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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 30.07.2003
Aktenzeichen: 3Z BR 148/03
Rechtsgebiete: FGG, BGB


Vorschriften:

FGG § 69g Abs. 4
BGB § 1897 Abs. 1
1. Gegen eine Entscheidung, durch die ein Betreuer aus einem von mehreren Aufgabenkreisen entlassen wird, ist die sofortige Beschwerde statthaft.

2. Zur Frage der Eignung des Sohnes als Betreuer, wenn er Geldgeschenke an sich selbst und andere Verwandte in Höhe von 80.000 DM getätigt hat, und die konkrete Möglichkeit besteht, dass es zu weiteren Schenkungen in diesem Umfang kommen wird.


Gründe:

I.

Für die Betroffene besteht seit 1999 eine Betreuung mit den Aufgabenkreisen Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung einschließlich der Entscheidung über eine Unterbringung, Vermögenssorge, Entgegennahme und Öffnen der Post, Vertretung bei Ämtern und Behörden, gegenüber Heimen sowie Einrichtungen für betreutes Wohnen. Als Betreuer war zunächst der Beschwerdeführer, ein Sohn der Betroffenen, eingesetzt. Mit Beschluss vom 18.12.2002 entließ das Amtsgericht den Beschwerdeführer als Betreuer im Aufgabenkreis der Vermögenssorge und bestellte stattdessen einen Rechtsanwalt für diesen Aufgabenkreis als Berufsbetreuer. Vorangegangen waren Auseinandersetzungen mit dem Beschwerdeführer wegen von ihm für die Betroffene getätigter Schenkungen im Gesamtwert von 80.000 DM. Der Beschwerdeführer legte gegen die Entscheidung des Amtsgerichts namens der Betroffenen mit Schreiben vom 22.12.2002 Rechtsmittel ein, das maßgeblich damit begründet wurde, die Betroffene wünsche nicht, dass ein ihr unbekannter Berufsbetreuer die Vermögenssorge übernehme. Mit Schreiben vom 14.3.2003 ergänzte der nunmehrige Verfahrensbevollmächtigte des Beschwerdeführers die Beschwerdebegründung. Das Landgericht hat das Rechtsmittel als sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers persönlich behandelt und mit Beschluss vom 24.04.2003 zurückgewiesen. Hiergegen richten sich weitere, als Beschwerde bezeichnete Rechtsmittel, nunmehr ausdrücklich eingelegt für den Beschwerdeführer persönlich.

II.

1. Das eingelegte Rechtsmittel ist als sofortige weitere Beschwerde zu behandeln, soweit sich der Beschwerdeführer gegen seine Entlassung als Betreuer aus dem Aufgabenkreis der Vermögenssorge wendet. Als solches ist das Rechtsmittel aber mangels eines Beschwerderechts des Beschwerdeführers als unzulässig zu verwerfen.

a) Gegen eine Entscheidung, durch die ein Betreuer gegen seinen Willen entlassen wird, ist die sofortige Beschwerde statthaft (§ 69g Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FGG). Dies gilt auch dann, wenn der Betreuer nicht insgesamt entlassen wird, sondern eine Teilentlassung aus einem oder mehreren der Aufgabenkreise erfolgt, für die der Betreuer bestellt ist (vgl. Senatsbeschluss vom 17.7.2002 - 3Z BR 135/02; BayObLG FamRZ 1997, 1358; 1995, 1232; a.A. offensichtlich Bassenge/Herbst/Roth FGG/RPflG 9. Aufl. § 69i FGG Rn. 33 unter Hinweis auf KG OLGZ 1965, 237 zu § 60 Satz 1 Nr. 3 FGG a.F.).

b) Das Landgericht hat dies erkannt, hat allerdings die in erster Instanz fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde als solche des nunmehrigen Beschwerdeführers gewertet. Dem kann der Senat nicht folgen.

