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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 05.02.2002
Aktenzeichen: 3Z BR 15/02
Rechtsgebiete: UnterbrG, FGG, GG


Vorschriften:

UnterbrG Art. 1
FGG § 70h
FGG § 70m
GG Art. 103 Abs. 1
Das Beschwerdegericht muß demjenigen, der während des Beschwerdeverfahrens aus der vorläufigen Unterbringung entlassen wurde, ausreichend Gelegenheit geben, zu der veränderten Verfahrenslage Stellung zu nehmen.
Der 3.Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Dr. Plößl und Dr. Denk

am 5. Februar 2002

in der Unterbringungssache

auf die sofortige weitere Beschwerde der Betroffenen

beschlossen:

Tenor:

I. Der Beschluss des Landgerichts Memmingen vom 19. Dezember 2001 wird aufgehoben.

II. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht Memmingen zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Am 24.11.2001 ordnete das Amtsgericht mit sofortiger Wirksamkeit die vorläufige Unterbringung der Betroffenen in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses bis längstens 3.1.2002 an.

Hiergegen legte die Betroffene am 5.12.2001 sofortige Beschwerde ein.

Am 12.12.2001 wurde die Betroffene aus der Unterbringung entlassen.

Nachdem die entsprechende Mitteilung des Bezirkskrankenhauses am 18.12.2001 beim Landgericht eingegangen war, hat dieses das Rechtsmittel der Betroffenen mit Beschluss vom 19.12.2001 als unzulässig verworfen. Infolge der Erledigung der Hauptsache sei für eine Sachentscheidung mit dem Ziel der Aufhebung des angefochtenen Beschlusses kein Raum mehr; die Betroffene habe keine Erklärung abgegeben, ob sie nun die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Unterbringungsbeschlusses begehre oder die sofortige Beschwerde auf die Kosten beschränke.

Gegen die Entscheidung des Landgerichts wendet sich die Betroffene mit der sofortigen weiteren Beschwerde. Sie macht geltend, dass ihr zu der veränderten Sachlage rechtliches Gehör hätte gewährt werden müssen, und beantragt festzustellen, dass die mit dem amtsgerichtlichen Beschluss vom.24.11.2001 angeordnete vorläufige Unterbringung rechtswidrig gewesen sei.

II.

1. Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig. Hierauf hat die während des Beschwerdeverfahrens eingetretene Erledigung der Hauptsache keinen Einfluss (vgl. BayObLGZ 1993, 82/83). Die erforderliche Beschwer ergibt sich schon daraus, dass das Landgericht die Erstbeschwerde der Betroffenen als unzulässig verworfen hat (vgl. BayObLGZ 1993, 253/255).

2. Die sofortige weitere Beschwerde führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

a) Zwar hat das Landgericht die durch die Entlassung der Betroffenen eingetretene Veränderung der Verfahrenslage zutreffend beurteilt.

Infolge der Entlassung war der die vorläufige Unterbringung der Betroffenen anordnende amtsgerichtliche Beschluss gegenstandslos geworden. Die zulässig eingelegte Erstbeschwerde konnte nicht mehr mit dem Ziel der Beendigung der Unterbringung weiterverfolgt werden (vgl. BayObLG FamRZ 1999, 1594).

Die Betroffene konnte die Erstbeschwerde jedoch mit dem Ziel aufrecht erhalten, die Rechtswidrigkeit des Beschlusses vom 24.11.2001 festzustellen. Das Interesse des Betroffenen an Feststellung der Rechtswidrigkeit einer inzwischen gegenstandslos gewordenen Unterbringungsmaßnahme ist schutzwürdig, wenn die Unterbringungsdauer - wie hier lediglich bis zu sechs Wochen bemessen war, da dem Betroffenen andernfalls der durch Art. 19 Abs. 4 GG garantierte effektive Rechtsschutz versagt würde (vgl. BVerfG NJWE-FER 1998, 163; NJW 1998, 2432; BayObLGZ 1999, 24; 2000, 220/221; BayObLG FamRZ 2001, 657/ 658; OLG Hamm BtPrax 2001, 212; OLG Karlsruhe FGPrax 2000, 165/166; OLG Zweibrücken FamRZ 2000, 303).

Die Betroffene konnte andererseits die Erstbeschwerde aber auch darauf beschränken, nicht mit Kosten belastet zu werden (vgl. BayObLG FamRZ 1999, 1594; OLG Hamm FGPrax 1997, 237; OLG Karlsruhe BtPrax 1998, 34).

b) Das Landgericht hat jedoch den Anspruch der Betroffenen auf rechtliches Gehör verletzt (Art.103 Abs. 1 GG). Dieser Anspruch ist auch in Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit zu beachten (vgl. BVerfG NJW 1994, 1053) und verpflichtet das Gericht unter anderem, einem Beteiligten die Ausübung seiner Verfahrensrechte zu ermöglichen (vgl. BayObLG FamRZ 2000, 248; Keidel/Kayser FGG 14.Aufl. § 12 Rn. 122). Dem entgegen hat das Landgericht die sofortige Beschwerde der Betroffenen verworfen, ohne dieser ausreichend Gelegenheit zu geben, zu der veränderten Verfahrenslage Stellung zu nehmen und eine aus ihrer Sicht veranlasste Erklärung abzugeben, hier den Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Unterbringungsmaßnahme zu stellen. Die Kammer hatte keine Anhaltspunkte dafür, dass die Verfahrensbevollmächtigten der Betroffenen von deren Entlassung bereits Kenntnis erlangt hatten. Ferner kam in Betracht, dass die Verfahrensbevollmächtigten wegen der Bedeutung der Angelegenheit auf die Veränderung der Verfahrenslage erst nach einer eingehenderen persönlichen Besprechung mit der Betroffenen reagieren würden. Unter diesen Umständen war ein Zuwarten von lediglich sieben Tagen zu kurz, zumal die Sache infolge der Entlassung der Betroffenen nicht eilbedürftig war.

c) Ist die Erstbeschwerde zu Unrecht als unzulässig verworfen worden, ist die Sache in der Regel an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (vgl. Keidel/Kahl § 27 Rn. 66), wes halb der Senat nicht geprüft hat, ob es zur Verbescheidung des Feststellungsantrags der Betroffenen noch weiterer Ermittlungen bedarf (vgl. hierzu SchlHOLG FamRZ 2001, 938).



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