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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 01.10.2003
Aktenzeichen: 3Z BR 161/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1835 Abs. 4
BGB § 1836a
Wird der Vergütungsantrag des Betreuers gegen die Staatskasse abgewiesen und später sein Anspruch gegen den Betroffenen bzw. dessen Erben festgesetzt, hindert die materielle Rechtskraft dieses Beschlusses nicht einen erneuten Festsetzungsantrag gegen die Staatskasse, soweit feststeht, dass der Anspruch des Betreuers aus dem Vermögen des Betroffenen bzw. dem Nachlass nicht mehr befriedigt werden kann. Voraussetzung ist aber, dass die fehlende Durchsetzbarkeit des Anspruchs gegen das vorrangig haftende private Vermögen nicht auf Gründen beruht, die der Betreuer zu vertreten hat.
Gründe:

I.

Die ehemalige Betreuerin (im Folgenden: Betreuerin) des am 27.12.2001 verstorbenen Betroffenen machte in fünf getrennten Anträgen Vergütung und Aufwendungsersatz für Tätigkeiten in den Jahren 2000 und 2001 sowie zu Beginn des Jahres 2002 gegen die Staatskasse geltend.

Mit vier Beschlüssen vom 14.8.2002 setzte das Vormundschaftsgericht Vergütung und Aufwendungen in der Gesamthöhe von 5.186,83 Euro - bis auf einige Kürzungen des Zeitaufwands und der entsprechenden Auslagen ganz überwiegend antragsgemäß - fest. Nicht verbeschieden wurde der fünfte Antrag vom 4.2.2002, mit dem zusätzliche Vergütung und Aufwendungsersatz in Höhe von 176,78 Euro verlangt wurde.

Nach Zustellung der Beschlüsse ging ein sechster Antrag der Betreuerin vom 17.8.2002 beim Amtsgericht ein, mit dem diese weitere Vergütung und Aufwendungsersatz in Höhe von 117,13 Euro geltend machte.

Gegen die Festsetzungsbeschlüsse vom 14.8.2002 legte die Staatskasse (Beteiligter zu 1) sofortige Beschwerde ein mit der Begründung, der Freistaat Bayern (Fiskus, Beteiligter zu 2) als Erbe des Betroffenen verfüge aus dem Nachlass noch über ein Aktivvermögen von 15.338,76 Euro, das den maßgebenden Freibetrag von 1.652 Euro bei weitem übersteige. Die Betreuervergütung sei gegen den Erben festzusetzen und nicht gegen die Staatskasse.

Der Beteiligte zu 2 hatte zunächst mit Schreiben vom 27.9.2002 an das Landgericht erklärt, der Nachlass sei überschuldet, weshalb die Betreuervergütung nicht in voller Höhe aus dem Nachlassvermögen gezahlt werden könne. Mit weiterem Schreiben vom 22.10.2002 an das Landgericht teilte er jedoch mit, dass mit der beantragten Vergütung und dem Aufwendungsersatz Einverständnis bestehe und führte wörtlich aus: "Der Auslagenersatz und die Betreuervergütung können aus dem Nachlass gezahlt werden."

Am 28.10.2002 hob das Landgericht die Festsetzungsbeschlüsse des Vormundschaftsgerichts auf. Der Betroffene sei zum Todeszeitpunkt unter Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht als mittellos anzusehen, weil Aktivvermögen in der von der Beschwerdebegründung genannten Größenordnung vorlag. Mögliche Rückgriffsansprüche des Sozialhilfeträgers, die noch nicht einmal durch Leistungsbescheid festgesetzt worden seien, schmälerten das Aktivvermögen nicht. Die Ansprüche der Betreuerin seien daher gegen den Beteiligten zu 2 als Erben festzusetzen.

Mit Beschluss vom 29.11.2002 bewilligte das Vormundschaftsgericht wiederum Vergütung und Aufwendungsersatz in der Gesamthöhe von 5.186,83 Euro. Der Begründung des Beschlusses ist zu entnehmen, dass Schuldner dieses Betrages der Beteiligte zu 2 als Erbe des Betroffenen sei.

