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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 23.10.2002
Aktenzeichen: 3Z BR 157/02
Rechtsgebiete: FGG, ZPO, HGB


Vorschriften:

FGG § 27 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 547 Nr. 4
ZPO § 561
HGB § 166 Abs. 3
Reicht das Informationsrecht des Kommanditisten aus § 166 Abs. 1 HGB nicht für eine sachgemäße Ausübung der Mitgliedschaftsrechte aus, besteht ein wichtiger Grund im Sinne von § 166 Abs. 3 HGB.
Gründe:

I.

Der Antragsteller ist Kommanditist der Antragsgegnerin zu 2; die Antragsgegnerin zu 1 ist deren alleinige geschäftsführungsberechtigte Komplementärin.

Die Gesellschafter der Antragsgegnerin zu 2 beschlossen im Jahre 1998 mehrheitlich, dass die Gesellschaft in einzelnen ihrer Tochtergesellschaften Gewinne ausschütten und die Kommanditisten die ihnen im Zusammenhang damit erwachsenden Steuergutschriften etc. in die Gesellschaft einbringen sollten. Der Antragsteller stimmte gegen diesen Beschluss und hielt sich auch in der Folgezeit nicht für verpflichtet, diesbezügliche Zahlungen zu leisten. Die Antragsgegnerin zu 2 aktivierte in ihrer Bilanz entsprechende Ansprüche.

Im Frühjahr 2000 teilte die Antragsgegnerin zu 2 u.a. dem Antragsteller mit, es lägen zwei Rechtsgutachten zur Frage der Einzahlungspflicht vor. Der Antragsteller bat um Einsicht in die Gutachten, was ihm zunächst verweigert wurde. Am 21.5.2001 erhielt der Antragsteller dann von der Antragsgegnerin zu 2 die Fax-Kopie einer gutachtlichen Stellungnahme, datierend vom 15.5.2001. Der Antragsteller monierte hierauf, dass dies unmöglich das im Frühjahr 2000 erwähnte Gutachten sein könne. Unter dem 14.8.2001 erhielt der Antragsteller daraufhin ein Schreiben, in dem ausgeführt wurde, dass das fragliche Gutachten bereits in einer Vorversion im Juni 2000 erstellt worden sei. Auch dies stellte den Antragsteller nicht zufrieden. Er beantragte beim Amtsgericht, den Antragsgegnern aufzugeben, ihm zu den angeblichen Gutachten Auskünfte zu erteilen, ihm Einsicht in Unterlagen zu gewähren sowie ihm zu gestatten, sich die Einsicht auch in Begleitung eines Sachverständigen zu verschaffen bzw. einen solchen Sachverständigen mit der Einsichtnahme zu beauftragen. Das Amtsgericht gab dem Antrag mit Beschluss vom 17.5.2002 statt, wobei infolge eines Büroversehens die am 15.5.2002 fristgerecht eingegangene Stellungnahme der Antragsgegner nicht mehr berücksichtigt wurde. Diese Stellungnahme leitete das Amtsgericht mit Schreiben vom 24.5.2002 dem Antragsteller zu mit dem Bemerken, dass noch geprüft werde, ob das Verfahren als Beschwerde dem zuständigen Landgericht vorzulegen sei. Mit Schreiben vom 24.5.2002 kündigten die Antragsgegner an, sie seien nunmehr gezwungen, ein Beschwerdeverfahren zu führen. Dieses Schreiben wurde dem Antragsteller wiederum infolge eines Büroversehens nicht übersandt.

Am 5.6.2002 legten die Antragsgegner sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts ein. Die Beschwerdeschrift wurde dem Antragsteller nicht mitgeteilt. Mit Beschluss vom 27.6.2002 hat das Landgericht der Beschwerde stattgegeben. Die Verfügung des Amtsgerichts wurde aufgehoben; der Antrag des Antragstellers wurde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist begründet. Die angefochtene Entscheidung hält wegen eines Verfahrensfehlers der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) nicht stand.

1. Das Landgericht hat seinen Beschluss wie folgt begründet: Der Antrag gemäß § 166 Abs. 3 HGB könne zum einen nur gegen die Gesellschaft selbst gerichtet werden, an der der auskunftbegehrende Kommanditist beteiligt sei. Die Antragsgegnerin zu 1 sei lediglich geschäftsführende Gesellschafterin und als solche nicht auskunftverpflichtet. Der gegen sie gerichtete Antrag sei schon aus diesem Grunde zurückzuweisen.

