erfolgt ist, gehörte das hier gegenständliche Grundstück zum Nachlass. Die von der Beteiligten zitierten und auch vom Landgericht wiedergegebene Aussage des Bundesgerichtshofs (BGHZ 59, 210/211), eine Schenkung sei nicht erst mit Eintragung des Eigentumsübergangs im Grundbuch, sondern bereits mit der Auflassung vollzogen, steht dieser Annahme nicht entgegen. In dem dort entschiedenen Fall ging es nicht um den Zeitpunkt des Eigentumserwerbs auf der rechtlichen Grundlage einer Schenkung, sondern um die Voraussetzungen des Pflichtteilsergänzungsanspruchs. Den Erwägungen des Landgerichts in Bezug auf die wirtschaftliche Zugehörigkeit des Grundstücks zum Nachlass kommt daher keine tragende Rolle zu. Die offenbar abweichende steuerrechtliche Beurteilung schließlich hat keinen Einfluss auf die hier maßgebliche zivilrechtliche Betrachtungsweise.

Die Bewertung des Grundstücks nach der vereinfachten Sachwertmethode (§ 19 Abs. 2 KostO; vgl. hierzu zuletzt Senatsbeschluss vom 28.7.2004 - 3Z BR 122/04), deren Ergebnis den Akten nur mittelbar, nämlich aus dem Erinnerungsschreiben des Ehemannes der Beteiligten vom 14.11.2002, entnommen werden kann, ist im Grundsatz ebenfalls nicht zu beanstanden und wird von der Beteiligten auch nicht angegriffen.

3. Das Landgericht hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem nach diesen Grundsätzen angenommen Aktivwert des Grundstücks eine gleich hohe Verbindlichkeit der Erblasserin gegenüberstand. Die Beteiligte hatte zunächst, legt man das vom Landgericht festgestellte formwirksame Schenkungsversprechen zu notarieller Urkunde vom 17.11.1998 (die nicht bei den Akten ist) zugrunde, einen von keiner Gegenleistung abhängigen Übereignungsanspruch auf das hier gegenständliche Grundstück (§ 516 Abs. 1, § 518 Abs. 1 Satz 1, § 313 a.F. BGB; vgl. Palandt/Weidenkaff BGB 63. Aufl. § 518 Rn. 3), dessen Wert im Zweifel mit dem Grundstückswert gleichzusetzen war.

a) Dass dieser Anspruch durch so genannte Konfusion erloschen ist, worauf die Bezirksrevisorin zu Recht hinweist, steht seiner Berücksichtigung bei der Ermittlung des hier maßgeblichen Nachlasswertes nicht entgegen. Grundsätzlich erlöschen Ansprüche mit Vereinigung der Gläubiger- und Schuldnerstellung in einer Person (so genannte Konfusion, vgl. Palandt/Heinrichs Überblick vor § 362 Rn. 4). Da die gesetzlich normierten erbrechtlichen Ausnahmen von diesem Grundsatz (vgl. Palandt/Edenhofer § 1922 Rn. 6) nicht vorliegen, kann vom Erlöschen des Anspruchs zu dem Zeitpunkt ausgegangen werden, in dem die Beteiligte als Gläubigerin des Anspruchs auch in die Schuldnerstellung geriet (§ 1967 BGB). Aus der Verweisung in § 103 Abs. 1 KostO auf § 46 Abs. 4 KostO ergibt sich jedoch, dass das Vermögen des Erblassers den maßgeblichen Wert bildet. Dies führt einerseits zur Differenzierung der Berücksichtigungsfähigkeit von Erblasser- und Erbfallschulden (vgl. Korintenberg/Lappe KostO 15. Aufl. § 103 Rn. 5; Rohs/Wedewer KostO § 46 Rn. 10 und 11). Andererseits kann sich die erst mit dem Erbfall eintretende Konfusion zu Lebzeiten des Erblassers und somit auf dessen Vermögen nicht auswirken.