Mit Schreiben vom 30.1.2003 teilte der Beteiligte zu 2 der ehemaligen Betreuerin mit, dass sämtliche Gläubiger einer quotalen Verteilung des Nachlasses zugestimmt hätten. Nach Abzug der Verwaltungskosten seien 22.384,81 Euro zu verteilen, denen Gesamtforderungen von 54.411,13 Euro gegenüberstünden. "Bezogen auf die geltend gemachte Forderung" betrage die Quote der ehemaligen Betreuerin 10,14 %. Das entspreche einem Auszahlungsbetrag von 2.269,82 Euro. Im Übrigen werde die Einrede der Unzulänglichkeit des Nachlasses erhoben.

Der in dem Schreiben genannte Betrag wurde in der Folgezeit an die Betreuerin überwiesen.

Diese beantragte am 8.2.2003, ihr die Differenz zwischen der geltend gemachten Gesamtforderung (also dem festgesetzten Betrag sowie der Beträge aus den beiden bisher nicht berücksichtigten Anträgen) und dem aus dem Nachlass bezahlten Betrag aus der Staatskasse zu zahlen.

Auf schriftliche Frage des Vormundschaftsgerichts teilte der Beteiligte zu 2 u.a. mit, dass die Betreuerin am 30.1.2003 telefonisch der quotalen Verteilung des Nachlasses zugestimmt habe.

Mit Beschluss vom 24.4.2003 wies das Vormundschaftsgericht den Vergütungsantrag zurück. Soweit der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Entschädigung und der von dem Beteiligten zu 2 überwiesenen Erstattung aus dem Nachlass verlangt werde, sei der Antrag unzulässig. Eine Abänderung der Festsetzung vom 29.11.2002 gegen den Nachlass sei nicht möglich, da der Beschluss gem. § 18 Abs. 2 FGG rechtskräftig sei.

Er sei aber auch unbegründet. Die Betreuerin habe nicht das ihr Zumutbare unternommen, um ihren rechtskräftig festgestellten Vergütungsantrag gegen den Nachlass, z.B. durch Kontenpfändung, durchzusetzen. Vielmehr habe sie gegenüber dem Erben einer quotalen Verteilung des vorhandenen Nachlasses zugestimmt und "damit auf weitere Ansprüche verzichtet". Zu einer derartigen Zustimmung habe auch kein Anlass bestanden, da die höchste Nachlassverbindlichkeit, ein Rückgriffsanspruch des Sozialhilfeträgers über 35.102,37 Euro, noch nicht durch Leistungsbescheid festgesetzt und daher auch noch nicht fällig gewesen sei. Sie habe daher als nachrangig gegenüber der Betreuervergütung behandelt werden müssen.

Die Ansprüche aus den beiden weiteren Vergütungsanträgen vom 4.2.2002 und vom 17.8.2002 seien wegen dieser Zustimmung ebenfalls unbegründet. Im Übrigen sei Zeitaufwand der Betreuerin nach dem Tod des Betroffenen nur unter bestimmten Voraussetzungen vergütungsfähig.

Mit der hiergegen eingelegten sofortigen Beschwerde machte die Betreuerin geltend: Die in den beiden nicht berücksichtigten Vergütungsanträgen genannten Tätigkeiten habe sie auf ausdrückliches Ersuchen des zuständigen Rechtspflegers ausgeführt. Da der Betroffene keine Angehörigen hatte, seien zahlreiche Anfragen von Nachlassgericht, Behörden usw. an sie gerichtet worden. Ihr telefonisches Einverständnis mit der quotalen Befriedigung aus dem Nachlass habe sie nur abgegeben im Hinblick auf die Erklärung des zuständigen Bearbeiters des Beteiligten zu 2, dass andernfalls ein Insolvenzverfahren durchgeführt werden müsse und die hierbei entstehenden Kosten ihre Vergütung noch weiter schmälern könnten.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 18.6.2003 die sofortige Beschwerde zurückgewiesen und die sofortige weitere Beschwerde zugelassen.