Gegenüber der Antragsgegnerin zu 2 könne der Antragsteller kein außerordentliches Informationsrecht geltend machen, weil er keinen wichtigen Grund hierfür dargelegt habe. Zwar habe der Antragsteller Sachverhalte vorgetragen, die den Verdacht einer nicht ordnungsgemäßen Geschäftsführung in der Antragsgegnerin zu 2 nahe legen sollten. Im wesentlichen gehe es dabei um einen Gesellschafterbeschluss aus dem Jahre 1998 und um im Jahr 2000 erstellte Steuergutachten. Der Gesellschafterbeschluss wäre jedoch vom Antragsteller anzufechten gewesen; die Beschlussfassung als solche begründe nicht den Verdacht einer nicht ordnungsgemäßen Geschäftsführung. Gleiches gelte im Ergebnis für später gefertigte steuerrechtliche Gutachten. Solange der Gesellschafterbeschluss nicht angefochten sei, müsse entsprechend diesem Beschluss bilanziert werden. Weshalb in diesem Zusammenhang nach drei Jahren eine Schädigung der Gesellschaft oder des Antragstellers drohen solle, sei nicht dargetan.

Als weiterer wichtiger Grund für ein außerordentliches Kontrollrecht des Antragstellers komme allenfalls noch in Betracht, dass dem Antragsteller das Überwachungsrecht nach § 166 Abs. 1 HGB verweigert worden sei. Unbestrittenermaßen habe der Antragsteller aber Gelegenheit gehabt, die Prüfungsberichte der Antragsgegnerin zu 2 sowie aller Tochterunternehmen einzusehen. Die vorhandenen Rechtsgutachten seien dem Antragsteller übersandt worden. Die Erklärung der Antragsgegner, warum es zwei Gutachten mit verschiedenem Datum gebe, sei plausibel und begründe nicht den Verdacht einer Verweigerung von Informationsrechten.

2. Die ergangene Entscheidung war wegen eines Verfahrensfehlers aufzuheben.

Der Antragsteller hat im Beschwerdeverfahren nicht nur kein rechtliches Gehör erhalten. Er wurde als materiell Betroffener schon über die Einleitung des Beschwerdeverfahrens nicht unterrichtet und erhielt auch im folgenden keine Gelegenheit, sich am Verfahren zu beteiligen. Zu einer Stellungnahme auf den ihm noch vom Amtsgericht mitgeteilten Schriftsatz der Antragsgegner vom 15.5.2002 sah sich der Antragsteller zu Recht nicht veranlasst, da die erste Instanz zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen und noch unklar war, ob das Verfahren in der nächsten Instanz weitergeführt werden würde. Die weiteren, die Beschwerdeinstanz eröffnenden Schriftsätze der Antragsgegner hat der Antragsteller nicht erhalten; die Beschwerdeentscheidung erging daher für den Antragsteller völlig überraschend.

Da durch die Entscheidung des Landgerichts in die Rechtsposition des Antragstellers eingegriffen wurde, ohne dass er zum Verfahren hinzugezogen wurde, liegt ein absoluter Beschwerdegrund im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 547 Nr. 4 ZPO vor (vgl. dazu BayObLGZ 1988, 356; 1998, 160/162; 1998, 167/168; Bassenge/Herbst FGG/RPflG 9. Aufl. § 27 FGG Rn. 20; Keidel/Kahl FGG 14. Aufl. § 27 Rn. 40; Jansen FGG 2. Aufl. § 27 Rn. 34). Der Senat hat in einem solchen Fall die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen, ohne dass es noch auf Kausalitätsfragen oder darauf ankäme, ob die Entscheidung in der Sache zu Recht ergangen ist (vgl. Bassenge/Herbst § 27 FGG Rn. 28; Jansen § 27 Rn. 29;, Reichold in Thomas/Putzo ZPO 24. Aufl. § 547 Rn. 1).

3. Unbeschadet dessen weist der Senat für das weitere Verfahren auf folgendes hin:

a) Nach § 166 Abs. 3 HGB kann das Amtsgericht (§ 145 Abs. 1 FGG) auf Antrag eines Kommanditisten die Mitteilung einer Bilanz und eines Jahresabschlusses oder sonstiger Aufklärungen sowie die Vorlage der Bücher und Papiere anordnen, wenn wichtige Gründe dafür vorliegen.

Das Kontrollrecht des Kommanditisten tritt dabei neben sein Informationsrecht nach § 166 Abs. 1 HGB (vgl. Baumbach/Hopt HGB 30. Aufl. § 166 Rh. 8). Es richtet sich regelmäßig gegen die Kommanditgesellschaft (vgl. BayObLGZ 1991, 261; 1994, 350; MünchKomm-HGB/Grunewald § 166 Rn. 27; HK-HGB/Stuhlfelner 5. Aufl. § 166 Rn. 3), nach h. M., darüber hinaus aber auch gegen den bzw. die geschäftsführenden Gesellschafter (vgl. BGH NJW 1984, 2470; 1989, 225; BayObLGZ 1987, 325/331; Röhricht/ Graf von Westphalen/von Gerkan HGB 2. Aufl. § 166 Rn. 21; Baumbach/Hopt § 166 Rn. 1 i.V.m. § 118 Rn. 1; noch enger Schlegelberger/Martens HGB 5. Aufl. § 166 Rn. 31).