Die Beschwerde ist ausdrücklich und eindeutig ausschließlich namens der Betroffenen eingelegt worden. Der für die Betroffene handelnde nunmehrige Beschwerdeführer hat dies dadurch noch bekräftigt, dass er zur Begründung des Rechtsmittels hervorhob, die Betroffene wünsche nicht, dass ein ihr unbekannter Berufsbetreuer die Vermögenssorge übernehme. Im Übrigen ergibt sich aus den Akten, dass der Beschwerdeführer sehr wohl zwischen eigenen Rechtsmitteln und solchen, die er namens der Betroffenen einlegt, zu unterscheiden weiß (vgl. insoweit z.B. die Beschwerde vom 19.11.2002, die vom Beschwerdeführer "als Sohn und Betreuer der Betreuten" eingelegt wurde). Aus der der Beschwerde nachfolgenden Beschwerdebegründung folgt nichts anderes. Der Hinweis des Landgerichts, die Beschwerde vom 22.12.2002 sei nur vom nunmehrigen Beschwerdeführer unterzeichnet, weder aus ihr noch aus sonstigen Schreiben ergebe sich, dass die Betroffene ihren Sohn mit der Einlegung des Rechtsmittels beauftragt habe, vermag demgegenüber nicht zu überzeugen: Als Betreuer kann der Beschwerdeführer das Beschwerderecht der Betroffenen in gesetzlicher Vertretungsmacht ausüben (§ 1902 BGB; vgl. Bassenge § 69g FGG Rn. 9); eines gesonderten Auftrages der Betroffenen bedarf es hierzu nicht. Dem Landgericht ist zwar zuzugeben, dass die Vertretungsmacht des Betreuers mit Wirksamwerden seiner Entlassung endet; der Betreuer ist ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zu Beschwerden namens der Betroffenen beispielsweise gegen seine Entlassung berechtigt (Bassenge aaO). Im vorliegenden Falle war der Beschwerdeführer allerdings auch nach Wirksamwerden der angefochtenen Entscheidung des Amtsgerichts als Betreuer der Betroffenen u.a. im Geschäftsbereich Vertretung bei Ämtern und Behörden im Amt verblieben und befugt, insoweit weiterhin für die Betroffene zu handeln. Im Übrigen blieb es dem Beschwerdeführer unabhängig vom Bestehen einer Vertretungsmacht unbenommen, namens der Betroffenen weiterhin Erklärungen abzugeben. Über deren Wirksamkeit war gegebenenfalls von Amts wegen zu entscheiden.

c) Hiernach ist davon auszugehen, dass der nunmehrige Beschwerdeführer persönlich innerhalb der gesetzlichen Frist kein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Amtsgerichts eingelegt hat, obwohl auch für ihn das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben gewesen wäre (s.o.). Damit fehlt ihm die Berechtigung zur weiteren Beschwerde im eigenen Namen (vgl. dazu Bassenge § 27 FGG Rn. 8 unter Hinweis auf BGH NJW 1980, 1960/1961), soweit er wie hier eine sachliche Nachprüfung der Erstentscheidung erstrebt. Beschwerdeberechtigt war insoweit allenfalls noch die Betroffene, die ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Landgerichts nicht eingelegt hat.

2. Das Rechtsmittel des Beschwerdeführers ist schließlich als (einfache) weitere Beschwerde zu behandeln, soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Bestellung eines neuen Betreuers im Aufgabenkreis Vermögenssorge wendet (vgl. Bassenge § 69i FGG Rn. 38). Das Rechtsmittel ist insoweit zulässig, aber unbegründet.

a) Der Zulässigkeit des Rechtsmittels steht hier nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer im eigenen Namen gegen die Entscheidung des Amtsgerichts ein Rechtsmittel nicht eingelegt hat. Der Rechtsmittelführer ist in Fällen der einfachen weiteren Beschwerde vielmehr schon dann beschwerdeberechtigt, wenn für ihn die Erstbeschwerde zulässig war (vgl. Bassenge § 27 FGG Rn. 8). Im vorliegenden Fall folgt die Beschwerdeberechtigung für die Erstbeschwerde gegen die Bestellung eines Betreuers von Amts wegen bereits aus § 69i Abs. 8 i.V.m. § 69g Abs. 1 Satz 1 FGG.