Mit ihrem Rechtsmittel verfolgt die Betreuerin ihre Ansprüche gegen die Staatskasse weiter.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und vom Landgericht zugelassen.

Sie ist auch begründet.

1. Das Landgericht hat in seiner Entscheidung ausgeführt:

Es schließe sich in vollem Umfang der Begründung des Amtsgerichts an. Die Zustimmung der Betreuerin zu der quotalen Verteilung des Nachlasses schließe weitere Ansprüche gegen die Staatskasse aus, auf die Gründe für ihre Zustimmung komme es nicht an.

Deswegen stehe ihr auch kein Anspruch hinsichtlich der beiden noch nicht verbeschiedenen Vergütungsanträge zu; die Behauptung auf Weisung des Vormundschaftsgerichts gehandelt zu haben, sei unerheblich.

2. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) nicht stand. Das Vormundschaftsgericht hat am 29.11.2002 entschieden, dass Aufwendungsersatz und Vergütung der Betreuerin aus dem Nachlass und nicht aus der Staatskasse zu zahlen seien. Dies steht, entgegen der Auffassung des Landgerichts, hier einer erneuten Sachentscheidung über die genannten Ansprüche nicht entgegen.

a) Die Entscheidung des Landgerichts vom 28.10.2002, mit der der Betreuerin eine Entschädigung aus der Staatskasse versagt wurde, ist rechtskräftig. Sie ist in formelle Rechtskraft erwachsen, nachdem gegen den Beschluss des Landgerichts, mit der die sofortige Beschwerde zurückgewiesen wurde, kein weiteres Rechtsmittel eingelegt wurde. Die Entscheidung ist auch der materiellen Rechtskraft im Sinne des § 322 Abs. 1 ZPO fähig, weil das Verfahren auf Festsetzung der Entschädigung des Betreuers den echten Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit in ihrem Wesen sehr nahe kommt. Es wird in der Regel auf Antrag eingeleitet und in ihm wird über Grund und Höhe des Anspruchs entschieden (vgl. BayObLG FamRZ 1998, 1055 zur Entscheidung über die Bewilligung oder Ablehnung einer pauschalen Aufwandsentschädigung des ehrenamtlichen Betreuers aus der Staatskasse; Keidel/Engelhardt FGG 15.Aufl. § 56g FGG Rn. 18).

b) Im Regelfall steht die materielle Rechtskraft einer formell rechtskräftigen Entscheidung über die Bewilligung oder Ablehnung einer Entschädigung des Betreuers einer Zweitentscheidung in einem weiteren Verfahren zwischen denselben Beteiligten über denselben Verfahrensgegenstand entgegen (Keidel/Engelhardt aaO). Allerdings werden bei veränderten Umständen für bestimmte Fallgruppen Ausnahmen von der Sperrwirkung der materiellen Rechtskraft zugelassen (vgl. Keidel/Schmidt § 18 Rn. 24 ff.). Neben Fällen, in denen dies ausdrücklich spezialgesetzlich geregelt ist, wird namentlich bei Verfügungen mit Dauerwirkung eine Änderungsmöglichkeit infolge neuer Tatsachen in einem weiteren Verfahren anerkannt (Keidel/Schmidt aaO Rn. 28 ff). Darüber hinaus ist im Zivilprozess anerkannt, dass der materiellen Rechtskraft zeitliche Grenzen gesetzt sind. Insbesondere kann auch bei identischem Streitgegenstand ein aberkannter Anspruch durch neue Tatsachen, die sich nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens ergeben, nachträglich begründet werden (vgl. Zöller/Vollkommer ZPO 23.Aufl. Vor § 322 Rn. 57). Diese Grenze der Rechtskraft kann auch in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit Gültigkeit beanspruchen (Keidel/Zimmermann § 31 Rn. 22b).

c) Nach Auffassung des Senats besteht bei Ablehnung einer Entschädigung des Betreuers aus der Staatskasse mit der Begründung, der Betroffene sei nicht mittellos, nach Sinn und Zweck der materiell- und verfahrensrechtlichen Regelungen zur Entschädigung von Betreuern eine zeitliche Grenze der materiellen Rechtskraft, wenn sich die ursprüngliche Prognose, der Betreuer werde den festgesetzten Betrag aus dem privaten Vermögen erhalten, als nicht zutreffend erweist.

