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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 04.09.2002
Aktenzeichen: 3Z BR 153/02
Rechtsgebiete: FGG


Vorschriften:

FGG § 19 Abs. 1
Im Betreuungsverfahren ist die Anordnung einer Begutachtung durch einen Sachverständigen keine für den Betroffenen mit Beschwerde anfechtbare Zwischenentscheidung.
Gründe:

I.

Für den Betroffenen wurde durch Beschluss des Amtsgerichts vom 6.11.2001 für die Aufgabenkreise Vertretung des Betroffenen im Scheidungsverfahren einschließlich Folgesachen sowie Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post in diesen Bereichen ein Berufsbetreuer bestellt und ein Einwilligungsvorbehalt sowie die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses angeordnet. Auf die gegen diesen Beschluss vom Betroffenen eingelegte Beschwerde und sofortige Beschwerde hob das Landgericht am 15.1.2002 den Beschluss des Amtsgerichts auf und verwies das Verfahren an das Amtsgericht zurück. Die hiergegen durch den Betroffenen eingelegte weitere Beschwerde und sofortige weitere Beschwerde blieben erfolglos.

Am 21.3.2002 erließ das Amtsgericht einen Beschluss, wonach für den Betroffenen ein erneutes Gutachten zu den medizinischen Voraussetzungen der Betreuung zu erstatten sei. Die gegen diesen Beschluss von dem Betroffenen eingelegte Beschwerde hat das Landgericht am 23.4.2002 als unzulässig verworfen.

Mit seiner weiteren Beschwerde will der Betroffene die Aufhebung der Beschlüsse des Amtsgerichts und des Landgerichts, die Einstellung des Betreuungsverfahrens und die Auferlegung seiner notwendigen Auslagen auf die Staatskasse erreichen.

II.

1. Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

Gegen die Anordnung der Erholung eines weiteren Sachverständigengutachtens ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.

a) Die weitere Beschwerde ist zulässig. Die Entscheidung des Landgerichts unterliegt unabhängig von der Statthaftigkeit der Erstbeschwerde der weiteren Beschwerde (BayObLGZ 1993, 253). Der Betroffene ist beschwerdeberechtigt, weil das Landgericht seine Erstbeschwerde verworfen hat (BayObLGZ 1998, 195; Bassenge/Herbst/Roth FGG/RPflG 9. Aufl. § 27 FGG Rn. 7).

b) Die weitere Beschwerde ist aber nicht begründet. Das Landgericht hat die Erstbeschwerde zu Recht verworfen, weil die Anordnung der Einholung eines Gutachtens und die Beauftragung eines Sachverständigen als solche keine anfechtbare Verfügung gemäß § 19 Abs. 1 FGG darstellt (BayObLG FGPrax 2001, 78).

aa) Nach dem Gesetz darf ein Betreuer erst bestellt werden, wenn das Gutachten eines Sachverständigen über die Erforderlichkeit der Betreuung eingeholt worden ist (§ 68b Abs. 1 Satz 1 FGG). Die Anordnung der Einholung eines solchen Gutachtens stellt eine Zwischenverfügung dar. Solche Verfügungen sind nach der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich nicht der Beschwerde nach § 19 FGG unterworfen. Sie sind nur anfechtbar, wenn die angeordnete Maßnahme unmittelbar in die Rechte des Betroffenen eingreift, insbesondere von ihm ein bestimmtes Verhalten verlangt, und zwar in so erheblicher Weise, dass ihre selbständige Anfechtbarkeit geboten ist (BayObLG aaO; BayObLG FamRZ 1998, 436/437; Bassenge § 19 FGG Rn. 12; Keidel/Kahl FGG 14. Aufl. § 19 Rn. 9).

bb) Der Beschluss des Amtsgerichts vom 21.3.2002 greift nicht in derartiger Weise in die Rechte des Betroffenen ein. Vielmehr ordnet er lediglich die Erholung eines weiteren Gutachtens an, ohne dem Betroffenen Mitwirkungspflichten aufzuerlegen. Der Betroffene ist aufgrund des Beschlusses nicht dazu verpflichtet, sich untersuchen oder begutachten zu lassen; er ist nicht einmal dazu verpflichtet, zu Terminen zu erscheinen, die der beauftragte Sachverständige zur Begutachtung ansetzt. Von einem erheblichen Eingriff in seine Rechte kann damit nicht gesprochen werden. Die Anordnung der Gutachtenseinholung ist damit keine anfechtbare Zwischenverfügung (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. BayObLG 2001, 78 FGPrax m. w. N.). Dies gilt erst recht im konkreten Fall: das einzuholende Sachverständigengutachten dient nicht der erstmaligen Feststellung des Gesundheitszustandes des Betroffenen, sondern der Abklärung der Widersprüche zwischen einem bereits vorliegenden nervenärztlichen Sachverständigengutachten und einer von dem Betroffenen vorgelegten gegensätzlichen ärztlichen Stellungnahme. Das Gericht ist gemäß § 12 FGG zur vollständigen Sachverhaltsermittlung und damit zur Überprüfung der beiden ärztlichen Stellungnahmen verpflichtet. Dies liegt auch im Interesse des Betroffenen. Eine Rechtsverletzung würde sich für ihn eher dann ergeben, wenn das Gericht ohne ausreichende Sachverhaltsaufklärung eine Entscheidung treffen würde.