§ 166 Abs. 3 HGB ist auch maßgebend, soweit es um die Kontrollrechte des Kommanditisten in einer kapitalistisch strukturierten GmbH & Co. KG geht. Dem Kommanditisten einer solchen Gesellschaft stehen nach herrschender Meinung Kontrollrechte etwa nach § 51a GmbHG nicht zu (vgl. Baumbach/Hueck GmbHG 17. Aufl. § 51a Rn. 10b m. w. N.; Schlegelberger/Martens § 166 Rn. 50; Binz Die GmbH & Co. 8. Aufl. § 7 Rn. 82).

b) Ein wichtiger Grund im Sinne von § 166 Abs. 3 HGB liegt vor, wenn das Informationsrecht des Kommanditisten aus § 166 Abs. 1 HGB nicht für eine sachgemäße Ausübung der Mitgliedschaftsrechte ausreicht und wegen Gefährdung der Interessen des Kommanditisten eine Regelung getroffen werden muss (Röhricht/Graf von Westphalen/von Gerkan § 166 Rn. 19; vgl. ferner Baumbach/Hopt § 166 Rn. 9; Schlegelberger/Martens § 166 Rn. 26). Hieran fehlt es nach derzeitigem Sachstand.

Die steuerrechtlichen Gutachten, zu denen der Antragsteller Informationen erhalten möchte, konnten schon aus Gründen des Zeitablaufs keinen Einfluss auf den Gesellschafterbeschluss haben, dessen Vollzug der Antragsteller für rechtswidrig hält. Sollte die Geschäftsführung der Kommanditgesellschaft widerstrebenden Gesellschaftern gegenüber zu einem späteren Zeitpunkt - etwa im Frühjahr 2000 - auf die Existenz solcher Gutachten verwiesen haben, um den eigenen Rechtsstandpunkt zu untermauern, war die Existenz solcher Gutachten und ihr Inhalt für die Ausübung von Mitgliedschaftsrechten des Antragstellers ohne Belang; erst recht ist nicht ersichtlich, wo hier eine Gefährdung seiner Interessen liegen soll, die ein gerichtliches Einschreiten erforderlich machen würde. Entscheidend für die Belange des Antragstellers kommt es ausschließlich auf die materielle Rechtslage bezüglich der Einlageverpflichtung an und nicht darauf, was wann in welchen Gutachten als Rechtslage dargestellt wurde.

Die Frage der Bilanzierung von Einlageforderungen bzw. der vom Antragsteller bemängelten fehlenden Rückstellungen für Rückzahlungen ist ebenfalls abhängig von der Rechtslage, keinesfalls aber von der Existenz von Rechtsgutachten. Letztlich sind die beantragten Kontrollmaßnahmen auch nicht mit Blick auf unerfüllt gebliebene Informationsansprüche des Antragstellers nach § 166 Abs. 1 HGB zu begründen. Rechtsgutachten der hier in Rede stehenden Art sind weder geeignet noch erforderlich, die Richtigkeit eines Jahresabschlusses der Antragsgegnerin zu 2 zu überprüfen. Das Informationsrecht des Antragstellers aus § 166 Abs. 1 HGB ist deshalb hier nicht verletzt worden.

Mangels eines wichtigen Grundes für die vom Antragsteller begehrten Informationen kommen auch sonstige mögliche Rechtsgrundlagen für die vom Antragsteller begehrte Entscheidung nicht zum Tragen. Auch soweit in Rechtsprechung und Literatur ein allgemeines Informationsrecht des Kommanditisten außerhalb von § 166 HGB anerkannt wird (vgl. dazu Baumbach/Hopt § 166 Rn. 11; Schlegelberger/Martens § 166 Rn. 17 ff.; Binz § 7 Rn. 78 ff.), ist daran festzuhalten, dass das "Sonderverfahren" nach § 166 Abs. 3 HGB i.V.m. § 145 FGG in jedem Falle einen "wichtigen Grund" voraussetzt (vgl. Baumbach/Hopt § 166 Rn. 14).

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (vgl. Bassenge/ Herbst § 27 FGG Rn. 31 i.V.m. § 25 FGG Rn. 13).

Der Geschäftswert folgt aus §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 KostO.

Ende der Entscheidung

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