aa) Zieht der Staat einen berufsmäßigen Betreuer heran, hat er auch die Verpflichtung, diesem die ihm gesetzlich zustehende Entschädigung zu gewährleisten (vgl. grundlegend zum aus § 12 Abs. 1 GG abzuleitenden Vergütungsanspruch des Berufsvormunds BVerfGE 54, 251 = NJW 1980, 350), d.h. die Erstattung der zum Zweck der Betreuung gemachten Aufwendungen und die Entlohnung sicherzustellen (BayObLGZ 1997, 301/303; BayObLG NJW-RR 2003, 1306). Zwar ist diese Einstandspflicht nur subsidiär, der Betreuer kann darauf verwiesen werden, seine Ansprüche auf Aufwendungsersatz und Vergütung zunächst aus dem Vermögen des Betreuten bzw. dem Nachlass zu befriedigen. Sie kommt aber zum Tragen, wenn der Betreuer aus nicht von ihm zu vertretenden Gründen seine Forderungen ganz oder teilweise nicht (mehr) gegen das Privatvermögen durchsetzen kann. Dabei kommt es nach dem Sinn und Zweck dieser subsidiären Einstandspflicht nicht darauf an, ob der Betreuer, etwa in Form einer Festsetzung gegen den Betroffenen, bereits einen rechtskräftigen Titel über seinen Anspruch in der Hand hat oder nicht. Entscheidend ist, dass er aufgrund der staatlichen Beauftragung letztlich nicht ohne Entschädigung bleiben darf. So kann im Einzelfall die gerichtliche Annahme, es sei ausreichendes Vermögen vorhanden, von vornherein unzutreffend sein, etwa weil das Gericht von Dritten, z.B. dem nunmehrigen Betreuer oder auch dem Erben, unzutreffend informiert worden war. Die zunächst bestehende Befriedigungsmöglichkeit kann aber auch nachträglich entfallen, z.B. dadurch, dass der für die Verwaltung des Vermögens oder des Nachlasses Verantwortliche Ansprüche Dritter erfüllt und der Betreuer mit seinem Titel entweder überhaupt nicht mehr oder nur noch zu einem Teil zum Zuge kommt.

bb) Nach der gesetzlichen Regelung hängt der Anspruch des Betreuers gegen die Staatskasse von der Mittellosigkeit des Betroffenen ab (§ 1835 Abs. 4, § 1835a Abs. 3, § 1836a BGB). Dadurch wird auch abgegrenzt, ob der Betreuer seinen Anspruch gegen den Betroffenen durchsetzen muss oder gegen die Staatskasse. Das Gesetz äußert sich aber nicht dazu, wann die Mittellosigkeit vorliegen muss. Vielmehr ist diese Teil des Tatbestands, aus dem der (subsidiäre) Anspruch gegen die Staatskasse hergeleitet wird. Daher ist es nach dem Gesetzeswortlaut nicht ausgeschlossen, den Anspruch gegen die Staatskasse auch noch dann zu erheben, wenn bereits eine Festsetzung gegen den Betroffenen vorliegt. Auch kann der Betreuer nach den Grundsätzen zu den zeitlichen Grenzen der Rechtskraft ein zweites Verfahren gegen die Staatskasse einleiten, wenn ein erstes Verfahren mangels Mittellosigkeit zu einer rechtskräftigen Verneinung des Anspruchs geführt hat, nachträglich aber Mittellosigkeit gegeben ist.

