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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 22.09.2004
Aktenzeichen: 3Z BR 150/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1908b Abs. 1
BGB § 1908b Abs. 3
BGB § 1897 Abs. 4
Einem Vorschlag des Betreuten, für ihn einen anderen, von ihm benannten Betreuer zu bestellen, ist nur dann ein maßgebliches Kriterium für einen Betreuerwechsel, wenn dieser Vorschlag auf einer ernsthaften und auf Dauer angelegten eigenständigen Willensbildung beruht. Wird gegen die Entlassungsentscheidung des Amtsgerichts Beschwerde eingelegt, ist hinsichtlich dieses Kriteriums auf den Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung abzustellen.
Gründe:

I.

Für den Betroffenen ist seit 1994 ein Betreuer bestellt. Die Aufgabenkreise umfassen zur Zeit Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge sowie Entgegennahme und Anhalten der Post; zusätzlich ist ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet. Zum Betreuer war zunächst das Senioren- und Stiftungsamt bestellt, ab Oktober 1995 ein Mitarbeiter dieses Amtes und seit 5.3.1998 der Berufsbetreuer F. Die Unterbringung des Betroffenen in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses bzw. der beschützenden Abteilung einer Pflegeeinrichtung ist bis zum 15.1.2005 genehmigt.

Am 29.1.2004 stellte der Betroffene den Antrag, seinen Betreuer F. zu entlassen und stattdessen zum neuen Betreuer den Berufsbetreuer S. zu bestellen. Dem Antrag gab das Amtsgericht am 5.2.2004 statt nach Anhörung des Betroffenen und des Betreuers F., der mit der Abgabe der Betreuung einverstanden war. Der Betroffene legte gegen diesen Beschluss am 10.2.2004 Beschwerde ein mit der Begründung, er wolle weiterhin F. als Betreuer. Das Landgericht hat die Beschwerde am 1.7.2004 zurückgewiesen.

Mit seiner weiteren Beschwerde wendet sich der Betroffene gegen diesen Beschluss. Er will nach wie vor erreichen, dass es bei der Bestellung seines ehemaligen Betreuers F. bleibt.

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig, §§ 21 Abs. 2, 27 Abs. 1 FGG und hat auch in der Sache Erfolg.

1. Das Landgericht hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:

Gemäß § 1908b Abs. 3 BGB könne das Gericht einen Betreuer entlassen, wenn der Betroffene eine gleich geeignete Person, die zur Übernahme bereit ist, als Betreuer vorschlägt. Die Voraussetzungen für diese Bestimmung lägen vor, weil der Betroffene selbst seinen neuen Betreuer vorgeschlagen habe. Soweit er nun wieder seinen alten Betreuer haben wolle, sei diesem Ansinnen nicht zu entsprechen. Gemäß § 1897 Abs. 4 BGB sei dies nur dann möglich, wenn es dem Wohl des Betroffenen nicht zuwider laufe. Der Gesichtspunkt der Kontinuität spreche für das Festhalten an dem bestellten Vertreter. Vor dem Betreuerwechsel sei der Betroffene durch ständige Disziplinlosigkeiten und Weglauftendenzen aufgefallen. Das Erstgericht habe den Eindruck gehabt, dass der Betreuer überhaupt keinen Einfluss mehr auf den Betroffenen habe ausüben können, da dieser am Wochenende regelmäßig unterwegs gewesen und durch die Polizei des Öfteren volltrunken aufgegriffen worden sei. Mit dem Betreuerwechsel solle es gelingen, dieses selbstschädigende Verhalten nach Möglichkeit einzudämmen. Hinter dem Beschwerdeverfahren stehe der offensichtliche Wunsch, die Unterbringung werde aufgehoben, wenn der alte Betreuer wieder bestellt werde. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass ein Betreuerwechsel dem Wohl des Betroffenen nicht zuträglich sei, da die sachgerechte Bewältigung der Aufgaben eine gewisse Stetigkeit in Bezug auf die handelnden Personen verlange.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die durch den Betroffenen angegriffene Entlassung seines bisherigen Betreuers F. und die Bestellung des neuen Betreuers S. entsprechen nicht der Sach- und Rechtslage. Ein ausreichender Grund für die Entlassung des Betreuers F. ist weder nach § 1908b Abs. 3 BGB noch nach § 1908b Abs. 1 BGB gegeben.

a) Die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 5.2.2004 war zulässig, obwohl der Betroffene selbst den Betreuerwechsel angeregt und der Beschluss seinem Anliegen Rechnung getragen hatte. Nach § 20 Abs. 1 FGG steht die Beschwerde jedem zu, dessen Recht durch die Verfügung beeinträchtigt ist. Eine Beeinträchtigung liegt dann vor, wenn der Entscheidungssatz unmittelbar nachteilig in die Rechtsstellung des Beschwerdeführers eingreift (materielle Beschwer), eine formelle Beschwer ist nicht erforderlich (Bassenge/Herbst/Roth FGG/RPflG 9. Aufl. § 20 FGG Rn. 8; Keidel/Kahl FGG 15. Aufl. § 20 Rn. 13). Der Eingriff in die Rechtsstellung des Betroffenen liegt in der Entlassung seines langjährigen Betreuers F. und der Bestellung des neuen Betreuers S., da hierdurch seine Rechtsbeziehung zum bisherigen Betreuer beendet wird. Es handelt sich um eine einfache Beschwerde, da der Betreuer F. mit seiner Entlassung einverstanden war.

