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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 10.03.2004
Aktenzeichen: 3Z BR 15/04
Rechtsgebiete: BGB, BVormVG


Vorschriften:

BGB § 1836a
BVormVG § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2
Werden Kenntnisse der Psychologie und Pädagogik in einem abgeschlossenen Studium an einer ausländischen Hochschule erworben, können sie als für Betreuungen nutzbare besondere Kenntnisse vergütungserhöhend wirken, wenn der Studiengang einer inländischen Ausbildung vergleichbar ist. Bei Fehlen einer förmlichen Anerkennung des Studienabschlusses kann dies auch dann zu bejahen sein, wenn die zuständige Kultusverwaltung die Vergleichbarkeit auf andere Weise zum Ausdruck gebracht hat, z.B. durch Bescheinigung einer Lehrbefähigung oder den Einsatz als Prüfer.
Gründe:

I.

Mit vormundschaftsgerichtlichem Beschluss vom 1.2.2002 wurde die bisherige Betreuerin der Betroffenen entlassen und eine neue Betreuerin für die inzwischen verstorbene vermögenslose Betroffene bestellt. In der Entscheidung wird festgestellt, dass die Betreuung berufsmäßig geführt werde.

Mit Schreiben vom 1.3.2003 beantragte die Betreuerin für den Zeitraum vom 4.2.2002 bis 16.1.2003 u.a. die Festsetzung einer Vergütung für einen im Einzelnen dargelegten Zeitaufwand von 93 Stunden und 12 Minuten zum Stundensatz 31 EUR, mithin einen Betrag von 2889,20 EUR, zuzüglich der geltend gemachten MwSt. also 3351,47 EUR.

Das Vormundschaftsgericht kürzte im Beschluss vom 11.4.2003 den Zeitaufwand um 356 Minuten und bewilligte auf der Grundlage des von der Betreuerin beanspruchten Stundensatzes eine Vergütung von 2700,10 EUR, zuzüglich MwSt. 3132,12 EUR.

Hiergegen legte der weitere Beteiligte sofortige Beschwerde ein mit dem Ziel, die Vergütung auf der Grundlage eines Stundensatzes von 18 EUR festzusetzen.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 4.12.2003 das Rechtsmittel zurückgewiesen und die sofortige weitere Beschwerde zugelassen.

Mit seinem Rechtsmittel wendet sich der weitere Beteiligte nach wie vor gegen die Höhe des von den Vorinstanzen zugrunde gelegten Stundensatzes.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und vom Beschwerdegericht zugelassen.

Es ist aber nicht begründet.

1. Das Landgericht hat in seiner Entscheidung ausgeführt:

Die Betreuerin habe ein am 3.8.1973 an der "Pädagogischen Hochschule für Fremdsprachen" in Alma-Ata erworbenes Diplom über die Qualifikation als Lehrerin für die deutsche Sprache und Literatur an Realschulen vorgelegt, welches sie nach einem 1968 begonnenen Fernstudium erworben habe. Gegenstand der Staatsprüfung seien unter anderem die Fächer "Psychologie", "Pädagogik" und "Geschichte der Pädagogik" gewesen. Der Betreuerin sei mit Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 10.2.1986 u.a. bescheinigt worden, dass sie in ihrem Studien- und Prüfungsfach Deutsch jedenfalls nebenberuflich unterrichten könne; für eine hauptberufliche Lehrtätigkeit bedürfe es noch des Bestehens eines Kolloquiums. Demzufolge sei nach Aussage des Ministeriums die von der Betreuerin gewünschte Anerkennung ihrer in der UdSSR erworbenen Lehrbefähigung nicht erforderlich; im Übrigen könne eine Anerkennung deshalb nicht ausgesprochen werden, weil Grund- und Hauptschule keinen Fachlehrer ausschließlich für Deutsch als Fremdsprache kennten.

Bereits mit Schreiben des Kultusministeriums vom 28.11.1979 sei die Betreuerin im Rahmen einer Fremdsprachensonderregelung für eine Staatliche Fachoberschule - mit einem offenbar zeitweise hohen Anteil von Schülern osteuropäischer Herkunft - als Prüferin im Fach Russisch bestellt worden.