Der Zweck der materiellen Rechtskraft liegt darin, im Sinne des Rechtsfriedens einen abgeschlossenen Lebenssachverhalt, über den eine formell nicht mehr angreifbare Entscheidung ergangen ist, nicht in einem gleichartigen Zweitverfahren bei unveränderter Sachlage erneut zum Gegenstand eines Streites zwischen den Parteien bzw. Beteiligten werden zu lassen (vgl. Stein/Jonas/Leipold ZPO 21.Aufl., § 322 Rn. 22 m.w.N., MünchKomm-ZPO/Gottwald 2.Aufl.§ 322 Rn. 79). Die materielle Rechtskraft wirkt aber nur solange, wie sich diejenigen Umstände, die für die in der früheren Entscheidung ausgesprochene Rechtsfolge als maßgeblich angesehen wurden, nicht geändert haben (vgl. BGH NJW 1984, 126/127 zu IIb der Gründe; BAGE 82, 291 = BB 1996, 2469 m.w.N.; Zöller/Vollkommer, ZPO 23.Aufl. vor § 322 Rn. 53 m.w.N.). Deshalb kann ein Anspruch, der zunächst als unbegründet abgelehnt wurde, auch bei identischem Streitgegenstand durch eine spätere Änderung der Umstände nachträglich begründet werden; die materielle Rechtskraft steht dann einem erneuten Verfahren nicht entgegen (BGHZ 37, 375/377 f. für den vergleichbaren Fall des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB; Zöller/Vollkommer aaO Rn. 57 mit zahlreichen Beispielen).

Nach diesen Grundsätzen ist ein erneutes Verfahren gegen die Staatskasse jedenfalls dann zulässig, wenn der Betroffene erst nach der Entscheidung über den Anspruch aus der Staatskasse mittellos wird. Denn dann ist ein neuer Umstand hinzugetreten, der nunmehr eine bisher fehlende Voraussetzung des Anspruchs, die Mittellosigkeit, als gegeben erscheinen lässt.

Aufgrund einer weiteren Überlegung muss ein zweites Verfahren gegen die Staatskasse stets dann zulässig sein, wenn sich nach rechtskräftiger erster Ablehnung des Anspruchs mangels Mittellosigkeit in dem anschließend eingeleiteten Verfahren um Entschädigung aus dem Vermögen den Betreuten (zur Trennung beider Verfahren vgl. BayObLGZ 2000, 201) herausstellt, dass der Betroffene bzw. sein Nachlass nicht über ausreichendes Vermögen verfügt, um die Betreuerforderung zu erfüllen, sei es von Anfang an, sei es aufgrund späterer Veränderungen. Denn in dem Verfahren gegen den Betroffenen ist die Frage der Mittellosigkeit gesondert zu prüfen (BayObLGZ aaO S. 202), wobei ein anderer Zeitpunkt maßgebend ist. Es würde gegen den oben dargestellten Grundsatz der Sicherung der Entschädigung eines Berufsbetreuers verstoßen, wenn diesem letztlich ein Anspruch sowohl gegen den Betroffenen wie auch gegen die Staatskasse verwehrt würde.

Die Aussage des Gerichts in einem Verfahren gegen die Staatskasse, es sei hinreichendes Vermögen zur Befriedigung der Ansprüche des Betreuers vorhanden, erweist sich deshalb letztlich als Prognose. Sie beruht auf der Erwartung, dass der Betreuer seine Entschädigung aus dem Vermögen des Betroffenen oder aus dessen Nachlass realisieren könne, und betrifft im Hinblick auf dieses Prognoseelement keinen vollständig abgeschlossenen Sachverhalt. Stellt sich die Erwartung später als unzutreffend heraus, ohne dass dies der Betreuer vor oder nach der Festsetzung zu vertreten hat, ist es dem Betreuer im Hinblick auf die zeitlichen Grenzen der Rechtskraft der Erstentscheidung nicht verwehrt, nunmehr in einem Zweitverfahren seinen Entschädigungsanspruch gegen die Staatskasse zu verfolgen.