b) Da die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts zulässig war, ist mit dem Rechtsmittel das Verfahren bezüglich der Entlassung des Betreuers F. fortgesetzt worden. Verfahrensgegenstand ist damit nach wie vor die Frage, ob dessen Entlassung gerechtfertigt war. Es geht nicht um die Frage, ob die Entlassung des nunmehr tätigen Betreuers S. und ein erneuter Betreuerwechsel sinnvoll wären. Da das Landgericht ausweislich der Beschlussgründe aber von letzterem auszugehen scheint, kann die Entscheidung keinen Bestand haben. Eine Zurückverweisung der Sache ist nicht erforderlich. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, da weitere Ermittlungen nicht geboten sind.

c) Gemäß § 1908b Abs. 3 BGB kann das Vormundschaftsgericht einen Betreuer entlassen, wenn der Betreute eine gleich geeignete Person, die zur Übernahme bereit ist, als neuen Betreuer vorschlägt. Voraussetzung hierfür ist, dass der Betroffene aus eigenem Antrieb die Auswechslung des Betreuers anstrebt und auf Grund einer ernsthaften und auf Dauer angelegten eigenständigen Willensbildung einen bestimmten neuen Betreuer wünscht (Senatsbeschluss vom 28.7.2004 - Az. 3Z BR 94/04). Das Vormundschaftsgericht hat nach § 1908 b Abs. 1 Satz 1 BGB einen Betreuer zu entlassen, wenn seine Eignung, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen, nicht mehr gewährleistet ist oder ein anderer wichtiger Grund für die Entlassung vorliegt. Für die Entlassung genügt jeder Grund, der den Betreuer als nicht mehr geeignet im Sinne von § 1897 Abs. 1 BGB erscheinen lässt (vgl. BayObLG FamRZ 2003, 403/404 m.w.N.). Als wichtiger Grund kann auch anzusehen sein, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen dem Betreuer und dem Betroffenen gestört ist (Palandt/Diederichsen BGB 63. Aufl. § 1908b Rn. 2). Bei der Prüfung, ob das Vertrauensverhältnis zwischen Betreuer und Betreutem gestört ist, sind auch Wunsch und Wille einer geschäftsunfähigen oder in ihrer geistigen Leistungskraft eingeschränkten Person zu berücksichtigen (OLG Köln FamRZ 1999, 1169). Ein anderer wichtiger Grund ist aber nicht bereits gegeben, wenn der Betroffene nunmehr den bestellten Betreuer ablehnt (BayObLG BtPrax 2002, 130 [Ls]). Wesentlich ist vielmehr, dass durch den neuen Betreuer das Wohl des Betroffenen erheblich besser gewahrt ist (BayObLG FamRZ 2000, 1457/1458). Grundsätzlich ist damit Voraussetzung der Entlassung eines Betreuers nach § 1908b Abs. 1 BGB, dass das Wohl des Betroffenen bei fortbestehender Betreuerstellung nicht oder erheblich schlechter gewahrt ist als bei einem Austausch des Betreuers (vgl. BayObLG FamRZ 2000, 1457/1458; Senatsbeschluss vom 28.7.2004, Az. 3Z BR 94/04).

d) Nach diesen Grundsätzen scheidet eine Entlassung des Betreuers F. gemäß § 1908b Abs. 3 BGB aus. Zwar hat der Betroffene in seinem Schreiben vom 29.1.2004 selbst den Antrag gestellt, den Betreuer F. zu entlassen und statt seiner den Betreuer S. zu bestellen. Diesen Wunsch hat er auch anlässlich einer richterlichen Anhörung am gleichen Tage gegenüber dem zuständigen Amtsrichter geäußert. Grundsätzlich ist auch dem Wunsch und Willen eines Betroffenen - und zwar auch eines geschäftsunfähigen - Betroffenen - zu entsprechen. § 1908b Abs. 3 BGB setzt den Gedanken des § 1897 Abs. 4 BGB für den Zeitraum ab erfolgter Betreuerbestellung fort. Zweck der Regelung des § 1897 Abs. 4 BGB ist die Sicherstellung nicht nur des - verbliebenen - Selbstbestimmungsrechts des Betroffenen, sondern auch der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Betroffenem und Betreuer (BayObLG BtPrax 2003, 270; BtPrax 2004, 111; Palandt/ Diederichsen BGB 63. Aufl. § 1897 Rn. 16). Beruht die Betreuerauswahl auf dem Wunsch und Willen des Betroffenen, sind diese beiden Ziele gewährleistet. Dies kann aber nur dann gelten, wenn der Vorschlag des Betroffenen ernsthaft (vgl. Jürgens Betreuungsrecht 2. Aufl. § 1897 BGB Rn. 16; Damrau/Zimmermann Betreuungsrecht 3. Aufl. § 1897 BGB Rn. 32) ist, was voraussetzt, dass der Wunsch nach einem bestimmten Betreuer auf einer eigenständigen Willensbildung des Betroffenen beruht sowie dauerhaft und unabhängig vom Einfluss Dritter zustande gekommen ist. Ist der Wunsch nur solange vorhanden, wie ein Dritter Einfluss auf den Betroffenen ausüben kann, entspricht seine Berücksichtigung weder dem Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen noch führt sie zu einer Vertrauensbasis zwischen Betroffenem und Betreuer.