b) Dem steht nicht entgegen, dass im Allgemeinen angenommen wird, der Zeitpunkt der Eröffnung der Verfügung von Todes wegen sei für die Bewertung maßgeblich (§ 18 Abs. 1, § 7 KostO; vgl. Korintenberg/Lappe § 103 Rn. 18; Rohs/Wedewer KostO § 103 Rn. 7). Ob demgegenüber nicht dem Rechtsgedanken des § 107 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz KostO auch hier der Vorzug zu geben ist, braucht an dieser Stelle nicht entschieden zu werden. Denn das Abstellen auf den Eröffnungszeitpunkt betrifft die Bewertung, nicht aber die Frage, welche Gegenstände dem Nachlass zugehören (vgl. für den Bewertungszeitpunkt nach § 107 Abs. 2 KostO Korintenberg/Lappe § 107 Rn. 36). Dem entspricht auch, die Nachlassgegenstände als Aktivposten zu berücksichtigen, obwohl sie zum Bewertungszeitpunkt längst im Eigentum des Erben stehen.

c) Dieses Ergebnis, das mit der von der Beteiligten dargelegten wirtschaftlichen Betrachtungsweise übereinstimmt, erscheint auch deshalb billig, weil der Erbe, der selbst beschenkt wurde, nicht schlechter gestellt wird als ein Erbe, der das Schenkungsversprechen an einen Dritten nach Eintritt des Erbfalls erfüllen muss. In letzterem Falle steht dem Aktivwert des verschenkten Nachlassgegenstandes die Nachlassverbindlichkeit gegenüber dem Beschenkten bis zur Erfüllung des Anspruchs gegenüber. Eine Konfusion kommt wegen der Personenverschiedenheit zwischen Erben und Beschenktem nicht in Betracht.

4. Der Senat teilt auch nicht die vom Landgericht bestätigte Auffassung der Staatskasse, es könne nicht angehen, dass die Beteiligte den Gebührenvorteil des § 60 Abs. 4 KostO ausnütze, andererseits das betreffende Grundstück nicht dem Nachlass zurechnen wolle. Wie dargestellt, gehört das Grundstück zum Nachlass. Das Eigentum daran ging mit dem Erbfall auf die Beteiligte über (§ 1922 Abs. 1 BGB). Die Erfüllung des Anspruchs auf Übereignung ist damit unmöglich geworden, weil der Eigentümer nicht Eigentum an einer ihm gehörenden Sache erwerben kann. Die Eigentumsumschreibung aufgrund Auflassung (§ 20 GBO) war ab diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich. Vielmehr war das unrichtig gewordene Grundbuch, wie geschehen, zu berichtigen (§ 22 Satz 1 GBO). An dieser Berichtigung besteht auch ein öffentliches Interesse, das Motiv für die Privilegierung des § 60 Abs. 4 KostO war, und das darauf gerichtet ist, eine rasche Berichtigung herbeizuführen (vgl. die Gesetzesmaterialien bei Rohs/Wedewer § 60 Rn. 1 und 1a). Es kann der Beteiligten nicht zum Vorwurf gemacht werden, den rechtlich gebotenen und vom Gesetzgeber gewünschten Weg beschritten zu haben.

5. Da die Vorinstanzen den Wert des betreffenden Grundstücks bei der Bildung des Geschäftswerts für die Eröffnung der Verfügungen von Todes wegen mit herangezogen haben, sind ihre Entscheidungen aufzuheben. Die Sache ist an das Amtsgericht zurückzuverweisen, das den Geschäftswert nach den dargelegten Grundsätzen festzusetzen hat. Der Senat ist dazu selbst nicht in der Lage, weil weder ein Nachlassverzeichnis noch die gerichtliche Bewertung des betreffenden Grundstücks bei den Akten ist. Abschließend sei darauf hingewiesen, dass der Geschäftswert im Tenor des amtsgerichtlichen Beschlusses vom 10.3.2003 offenbar mit DM-Bezeichnung versehen, in der Begründung und in der Kostenrechnung aber als gleich hoher Eurobetrag ausgewiesen ist.



Ende der Entscheidung

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