cc) Hierfür spricht auch die Rechtslage im umgekehrten Fall, in dem der Betreute nachträglich zu hinreichendem Einkommen oder Vermögen gelangt. Die Staatskasse, die den Betreuer befriedigt hat, kann sich dann im Wege des Anspruchsüberganges nach § 1836e BGB an den Betroffenen oder dessen Erben halten. Das hinzuerworbene Vermögen steht nach Maßgabe dieser Vorschrift - ebenso wie im Erbfall unter weitgehendem Wegfall von vorher zugunsten des Betroffenen geltenden Schonbestimmungen - dem Zugriff der Staatskasse offen. Es wäre eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung, wollte man im hier gegebenen Fall der Verminderung oder des Wegfalls des Privatvermögens subsidiäre Ansprüche des Betreuers gegen die Staatskasse unter Berufung auf die im Einzelfall vorliegende ablehnende Gerichtsentscheidung ausschließen, obwohl er seinen primären Anspruch gegen den Betroffenen aus tatsächlichen, zum Zeitpunkt der Entscheidung unvorhersehbaren Gründen nicht durchsetzen konnte.

dd) Ein solcher Zweitantrag zur Festsetzung der Entschädigung gegen die Staatskasse darf aber nicht dazu führen, dass der anspruchstellende Betreuer sehenden Auges einen Verfall des haftenden Privatvermögens in Kauf nimmt und sich erst dann erneut an die Staatskasse wendet, um deren sekundäre Haftung einzufordern. Deshalb kann ein Zweitantrag nur dann zum Erfolg führen, wenn der Betreuer seinerseits das ihm Mögliche und Zumutbare getan hat, um seinen Vergütungsanspruch gegen den Betreuten oder dessen Nachlass durchzusetzen (vgl. BayObLG NJW-RR 2003, 1305/1306). Insbesondere muss er den einmal festgesetzten Anspruch in angemessener Zeit geltend machen, wozu auch die Vollstreckung in ihm bekannte Vermögensgegenstände oder Forderungen, z.B. Konten des Betroffenen oder seines Nachlasses, gehören kann. Freilich wird man die zeitliche Grenze hierfür nicht zu eng ziehen können. Maßgebend sind stets die Umstände des Einzelfalles. So wird man von einem Betreuer, der die drohende Überschuldung des Privatvermögens kennt, größere Anstrengungen zu alsbaldiger Rechtsverfolgung erwarten müssen als von einem Anspruchsteller, der keine Anhaltspunkte für einen bereits im Gang befindlichen Gläubigerwettlauf hat. Auch wird man an einen Rechtsanwalt als Gläubiger der Vergütungsforderung höhere Anforderungen stellen können als an einen weniger gewandten und rechtlich unerfahrenen Betreuer. Ob eine Verletzung dieser Obliegenheiten stets zur Unzulässigkeit des Zweitantrags führt, sei es wegen entgegenstehender Rechtskraft oder weil hierfür ein Rechtsschutzbedürfnis fehlt, oder ob sie unter Umständen nur im Rahmen der Begründetheitsprüfung zu berücksichtigen ist, braucht der Senat vorliegend nicht zu entscheiden.

ee) Der Umstand, dass der Entschädigungsanspruch bereits gegen den Nachlass rechtskräftig festgesetzt ist (vgl. § 56g Abs. 6 FGG), steht nicht entgegen. Mit der Befriedigung des Anspruchs aus dem Vermögen des Betreuten geht der so festgesetzte Anspruch auf die Staatskasse über (§ 1836e Abs. 1 Satz 1 BGB). Dies kann der Verpflichtete geltend machen, falls der Betreuer versuchen sollte, aus dem Titel zu vollstrecken (§ 56g Abs. 6 FGG, § 767 Abs. 1 ZPO; vgl. Zöller/Herget § 767 Rn. 12 "Gläubigerwechsel").

3. Bei Anwendung dieser Maßstäbe ist es, anders als von den Vorinstanzen angenommen, im vorliegenden Fall der Betreuerin nicht schon aus Rechtsgründen verwehrt, erneut einen Vergütungsantrag gegen die Staatskasse zu stellen. Nachlass, aus dem die Entschädigungsansprüche befriedigt werden könnten, ist nicht mehr vorhanden. Der Betreuerin hat auch den Umstand, dass sie ihre Entschädigung bisher nicht vollständig erhalten hat, nicht zu vertreten. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass sie aufgrund der Erklärungen des Beteiligten zu 2 auf die ordnungsgemäße Befriedigung ihrer Ansprüche durch diesen Beteiligten als Verwalter des haftenden Vermögens vertrauen durfte.