b) Das Landgericht hat die Bestellung des neuen Betreuers unter Hinweis auf § 1908c BGB begründet. Zuvor hat das Landgericht die Entscheidung gerechtfertigt, den Beschwerdeführer als Betreuer der Betroffenen im Aufgabenkreis Vermögenssorge zu entlassen. In diesem Zusammenhang hat sich das Landgericht maßgeblich darauf gestützt, dass sich der Beschwerdeführer durch sein Verhalten als ungeeignet erwiesen habe, die Angelegenheiten der Betroffenen zu besorgen. Er habe anlässlich eines Geburtstages der Betroffenen aus ihrem Vermögen Geldgeschenke in Höhe von insgesamt 80.000 DM je zur Hälfte an sich selbst sowie vier Enkel der Betroffenen veranlasst. Die Kammer könne nicht feststellen, dass diese Schenkungen - auch in der jeweiligen Höhe - dem Wunsch der Betroffenen entsprochen hätten. Im Übrigen belege nicht zuletzt das Schreiben des Beschwerdeführers vom 22.12.2002, in dem er um "unmittelbare Freigabe projektierter Weihnachtsgeschenke" u.a. an sich selbst und seine Frau bitte, dass er auch in Zukunft nicht gewillt sei, die Interessen der Betroffenen in vermögensrechtlichen Belangen zu wahren. Verfahrensfehler des Amtsgerichts hat das Landgericht verneint.

c) Die Entscheidung des Landgerichts ist im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).

aa) Nach § 1908c BGB ist im Falle der Entlassung eines Betreuers ein neuer Betreuer zu bestellen. Für die Auswahl des Betreuers gilt § 1897 BGB (Palandt/Diederichsen BGB 62. Aufl. § 1908c Rn. 1). Vorschlägen der Betroffenen ist zu entsprechen, wenn es dem Wohl der Betroffenen nicht zuwiderläuft (§ 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB). Ein weiterer Betreuer ist dabei grundsätzlich nur dann zu bestellen, wenn die Angelegenheiten des Betreuten durch mehrere Betreuer besser besorgt werden können (§ 1899 Abs. 1 BGB) oder wenn der andere Betreuer aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen verhindert ist (§ 1899 Abs. 4 BGB). Angelegenheiten des Betreuten können von einem weiteren Betreuer u.a. dann besser geregelt werden, wenn der andere Betreuer sich bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben in einem Interessenkonflikt befindet.

bb) Nachdem im vorliegenden Fall von einer rechtswirksamen Abberufung des Beschwerdeführers als Betreuer im Aufgabenkreis Vermögenssorge auszugehen ist (s.o.), war für diesen Aufgabenkreis ein neuer Betreuer zu bestellen. Soweit das Landgericht dabei den Wunsch der Betroffenen, der Beschwerdeführer solle als Betreuer für die Vermögenssorge (weiter) zuständig sein, nicht berücksichtigt hat, vermag der Senat dies rechtlich nicht zu beanstanden.

(1) Bereits bei Abklärung der Eignung einer Person zum Betreuer ist auf die Gefahr von Interessenkonflikten zu achten, wobei eine umfassende Abwägung aller Umstände vorzunehmen ist (BayObLG FamRZ 1999, 49; Palandt/Diederichsen § 1897 Rn. 7). Um dem im Betreuungsrecht im Vordergrund stehenden Willen des Betroffenen ausreichend Geltung zu verschaffen, setzt die Nichtberücksichtigung seines Vorschlages allerdings voraus, dass das Ergebnis der Abwägung deutlich gegen die Bestellung der vorgeschlagenen Person spricht. Es muss die konkrete Gefahr bestehen, dass der Vorgeschlagene die Betreuung des Betroffenen nicht zu dessen Wohl führen kann oder will. Interessenkonflikte von geringerem Gewicht genügen hierzu nicht (BayObLG aaO). Die Beurteilung des Tatrichters, ob die Bestellung des Vorgeschlagenen dem Wohl des Betroffenen zuwiderläuft oder ein Interessenkonflikt besteht, kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur auf Rechtsfehler überprüft werden, d.h. ob der Tatrichter diese unbestimmten Rechtsbegriffe verkannt hat, von ungenügenden oder verfahrenswidrig zustande gekommenen Feststellungen ausgegangen ist, wesentliche Umstände außer Betracht gelassen, der Bewertung maßgeblicher Umstände unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt, gegen die Denkgesetze verstoßen oder Verfahrensgrundsätze nicht beachtet hat. Dagegen ist eine vom Tatrichter gezogene Schlussfolgerung nicht etwa rechtfehlerhaft, weil sie nicht die einzig mögliche ist oder weil eine andere Schlussfolgerung ebenso nahe oder noch näher gelegen hätte (vgl. BayObLG aaO m.w.N.).

