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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 18.09.2002
Aktenzeichen: 3Z BR 148/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 32
Die in einer nicht durch die Satzung zugelassenen Eventualeinberufung gefaßten Beschlüsse der Mitgliederversammlung sind grundsätzlich nichtig.

Derartige Beschlüsse darf das Registergericht nicht im Vereinsregister eintragen.


Gründe:

I.

Mit dem am 31.1.2002 beim Registergericht eingegangenen Schreiben legte der Notar die Anmeldung des Vereins vor, mit der dieser die Eintragung der in der 6. Mitgliederversammlung vom 20.11.2001, 18.45 Uhr, beschlossenen Änderung und vollständigen Neufassung der Satzung im Vereinsregister beantragte. Dieser Mitgliederversammlung war die 5. Mitgliederversammlung vom 20.11.2001, 18.30 Uhr, vorausgegangen, die aufgrund der geringen Teilnehmerzahl nicht beschlussfähig war. Zu beiden Mitgliederversammlungen waren die Vereinsmitglieder mit jeweils auf 20.12.2001 datierten Schreiben geladen worden. Die als "Eventualeinladung" bezeichnete Ladung zur Versammlung vom 20.11.2001, 18.45 Uhr, enthielt den Hinweis, dass "zu einer Abstimmung keine Zweidrittel-Mehrheit aller Mitglieder mehr notwendig ist".

Die Ladung zu Mitgliederversammlungen, in denen eine Satzungsänderung beschlossen werden soll, ist in § 7 Abs. 2 der Satzung geregelt. Die Bestimmung lautet auszugsweise:

Satzungsänderungen oder der Beschluss über die Auflösung des Vereins erfordern die Anwesenheit von mindestens zwei Dritteln der Mitglieder. Bei Beschlussunfähigkeit ist der Vorsitzende verpflichtet, binnen zwei Wochen eine zweite Versammlung mit derselben Tagesordnung einzuberufen. Diese Versammlung ist ohne Rücksicht auf die Zahl der anwesenden Mitglieder beschlussfähig.

Durch Zwischenverfügung vom 21.2.2002 wies das Amtsgericht u.a. darauf hin, dass der Beschluss über die Neufassung der Satzung mangels ordnungsgemäßer Einberufung der beschlussfassenden Mitgliederversammlung noch nicht wirksam geworden sei und setzte eine Frist von vier Monaten zur Beseitigung des Hindernisses. Die hiergegen vom Notar eingelegte Beschwerde hat das Landgericht am 3.5.2002 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die weitere Beschwerde des Notars.

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig. Der Notar ist gemäß § 29 Abs. 1 Satz 3 FGG postulationsfähig. Er hat vor dem Registergericht den Antrag gestellt, die Eintragung der angemeldeten Satzungsänderung vorzunehmen (vgl. BayObLGZ 1998, 29). Das Rechtsmittel ist aber nicht begründet.

1. Das Landgericht hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:

Die zulässige Beschwerde sei unbegründet, das Amtsgericht habe zu Recht die Eintragung der Satzungsänderung in das Vereinsregister nicht vorgenommen. Der Beschluss über die Satzungsänderung sei mangels ordnungsgemäß einberufener Mitgliederversammlung ungültig, was von Amts wegen zu berücksichtigen sei. Die Eventualeinberufung einer Wiederholungsversammlung mit geringeren Anforderungen an ihre Beschlussfähigkeit im Anschluss an eine beschlussunfähige Mitgliederversammlung sei zwar zulässig. Sie setze aber voraus, dass die Vereinssatzung dies ausdrücklich vorsehe. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ergebe die Auslegung der ursprünglichen Satzung nicht die Zulässigkeit der Eventualeinberufung. Die Eventualeinberufung zur zweiten Mitgliederversammlung sei daher ohne satzungsmäßige Grundlage erfolgt mit der Konsequenz, dass die dort gefassten Beschlüsse nichtig seien. Die Nichtigkeit des Versammlungsbeschlusses eines Vereins sei kraft Gesetzes gegeben und müsse nicht erst durch Anfechtung und Anfechtungsurteil geltend gemacht und festgestellt werden. Die ordnungsgemäße Einberufung der Mitgliederversammlung stehe nicht zur Disposition des einzelnen Vereinsmitgliedes. Die Vorschriften dienten dem Interesse an einer rechtmäßigen und ordnungsgemäßen Willensbildung, wobei auch zu berücksichtigen sei, dass eine Satzungsänderung Gegenstand der Beschlussfassung der nicht ordnungsgemäß einberufenen Mitgliederversammlung gewesen sei.

2. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) stand.

Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der in der Mitgliederversammlung vom 20.11.2001, 18.45 Uhr, gefasste Beschluss über die Satzungsänderung nichtig ist und diese daher nicht im Handelsregister eingetragen werden kann.

a) Die Ladung zu dieser Mitgliederversammlung ist nicht in der in der Satzung vorgeschriebenen Form (vgl. § 58 Nr. 4 BGB) erfolgt.

aa) Die Ladung zur zweiten Mitgliederversammlung mit derselben Tagesordnung unter erleichterten Voraussetzungen (sogenannte Eventualladung), wie sie der Verein hier praktiziert hat, begegnet zwar im Grundsatz keinen rechtlichen Bedenken (BGH NJW-RR 1989, 376). Sie bedarf aber einer ausdrücklichen satzungsmäßigen Grundlage, diese ist Voraussetzung für die Ordnungsmäßigkeit einer derartigen Ladung (vgl. Palandt/ Heinrichs BGB 61. Aufl. § 32 Rn. 6; Reichert Handbuch des Vereinsrechts 8. Aufl. Rn. 854; Stöber Handbuch zum Vereinsrecht 7. Aufl. Rn. 516). Die zweite Ladung ist geeignet, die Vereinsmitglieder nochmals ausdrücklich davor zu warnen, dass in der nunmehr anstehenden Versammlung die angekündigten satzungsändernden Beschlüsse durch eine relative Minderheit gefasst werden können, und ihnen die Möglichkeit zu geben, nach dem Scheitern der ersten Versammlung mit den anderen Mitgliedern zur Klärung der Standpunkte in Kontakt zu treten und durch ein Erscheinen in der zweiten Versammlung ihre eigenen, möglicherweise entgegenstehenden Vorstellungen zu den anstehenden Fragen zu vertreten (vgl. Reichert aaO; Stöber aaO;. vgl. auch BGH NJW 1998, 1317). Bei einer Eventualladung, d.h. der Ladung zur zweiten Versammlung zugleich mit der Ladung zur ersten Versammlung entfällt dieser Schutz. Eine solche Verschlechterung der Rechtsstellung der Mitglieder bedarf einer eindeutigen Grundlage in der Satzung. Dies entspricht im übrigen auch der Auffassung, die für vergleichbare Fallgestaltungen bei anderen Gemeinschaften für die Zulässigkeit einer Eventualladung vertreten wird (vgl. z.B. im Rahmen des § 25 Abs. 3 und 4 WEG für die Wohnungseigentümergemeinschaft OLG Köln MDR 1999, 799).

bb) Eine solche satzungsmäßige Grundlage für die Eventualladung fehlt hier. § 7 Abs. 2 Satz 2 der Satzung bestimmt, dass bei Beschlussunfähigkeit binnen zwei Wochen eine zweite Versammlung einzuberufen sei. Schon aus dem Wortlaut ergibt sich, dass die Beschlussunfähigkeit der ersten Versammlung Voraussetzung für die Einberufung der zweiten Versammlung mit geringeren Anforderungen an die Beschlussfähigkeit sein, die Einberufung der zweiten Versammlung also erst nach Feststellung der Beschlussunfähigkeit der ersten Versammlung zulässig sein soll (vgl. auch Reichert aaO; BGH NJW 1998, 1317 für GmbH). Dafür, dass in der Satzung über die Pflicht zur Einberufung der zweiten Versammlung und die erleichterte Beschlussfassung in dieser Versammlung hinaus, auch noch auf die mit der zweiten, zeitlich versetzten Ladung verbundenen Einwirkungsmöglichkeiten und Schutzwirkungen verzichtet werden sollte, findet sich kein Anhaltspunkt. Eine Auslegung der hier in Frage stehenden Satzungsbestimmung im Sinn der Zulässigkeit einer Eventualladung kommt daher nicht in Betracht.

b) Folge der nicht ordnungsgemäßen Ladung zur Mitgliederversammlung, in der die Satzungsänderung verabschiedet wurde, ist die Nichtigkeit des Beschlusses (vgl. BGHZ 59, 369/373; Soergel/Hadding BGB 13. Aufl. § 32 Rn. 14; Palandt/Heinrichs § 32 Rn. 9; Sauter/Schweyer/Waldner Der eingetragene Verein 17. Aufl. Rn. 204).

Die Bestimmung über die Ladung aller Vereinsmitglieder zu einer Mitgliederversammlung, in der eine Satzungsänderung beschlossen werden soll, besteht nicht nur im Interesse des einzelnen Mitglieds (vgl. Soergel/Hadding § 32 Rn. 15). Sie soll vielmehr im Interesse des Vereins die ordnungsgemäße Willensbildung seines satzungsgebenden Organs, der Mitgliederversammlung, gewährleisten (BGHZ aaO). Werden nicht alle stimmberechtigten Mitglieder zu der Versammlung geladen, so führt dies in der Regel zur Nichtigkeit eines gleichwohl gefassten Beschlusses. Die Missachtung der satzungsmäßig vorgeschriebenen gesonderten Ladung zur zweiten Versammlung steht dem in den Auswirkungen im wesentlichen gleich. Auf die Frage, ob bei leichteren Verstößen ausnahmsweise eine Geltendmachung des Verstoßes durch ein Mitglied binnen angemessener Zeit gefordert werden muss (vgl. Soergel/Hadding § 32 Rn. 18; Reichert Rn. 1138, 1155 ff.), kommt es angesichts der Art des Verstoßes nicht an. Auch die Kausalität des Verstoßes für das Beschlussergebnis (vgl. dazu BGH aaO) kann, schon angesichts der geringen Zahl der erschienenen Mitglieder, nicht ausgeschlossen werden.

Die Nichtigkeit des Beschlusses ist von Amts wegen zu beachten, das Registergericht darf einen solchen Beschluss nicht im Vereinsregister eintragen (vgl. Sauter/Schweyer/Waldner Rn. 424; Stöber Rn. 1037; Reichert Rn. 450).

Ende der Entscheidung

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