a) Zum Zeitpunkt der Festsetzung lag eine ausdrückliche Erklärung des Beteiligten zu 2 vor, dass das Nachlassvermögen ausreichen werde, um die für berechtigt gehaltenen Ansprüche der Betreuerin zu erfüllen. Dies war der Betreuerin bekannt. Das Vormundschaftsgericht, das daraufhin nach Aufhebung seiner Erstentscheidung durch das Landgericht die Vergütung festsetzte, durfte annehmen, dass die Betreuerin ihre Forderung in vollem Umfang aus dem von dem Beteiligten zu 2 verwalteten Vermögen erhalten werde.

b) Zwischen der Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses Anfang Dezember 2002 und der Kontaktaufnahme der Betreuerin mit dem Beteiligten zu 2 lagen weniger als zwei Monate. Nachdem die Betreuerin teilweise bereits deutlich mehr als ein Jahr auf die Festsetzung und Erfüllung ihrer Vergütungs- und Aufwendungsersatzansprüche gewartet hatte und aufgrund der Erklärung des Beteiligten zu 2 im Vorverfahren annehmen durfte, nunmehr ohne weitere rechtliche oder tatsächliche Hindernisse den festgesetzten Betrag ausgezahlt zu erhalten, kann ihr keinesfalls angelastet werden, dass sie nicht unverzüglich ihren Anspruch mit Pfändungsmaßnahmen gegen eine staatliche Behörde beigetrieben hat.

c) Auch der "Verzicht" auf vollständige Befriedigung, den die Betreuerin in dem Telefongespräch vom 30.1.2003 mit dem Sachbearbeiter der Beteiligten zu 2 ausgesprochen haben soll, steht einer (erneuten) Inanspruchnahme der Staatskasse nicht entgegen.

aa) Der genaue Inhalt der nur mündlich abgegebenen Erklärung der Betreuerin steht nicht fest. Auch hat der Beteiligte zu 2 der Darstellung der Betreuerin widersprochen, in dem Telefongespräch zur Zustimmung zu einer lediglichen quotalen Befriedigung gedrängt worden zu sein.

bb) Dieser Inhalt kann jedoch dahinstehen. Selbst wenn man der unstrittig dem Grunde nach abgegebenen Zustimmung der Betreuerin zu der von der Beteiligten zu 2 vorgeschlagenen anteiligen Erfüllung aller Gläubigerforderungen den Erklärungswert eines "Verzichts" beimisst, kann dieser bei dem hier gegebenen Erkenntnisstand allenfalls auf den Erklärungsempfänger, den Beteiligten zu 2, und das von ihm verwaltete Vermögen bezogen werden. Anhaltspunkte dafür, dass die mündliche Äußerung der Betreuerin zugleich den objektiven Erklärungswert hatte, auch auf eine subsidiäre Haftung der Staatskasse zu verzichten, sind nicht ersichtlich. Diese Frage ist nach dem Vorbringen der beiden Beteiligten, von dem der Senat ausgeht, in dem Telefongespräch am 30.1.2003 mit dem Sachbearbeiter des Beteiligten zu 2 nicht erörtert worden. Auch in dessen am selben Tag verfassten Bestätigungsschreiben wird dieser Punkt nicht angesprochen. Dass die Betreuerin offenbar selbst nicht die Vorstellung hatte, eine schon objektiv als solche zu verstehende Verzichtserklärung auch gegenüber der Staatskasse abgegeben zu haben, belegt der Umstand, dass sie bereits am 8.2.2003 wiederum ihre Restforderung gegenüber dem Vormundschaftsgericht geltend machte.