(2) Im vorliegenden Fall hat das Landgericht beachtet, dass die Betroffene den Beschwerdeführer als Betreuer auch für die Vermögenssorge vorgeschlagen hat. Es hat jedoch festgestellt, dass der Beschwerdeführer in Bezug auf die Verwaltung des Vermögens der Betroffenen einem erheblichen Interessenkonflikt ausgesetzt war und ist, der darin besteht, dass sich der Beschwerdeführer veranlasst fühlte und auch weiterhin fühlt, namens der Betroffenen aus deren Vermögen an sich selbst und andere größere Geldbeträge im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zu verschenken. Die insoweit getroffenen Feststellungen des Landgerichts werden nochmals bestätigt durch den Vortrag des Beschwerdeführers in der Begründung seiner weiteren Beschwerde, wonach es sich bei diesen Schenkungen um Anstands- bzw. Gelegenheitsgeschenke durchaus üblichen Ausmaßes gehandelt habe, weshalb auch davon ausgegangen werden muss, dass - nicht nur zur Weihnachtszeit - nach seiner Auffassung weitere Schenkungen dieser Art anstehen werden. Ob Schenkungen in dem beschriebenen Umfang angesichts der Regelungen in §§ 1908i Abs. 2, 1804 BGB überhaupt Bestand haben können, erscheint dem Senat sehr zweifelhaft. Unabhängig davon begründet allein schon die vom Landgericht rechtsfehlerfrei bejahte konkrete Gefahr, dass es zu weiteren unentgeltlichen Vermögensverfügungen erheblichen Umfangs zu Lasten der Betroffenen kommen wird, die Annahme, dass hierbei neuerlich Interessenkonflikte auftreten werden, die es im wohl verstandenen Interesse der Betroffenen erforderlich machen, die in diesem Zusammenhang gebotenen Abwägungen von einem unbeteiligten Dritten vornehmen zu lassen. Auf weiteres kommt es hier nicht mehr an; insbesondere kann dahinstehen, ob die verfahrensgegenständlichen Geldgeschenke dem Wunsch der laut Gutachten geschäftsunfähigen Betroffenen entsprochen haben.

(3) Zugleich ist durch die Feststellungen des Landgerichts hinreichend untermauert, dass im vorliegenden Fall die Berufung eines weiteren Betreuers erforderlich war. Die Notwendigkeit hierfür ergibt sich schon daraus, dass bereits das Amtsgericht keine Veranlassung gesehen hat, dem Beschwerdeführer über den Bereich der Vermögenssorge hinaus weitere Aufgabenkreise als Betreuer zu entziehen.

(4) Letztlich sind dem Landgericht Verfahrensfehler nicht zur Last zu legen:

Von einer erneuten Anhörung der Betroffenen im Beschwerdeverfahren konnte das Landgericht nach § 69g Abs. 5 Satz 3 FGG absehen. Die Betroffene ist vom Amtsgericht persönlich angehört worden; neue Erkenntnisse zum verfahrensrelevanten Interessenkonflikt waren nicht zu erwarten.

Die Bestellung der Verfahrenspflegerin durch das Landgericht war nach § 67 Abs. 1 und 2 FGG gerechtfertigt. Die Auswahl des Verfahrenspflegers durch das Gericht erfolgt nach pflichtgemäßem Ermessen; der Pfleger muss für seine Aufgabe geeignet sein (Bassenge § 67 FGG Rn. 10). Rechtsfehler des Landgerichts sind insoweit nicht ersichtlich. Im Übrigen ist auch weder vorgetragen noch ersichtlich, inwieweit sich die Bestellung der Verfahrenspflegerin vorliegend auf das Ergebnis des Beschwerdeverfahrens ausgewirkt haben soll.

Ende der Entscheidung

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