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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 16.07.2003
Aktenzeichen: 3Z BR 150/03
Rechtsgebiete: FGG, ZPO
Vorschriften:
FGG § 18 | |
ZPO § 580 Nr. 5 | |
ZPO § 581 Abs. 1 |
Gründe:
I.
Zur Prüfung, ob für den Betroffenen die Bestellung eines Betreuers erforderlich sei, ordnete das Amtsgericht durch den Richter am 18.12.2002 eine Untersuchung des Betroffenen durch einen sachverständigen Arzt in einem Bezirkskrankenhaus an. Noch am gleichen Tag wurde der Betroffene in die geschlossene Abteilung eines Bezirkskrankenhauses aufgenommen. Nach richterlicher Anhörung am 19.12.2002 ordnete das Amtsgericht durch Richter B. die vorläufige Unterbringung des Betroffenen bis längstens 16.1.2003 an und bestellte ihm einen Verfahrenspfleger. Eine Betreuerin wurde für ihn erst am 3.2.2003 bestellt; das Betreuungsverfahren ist zwischenzeitlich eingestellt worden. Der Betroffene legte am 20.12.2002 sofortige Beschwerde gegen den Unterbringungsbeschluss ein, die er mit Schreiben vom 13.1.2003 wieder zurücknahm. Am 5.2.2003 machte der Betroffene die Unwirksamkeit seiner Rücknahmeerklärung geltend; er behauptete, er sei vom zuständigen Amtsrichter unter Druck gesetzt und zur Rücknahme der Beschwerde gezwungen worden. Außerdem beantragte er beim Beschwerdegericht, über einen von ihm gegen den Amtsrichter am 30.10.2002 gestellten Strafantrag zu entscheiden.
Das Landgericht hat das Schreiben des Betroffenen vom 5.2.2003 als Widerruf der Rücknahme der zunächst eingelegten sofortigen Beschwerde ausgelegt und den Antrag des Betroffenen auf Wiederaufnahme des Beschwerdeverfahrens sowie die erneute Beschwerde gegen den Unterbringungsbeschluss verworfen. In den Gründen hat es darauf hingewiesen, dass für die Führung von Strafverfahren beim Beschwerdegericht keine Zuständigkeit bestehe.
Mit seiner sofortigen weiteren Beschwerde will der Betroffene die Aufhebung des landgerichtlichen Beschlusses erreichen. Er beantragt, ihm für die Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu bewilligen. Außerdem lehnt er wegen der langsamen Bearbeitung der Angelegenheit den Vorsitzenden der Beschwerdekammer wegen Befangenheit ab. Eine Entscheidung über den Befangenheitsantrag ist bisher nicht ergangen.
II.
Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 22 Abs. 27 Abs. 1 FGG), in der Sache hat sie keinen Erfolg.
1. Das Landgericht hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:
Der Widerruf der Rücknahme einer sofortigen Beschwerde sei nur dann zulässig, wenn Wiederaufnahmegründe vorliegen würden, wie etwa eine Nötigung durch einen Richter. Eine solche Straftat könne allerdings nur dann die Grundlage für die Fortsetzung des Verfahrens bilden, wenn der betreffende Richter entsprechend § 581 ZPO wegen der behaupteten Straftat rechtskräftig verurteilt sei. Dies sei hier nicht der Fall. Selbst wenn man aber wegen des Amtscharakters des Unterbringungsverfahrens die Grenzen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu Gunsten des Betroffenen weiter ziehen wollte, ergebe sich nichts anderes. Denn derjenige, der seine Verfahrenshandlung anfechten wolle, trage die Feststellungslast dafür, dass es tatsächlich zu der behaupteten Nötigungshandlung gekommen sei. Diesen Beweis habe der Betroffene nicht führen können. Eine Anhörung sei nicht erforderlich, weil sich bereits aus den bei den Akten befindlichen schriftlichen Unterlagen entnehmen lasse, dass zwar der Betroffene und Amtsrichter unterschiedliche Standpunkte zu der Frage einnehmen würden. Aus den Akten hätten sich aber keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Amtsrichter tatsächlich eine Straftat begangen habe. Daher sei die erneut eingelegte sofortige Beschwerde unzulässig, da sie weit außer der gesetzlichen Frist von zwei Wochen für die Rechtsmitteleinlegung eingelegt worden sei.
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung weitgehend stand (§ 27 Abs. 1 FGG; § 546 ZPO).