cc) Es kann dahinstehen, in welchen Fällen ein freiwilliger Verzicht des Betreuers auf festgesetzte Entschädigungsansprüche gegenüber einem Dritten, insbesondere dem Betroffenen oder dessen Vertreter, zum Ausschluss der subsidiären Haftung der Staatskasse führt. Im vorliegenden Fall scheidet die Berücksichtigung des Verzichts schon deshalb aus, weil beide Beteiligte für den Freistaat Bayern handelten. Dieser verhielte sich widersprüchlich und verstieße damit gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), wenn er sich nunmehr auf einen solchen Verzicht berufen wollte. Die Betreuerin hat von Anfang an klar gemacht, dass sie dringend auf die von ihr beanspruchte Vergütung angewiesen ist. Wie sich aus den Akten ergibt, sind mehrere der nunmehr streitgegenständlichen Vergütungsanträge über Monate hinweg nicht bearbeitet worden. Der Antrag auf Festsetzung gegen die Staatskasse wurde abgelehnt, weil der Beteiligte zu 2 unmissverständlich erklärt hatte, Auslagenersatz und Betreuervergütung würden aus dem Nachlass beglichen werden. Die Betroffene konnte und musste daher davon ausgehen, dass sie nach Festsetzung der Entschädigung gegen den Nachlass nunmehr den festgesetzten Betrag alsbald und ungeschmälert vom Freistaat Bayern erhalten werde. Wenn ihr unter diesen Umständen ein Bediensteter des Beteiligten zu 2, insoweit ist der Sachverhalt unbestritten, in Vertretung des Freistaats Bayern vorschlug, sich mit einer Quote aus dem Nachlass zufrieden zu geben, durfte sie damit rechnen, den Restbetrag anderweit vom Freistaat Bayern zu erhalten. Das gilt vor allem auch deshalb, weil sie, wenn sie Befriedigung aus dem Nachlass nicht hätte erlangen können, ohnehin Rückgriff gegen die Staatskasse hätte nehmen können, wie oben dargelegt wurde. Sollte der Vorschlag des Bediensteten des Beteiligten zu 2 im Hinblick auf den Nachrang des Rückgriffsanspruchs des Sozialhilfeträgers fehlerhaft gewesen sein, so spräche dies umso mehr für ein widersprüchliches und treuwidriges Verhalten. Es wäre für die Betreuerin, und nicht nur für sie, schlichtweg unverständlich, wenn sich der Freistaat nunmehr darauf berufen könnte, sie habe sich mit dem Vorschlag einverstanden erklärt und damit einen erheblichen Teil ihrer Ansprüche insgesamt verloren.

4. Auf dieser Grundlage ergibt sich hinsichtlich der verschiedenen Vergütungsanträge der Betreuerin Folgendes:

a) Die Ablehnung der Zahlung aus der Staatskasse des der Höhe nach unstrittigen Restbetrages der festgesetzten Betreuervergütung von 2.917,01 Euro - nachdem der ursprüngliche Betrag von 5.186,83 Euro durch Zahlung der Beteiligten zu 2 in Höhe von 2.269,82 Euro teilweise erfüllt wurde - konnte keinen Bestand haben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen waren insoweit aufzuheben. Der Senat konnte diesen Betrag selbst festsetzen, da insoweit weitere Ermittlungen nicht erforderlich sind.

b) Nicht gefolgt werden kann aber auch der Begründung des Landgerichts für die Zurückweisung der Beschwerde hinsichtlich der Forderungen der Betreuerin aus den Vergütungsanträgen vom 4.2.2002 und 17.8.2002. Nachdem diese nicht Gegenstand der Erstfestsetzung waren, stellt sich hierfür das Rechtskraftproblem von vornherein nicht. Die Annahme, die Betreuerin habe insoweit am 30.1.2003 eine Verzichtserklärung gegenüber der Beteiligten zu 2 ausgesprochen, obwohl diese Ansprüche bei der Festsetzung vom 29.11.2002 übergangen worden waren und deshalb überhaupt nicht gegenüber dem Nachlassvermögen geltend gemacht werden konnten, geht schon im Ansatzpunkt fehl.

Da die beiden Vergütungsanträge bisher sachlich nicht überprüft wurden, sieht der Senat davon ab, insoweit selbst eine Entscheidung zur Festsetzung zu treffen. Dies obliegt dem Vormundschaftsgericht, an das die Sache zur weiteren Entscheidung zurückzugeben war.



Ende der Entscheidung

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