cc) Der gegenteiligen Auffassung des Kammergerichts, die bloße Anordnung der psychiatrischen Begutachtung greife schon derart schwer in die Rechtssphäre des Betroffenen ein, dass ihre Anfechtbarkeit geboten sei (vgl. KG FamRZ 200 2, 970/971; FGPrax 2000, 237/238), folgt der Senat nicht. zwar gewährt Art. 19 Abs. 4 GG dem Einzelnen ein Grundrecht auf effektiven und möglichst lückenlosen Rechtsschutz (BVerfG NJW 1997, 2163/2164; BVerfGE 67, 43/58), dies besagt aber nicht, dass gegen jede Maßnahme der öffentlichen Gewalt ein Rechtsmittel gegeben sein muss. Art. 19 Abs. 4 GG fordert keinen Instanzenzug (BVerfGE 92, 365/410 = NJW 1996, 185/190), sondern nur dass der Einzelne seine Rechte tatsächlich wirksam durchsetzen kann und die Folgen staatlicher Eingriffe im Regelfall nicht ohne fachgerichtliche Prüfung zu tragen hat (BVerfG NJW 1997, 2163/2164). Eröffnet das Prozessrecht eine weitere Instanz, so wird durch Art. 19 Abs. 4 GG eine wirksame gerichtliche Kontrolle gewährleistet; ein von der jeweiligen Rechtsordnung eröffnetes Rechtmittel darf nicht ineffektiv gemacht werden (vgl. BVerfG NJW 1997, 2163/2164).

Die Anordnung einer Begutachtung wird durch einen Richter getroffen, so dass dem Erfordernis einer fachgerichtlichen Kontrolle Genüge getan ist. Aus § 68b Abs. 3 Satz 2 FGG ergibt sich, dass der Gesetzgeber diese gerichtliche Kontrolle sogar in den Fällen, in denen der Betroffene zur Vorbereitung eines Gutachtens untersucht oder durch die zuständige Behörde zur Untersuchung vorgeführt werden soll, als ausreichend angesehen hat. Diesem gesetzgeberischen Willen würde es widersprechen, wenn die wesentlich weniger einschneidende Maßnahme der bloßen Anordnung eines Gutachtens einer höheren Kontrolle bedürfte (vgl. BayObLG FGPrax 2001, 78/79). Die von der Rechtsprechung eingeräumte Beschwerdemöglichkeit gegen Zwischenentscheidungen, die erheblich in die Rechte eines Betroffenen eingreifen, steht dem nicht entgegen. Denn in den entschiedenen Fällen ging der Eingriff über die bloße Anordnung der Begutachtung hinaus, so dass eine weitere gerichtliche Kontrolle angezeigt war (vgl. die Entscheidungen OLG Stuttgart OLGZ 1975, 132 f. und OLG Zweibrücken FGPrax 2000, 109, die jeweils eine Mitwirkungspflicht des Betroffenen beinhalten). Aus demselben Grund steht auch die Überlegung, dass der Betroffene mit einer gerichtlichen Anordnung der Untersuchung gemäß § 68b Abs. 3 Satz 1 FGG rechnen muss und er diese Anordnung wegen der in § 68b Abs. 3 Satz 2 FGG geregelten Nichtanfechtbarkeit erst nach Abschluss des zugrunde liegenden Betreuungsverfahrens mittelbar angreifen kann, nicht entgegen.

dd) Eine Vorlage an den Bundesgerichtshof gemäß § 28 Abs. 2 FGG ist nichtgeboten, weil es auf die streitige Rechtsfrage für die Entscheidung nicht ankommt. Selbst wenn der Senat der Entscheidung die abweichende Ansicht des Kammergerichts zugrunde legen würde, hätte die weitere Beschwerde des Betroffenen keinen Erfolg. Zwar wäre dann die von dem Betroffenen eingelegte Erstbeschwerde als zulässig zu betrachten. Doch wäre die Anordnung des Amtsgerichts zu Recht ergangen. Sie wäre nur dann rechtswidrig, wenn nach dem Inhalt der Akten, den bisher angestellten Ermittlungen und dem Ergebnis der persönlichen Anhörung des Betroffenen keinerlei Anhaltspunkte dafür bestünden, dass der Betroffene an einer psychischen Krankheit leidet (vgl. KG FGPrax 2000, 237/238). Davon kann nach dem Inhalt des bereits vorliegenden psychiatrischen Gutachtens keine Rede sein. Das Amtsgericht ist mit der Beauftragung eines weiteren Gutachtens seiner Amtsermittlungspflicht gemäß § 12 FGG nachgekommen.

2. Soweit der Betroffene die Einstellung des Betreuungsverfahrens beantragt, versteht er dies offensichtlich nur als notwendige Folge eines erfolgreichen Rechtsmittels, nicht im Sinn einer weiteren selbständigen Beschwerde, zumal das Landgericht in seinem angegriffenen Beschluss über einen solchen Antrag nicht entschieden hat und es deshalb an einer anzugreifenden Beschwerdeentscheidung fehlt.

Gegen die Prozesskostenhilfeentscheidung wendet sich der Betroffene nicht. Ein solches Rechtsmittel wäre im übrigen unzulässig.

3. Eine Auferlegung der außergerichtlichen Kosten des Betroffenen auf die Staatskasse gemäß § 13a Abs. 2 FGG war schon deshalb nicht auszusprechen, weil das Verfahren bisher nicht abgeschlossen werden konnte und der Ausgang des Betreuungsverfahrens damit noch offen ist.

Ende der Entscheidung

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