a) Zutreffend hat das Landgericht das Schreiben des Betroffenen vom 5.2.2003 als Widerruf der am 13.1.2003 erklärten Rücknahme der sofortigen Beschwerde ausgelegt. Grundsätzlich sind Anfechtung und Widerruf von Verfahrenshandlungen nicht statthaft (Keidel/Zimmermann FGG 15. Aufl. § 11 Rn. 34; Bassenge/Herbst/Roth FGG/RPflG 9. Aufl. Einl. FGG Rn. 83), weil Rechtssicherheit und Rechtsklarheit über die Wirksamkeit von Verfahrenshandlungen bestehen müssen. Ausnahmsweise ist ein Widerruf von Verfahrenshandlungen - und damit auch von Rücknahmeerklärungen - aber möglich, wenn ein Restitutionsgrund vorliegt (BGHZ 12, 284; Keidel/Zimmermann aaO; Bassenge/ Herbst/Roth aaO). Zwar enthält das FGG keine Vorschriften über Wiederaufnahmeverfahren und damit auch nicht über Wiederaufnahmegründe. Doch hat sich nicht nur für die echten Streitverfahren, sondern für alle Bereiche der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Ansicht durchgesetzt, dass die Wiederaufnahme eines Verfahrens dann statthaft sein muss, wenn alle sonstigen im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit vorhandenen Rechtsbehelfe erschöpft sind (vgl. Keidel/Schmidt § 18 Rn. 69; Bassenge/Herbst/Roth § 18 FGG Rn. 27). Die Vorschriften der ZPO sind dann entsprechend heranzuziehen (Keidel/ Schmidt § 18 Rn. 70; Bassenge/Herbst/Roth aaO). Zulässig ist ein Wiederaufnahmeantrag demnach, wenn ein Wiederaufnahmegrund des entsprechend anwendbaren § 580 ZPO schlüssig behauptet worden ist (vgl. Keidel/Schmidt § 18 Rn. 70; Bassenge/Herbst/Roth § 18 FGG Rh. 28). Begründet ist der Wiederaufnahmeantrag aber nur dann, wenn ein Restitutionsgrund tatsächlich gegeben ist (vgl. Bassenge/Herbst/Roth § 18 FGG Rn. 27-30). Nur dann ist auch der Widerruf der Rücknahmeerklärung wirksam (Keidel/Zimmermann § 11 Rn. 34). Die Beweislast hierfür trägt der Antragsteller (BayObLGZ 1974, 9/12; Bassenge/Herbst/Roth §.18 FGG Rn. 29).
b) Nach diesen Kriterien ist der Widerruf der Rücknahmeerklärung durch den Betroffenen nicht rechtswirksam erfolgt, weil ein Wiederaufnahmegrund nicht vorliegt. Zwar hat der Betroffene mit seinem Vorbringen, er sei durch Amtsrichter unter Druck gesetzt und zur Rücknahme der ursprünglich eingelegten Beschwerde erpresst worden, den Restitutionsgrund des § 580 Nr. 5 ZPO geltend gemacht. Als strafbare Handlung wäre die behauptete Nötigung anzusehen. Diese kann aber nur dann einen Restitutionsgrund bilden, wenn der betreffende Richter wegen dieser Straftat rechtskräftig verurteilt worden oder die Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweis nicht erfolgen kann. Dies ergibt sich aus dem entsprechend anwendbaren § 581 Abs. 1 ZPO. Es besteht kein Anlass, für den Widerruf einer Verfahrenshandlung von diesen Voraussetzungen abzurücken. Denn ebenso wie eine Wiederaufnahme des Verfahrens muss auch der Widerruf einer Verfahrenshandlung die Ausnahme bleiben, um das Vertrauen in die Rechtssicherheit zu schützen.
c) Aus diesem Grund kam es auf die weiteren Ausführungen in der Beschwerdeentscheidung nicht mehr an. Da ein Wiederaufnahmegrund nicht vorliegt, war der Widerruf der Rücknahmeerklärung nicht möglich. Das ursprünglich durch den Betroffenen eingeleitete Beschwerdeverfahren ist damit beendet; dies war im Entscheidungssatz festzustellen. Eine erneut durch den Betroffenen eingelegte sofortig e Beschwerde wäre unzulässig. Sie wäre erst am 5.2.2003 bei Gericht eingegangen. Die Frist zur Einlegung einer sofortigen Beschwerde beträgt zwei Wochen nach Zustellung des angegriffenen Beschlusses. Diese Zweiwochenfrist wäre erheblich überschritten, nachdem dem Betroffenen der Unterbringungsbeschluss am 27.12.2002 zugestellt worden war. Deshalb war das Schreiben vom 5.2.2003 auch nicht als erneute Beschwerde auszulegen.
Der Betroffene hat auch keinen Wiederaufnahmeantrag gestellt, sondern die Fortführung des Beschwerdeverfahrens erstrebt. Prozesskostenhilfe konnte wegen der Erfolglosigkeit seines Rechtsbegehrens nicht bewilligt werden.
Den Ausführungen des Landgerichts zur 'fehlenden Zuständigkeit für Strafverfahren ist nichts hinzuzufügen.
3. Soweit ein Befangenheitsantrag vorliegt, besteht für eine Entscheidung des Senats kein Anlass. Es fehlt bisher an einer Entscheidung des 'Landgerichts, also der übrigen Kammermitglieder, über diesen Antrag (vgl. Keidel/Zimmermann § 6 Rn. 68). Gegen eine ablehnende Entscheidung wäre die sofortige weitere Beschwerde nur gegeben, wenn sie vom Landgericht zugelassen wird (vgl. BayObLGZ 2002, 89 ff.). Da die Ablehnung erst nach der Zustellung des Beschlusses vom 20.5.2003 erfolgt ist, stand § 47 ZPO - der entsprechend im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzuwenden ist -, dem Erlass des Beschlusses nicht im Wege.
Ende der Entscheidung
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