Ein dauerhafter und ernsthafter Wille des Betroffenen, dass nunmehr für ihn der Betreuer S. bestellt werden solle, ist nicht festzustellen. Bereits am 10.2.2004, also knapp zwei Wochen nach seinem Antrag, hat der Betroffene wieder Abstand von seinem Plan genommen. Auffallend ist auch, dass der Betroffene im Text dieses Antrages den neuen Betreuer "auf Anraten" vorschlägt. Das könnte dafür sprechen, dass der Vorschlag nicht unbeeinflusst zustande gekommen ist und der Betroffene in der Folgezeit nach eigenständiger Überlegung zu dem Schluss gekommen ist, doch lieber weiterhin mit dem bisherigen Betreuer F. zusammenarbeiten zu wollen. Letztlich kann dies aber dahinstehen. Denn allein die objektive Tatsache, dass der Betroffene nur kurze Zeit nach Stellung seines Antrages seine Meinung wieder geändert hat, zeigt, dass der neue Betreuervorschlag nicht auf seinem ernsthaften und dauerhaften Willen beruht. Dies belegen auch seine zahlreichen Schreiben, in denen er kontinuierlich an seinem bisherigen Betreuer F. festhält, sowie die Beauftragung eines Verfahrensbevollmächtigten, mit der er dieses Ziel verfolgt. Sein ernsthafter und auf Dauer angelegter Wille geht folglich dahin, seinen bisherigen Betreuer behalten zu wollen. Bei seiner Anhörung durch einen ersuchten Richter hat der Betroffene überdies bestätigt, dass der Antrag auf Betreuerwechsel einer kurzfristigen Verärgerung entsprungen sei, die auf Probleme mit der Freundin zurückzuführen sei. Dass seit der Stellung seines Antrages und der Beschwerdeentscheidung einige Zeit vergangen ist, in welcher der neue Betreuer gewirkt hat, kann nicht zu Lasten des Betroffenen gehen, der seine Beschwerde sehr zeitnah eingelegt hat.

e) Eine Entlassung des Betreuers F. gemäß § 1908b Abs. 1 BGB scheidet gleichfalls aus. Auf diese Vorschrift hatte das Amtsgericht die Entlassung gestützt, ohne allerdings den wichtigen Grund im Beschluss zu bezeichnen. In der Nichtabhilfeentscheidung ist dann als Grund der Anschein genannt, der Betreuer F. könne keinen Einfluss mehr auf den Betroffenen ausüben, da dieser regelmäßig am Wochenende unterwegs gewesen und des Öfteren volltrunken von der Polizei aufgegriffen worden sei. Der Betreuer hat diesem Treiben aber nicht tatenlos zugesehen, was sicherlich einen Eignungsmangel begründen würde, sondern letztlich die geschlossene Unterbringung des Betroffenen in die Wege geleitet. Mehr kann er nicht tun; dass es der Betroffene immer wieder schafft, aus den Heimen auszureißen, ist nicht dem Betreuer anzulasten. Das zeigt schon die Tatsache, dass der Betroffene auch nach dem Betreuerwechsel wiederum aus dem Heim entweichen konnte. Anhaltspunkte dafür, dass der Betreuer F. in der Folgezeit zum Nachteil des Betroffenen von Unterbringungsmaßnahmen absehen könnte, liegen nicht vor. Auch andere mögliche Eignungsmängel sind aus den Akten nicht ersichtlich. Als sonstiger wichtiger Grund für die Betreuerentlassung kommt auch nicht die Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen Betreuer und Betreutem in Betracht, weil der Betroffene gerade wegen des bestehenden Vertrauens zu dem Betreuer F. diesen weiterhin als seinen Betreuer wünscht.

3. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 KostO. Hiernach ist der Geschäftswert regelmäßig auf 3.000 EUR festzusetzen. Gründe für eine Abweichung nach oben oder nach unten haben sich nicht ergeben. Eine Kostenerstattung kam nicht in Betracht, nachdem der Betroffene durch sein sprunghaftes Verhalten das Rechtsmittelverfahren selbst verursacht hat.



Ende der Entscheidung

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