Die Betreuerin habe damit für Betreuungen nutzbare Kenntnisse durch eine Hochschulausbildung i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr.2 des Berufsvormündervergütungsgesetzes (BVormVG) erworben. Es sei anerkannt, dass ein Studium für das Lehramt an einer Hochschule in Deutschland diese Qualifikation vermittle. Für ein nach Dauer und Inhalt vergleichbares Studium im Ausland könne aber nichts anderes gelten, wenn es einen formalen und staatlich anerkannten Abschluss aufweise bzw. durch eine Staatsprüfung abgeschlossen werde. Jedenfalls lasse sich dem Gesetzeswortlaut nicht entnehmen, dass nur ein in Deutschland absolviertes Studium zu einer Erhöhung der Vergütung führen könne, wenn die in der Hochschulausbildung erworbenen Kenntnisse - anders als länderspezifisches Wissen z.B. auf Grund einer juristischen Ausbildung - universell verwertbar und damit auch für in Deutschland geführte Betreuungen nutzbar seien. Es komme, wie bei inländischen Ausbildungen, jeweils auf eine eingehende Bewertung des konkreten Hochschulstudienganges an.

Diese ergebe hier, dass die Betreuerin die für ihre Amtsführung relevanten Fächer Pädagogik und Psychologie in einer Hochschulausbildung studiert habe, welche sowohl vom zeitlichen Umfang her als auch inhaltlich einem vergleichbaren Studium in Deutschland entspreche. Die Ausbildung sei auch formal durch eine Prüfung abgeschlossen worden, welcher durch das zitierte Schreiben des Kultusministeriums eine gewisse innerstaatliche Anerkennung zukomme. Jedenfalls lasse sich der Stellungnahme des Ministeriums entnehmen, dass der von der Betreuerin nachgewiesene Abschluss grundsätzlich als Hochschulabschluss akzeptiert werde.

Deshalb stehe der Betreuerin nach der genannten Vorschrift ein Stundensatz in Höhe von 31 EUR für von ihr erbrachte und aus der Staatskasse zu vergütende Leistungen zu.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) stand.

a) Die nach § 1836a BGB aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung beträgt für jede Stunde der für die Führung der Betreuung aufgewandten und erforderlichen Zeit 18 EUR. Verfügt der Betreuer über besondere Kenntnisse, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind, so erhöht sich diese Vergütung auf 31 EUR, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder durch eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind (§ 1 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr.2 BVormVG, § 1908i Abs. 1 Satz 1 BGB). "Besondere Kenntnisse" i.S. von § 1 Abs. 1 Satz 2 BVormVG sind Kenntnisse, die - bezogen auf ein bestimmtes Sachgebiet - über ein Grundwissen deutlich hinausgehen (BayObLGZ 1999,339 ff. = FamRZ 2000,844). Für die Führung einer Betreuung nutzbar sind Fachkenntnisse, die ihrer Art nach betreuungsrelevant sind und den Betreuer befähigen, seine Aufgaben zum Wohl des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen und somit eine höhere Leistung zu erbringen (BayObLG aaO). Das Gesetz begnügt sich hierbei mit der potenziellen Nützlichkeit dieser Fachkenntnisse; eine konkrete Nutzung des vom Betreuer vorgehaltenen Wissens wird nicht verlangt (BGH FamRZ 2003, 1653).

b) Es entspricht ganz überwiegender Auffassung, dass fundierte psychologische und pädagogische Kenntnisse für die Führung von Betreuungen allgemein nutzbar sind, und zwar auch dann, wenn sie mit dem beruflichen Ziel der Erziehung von Kindern und Jugendlichen erworben wurden (BayObLGZ 2000, 291/294 m.w.N.; vgl. auch OLG Dresden FamRZ 2000, 847; OLG Zweibrücken BtPrax 2001, 43; OLG Jena NJ 2002, 375 [Ls]; OLG Hamm BtPrax 2002, 43). Werden derartige Kenntnisse im Rahmen eines Hochschulstudiums z.B. für das Lehramt erworben - und gegebenenfalls durch ein Referendariat vertieft -, können sie den Anspruch des Betreuers auf eine Erhöhung der Vergütung nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr.2 BVormVG begründen (BayObLG aaO; OLG Dresden aaO, OLG Zweibrücken aaO; OLG Hamm aaO).

c) Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn diese Kenntnisse der Psychologie und Pädagogik durch einen abgeschlossenen Studiengang an einer ausländischen Hochschule erworben wurden, sofern der Studienabschluss einer inländischen Hochschul- bzw. Staatsprüfung als im Grundsatz gleichwertig zu erachten ist.

aa) Der Senat hatte bisher offen gelassen, ob auch ein im Ausland abgeschlossenes Studium die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr.2 BVormVG erfüllen kann (BayObLG BtPrax 2001, 205). In dem seinerzeit entschiedenen Fall konnte das dahinstehen, weil das ausländische Studium (der Rechtswissenschaft) bereits keine für Betreuungen in Deutschland nutzbaren Fachkenntnisse vermittelt hatte.

bb) Die in der vorliegenden Rechtssache gebotene Prüfung führt zu dem Ergebnis, dass weder der Wortlaut noch der Sinn und Zweck oder die Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Regelung insoweit zu einer einschränkenden Auslegung zwingen. Die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr.2 BVormVG spricht lediglich von "Hochschule", ohne den Anwendungsbereich ausdrücklich auf inländische Hochschuleinrichtungen zu begrenzen. Auch den Gesetzesmaterialien (vgl. BT-Drucks. 13/7158 S.27) ist kein Hinweis auf eine entsprechend restriktive gesetzgeberische Absicht zu entnehmen. Soweit nutzbare Kenntnisse universell anwendbar und nicht - wie etwa juristisches Wissen - an ein bestimmtes Land gebunden sind, ist kein Grund ersichtlich, ihre Betreuungsrelevanz und damit vergütungserhöhende Wirkung allein deshalb zu verneinen, weil sie im Studium an einer ausländischen Hochschule erworben wurden (vgl. auch Knittel BtG § 1 BVormVG Rn.3 a).

Allerdings bedarf es im Interesse der Gleichbehandlung mit im Inland ausgebildeten Betreuern einer gerichtlichen Feststellung darüber, dass das im Ausland absolvierte Studium grundsätzlich mit einer deutschen Hochschulausbildung vergleichbar ist. Für diese Beurteilung ist auf Äußerungen der zuständigen Kultusverwaltung zurückzugreifen. Häufig wird die Vergleichbarkeit auf eine förmliche Entscheidung der zuständigen Kultusverwaltung über die Anerkennung des ausländischen Studienabschlusses gestützt werden können. Fehlt es hieran - z.B. wegen eines formalen Hindernisses -, kann dennoch die Vergleichbarkeit zu bejahen sein, wenn sie die Kultusbehörde auf andere Weise zum Ausdruck gebracht hat, etwa durch Bescheinigung einer Lehrbefähigung oder Bestellung zum Prüfer.

d) Die an diesen Grundsätzen orientierte Entscheidung des Landgerichts lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Die Kammer hat mit eingehender Begründung und unter Vergleich mit den Anforderungen eines Studiums für das Lehramt in Deutschland bejaht, dass die Betreuerin für ihre Amtsführung allgemein nutzbare Kenntnisse der Psychologie und Pädagogik in einem Hochschulstudium erworben habe. Sie hat die Vergleichbarkeit des erworbenen ausländischen Studienabschlusses mit einem deutschen Universitäts- bzw. Fachhochschulexamen unbeschadet einer fehlenden förmlichen Anerkennung zurecht deshalb angenommen, weil das zuständige Kultusministerium sich zu einer solchen Entscheidung aus einem bestimmten formalen Grund außer Stande sah, gleichwohl aber in Kenntnis des von der Betreuerin absolvierten Studiums und der von ihr abgelegten Prüfung ihr in bestimmten Umfang eine Lehrbefähigung bescheinigt und sie überdies bereits zuvor im Schulbereich als Prüferin eingesetzt hat. Damit hat die Verwaltungsbehörde dem von der Betreuerin absolvierten Studium grundsätzlich eine Bedeutung zuerkannt, die es rechtfertigt, ihm auch vergütungserhöhende Wirkung im hier interessierenden Zusammenhang beizumessen. Jedenfalls im vorliegenden Fall ist die vom Vertreter der Staatskasse geäußerte Befürchtung, ohne förmliche Anerkennung ausländischer Studiengänge sei nicht auszuschließen, dass auch Absolventen einer Ausbildung mit nicht überprüfbarer Qualität vergütungsrechtlich privilegiert würden, nicht begründet.

Die vom Landgericht gezogene Schlussfolgerung, dass unter diesen Umständen der Betreuerin der erhöhte Vergütungssatz gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BVormVG zustehe, ist nicht zu beanstanden.

Ende der Entscheidung

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