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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 29.09.2004
Aktenzeichen: 3Z BR 163/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1835
BGB § 1836
1. Ob ein Berufsbetreuer für bestimmte Tätigkeiten Aufwendungsersatz und Vergütung verlangen kann, hängt davon ab, ob der Betreuer diese Tätigkeiten, unter Berücksichtigung der von ihm zu erwartenden Fähigkeiten und Kenntnisse, nach Art und Umfang aus seiner Sicht zur pflichtgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben für erforderlich halten durfte. Für pflichtwidriges Handeln kann mangels Erforderlichkeit weder Aufwendungsersatz noch Vergütung verlangt werden.

2. Ein Berufsbetreuer hat effizient und kostengünstig vorzugehen. Bankgeschäfte sind auf das notwendige Maß zu beschränken; zeitgemäße Kommunikationsmittel sind, soweit tunlich, zu benützen.


Gründe:

I.

Für die Betroffene besteht seit 7.10.1996 eine Betreuung. Deren Aufgabenkreis umfasst derzeit Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge sowie Regelung von Rechts- und Behördenangelegenheiten. Für den Bereich Vermögenssorge ist ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet.

Mit Schreiben vom 31.12.2003 beantragte die mit Beschluss des Amtsgerichts vom 29.8.2003 bestellte Betreuerin die Festsetzungen von Vergütung und Aufwendungsersatz in Höhe von insgesamt 1.468,70 EURO für den Zeitraum vom 5.8. bis 30.12.2003. In der beigefügten Tätigkeitsaufstellung finden sich 20 Fahrten zur Bank, wo die Betreuerin im Wesentlichen den Kontostand überprüfte, Auszüge mitnahm, das Taschengeld für die Betroffene abhob und Überweisungen tätigte. Für 15 dieser Fahrten setzte sie zwischen 20 und 70 Minuten (im Schnitt 40 Minuten) und eine Wegstrecke zwischen 5,7 und 6,7 Kilometern, gelegentlich noch eine geringe Parkgebühr, an. Bei fünf Fahrten, die anschließend zur Betroffenen führten, ist der auf den Bankbesuch entfallende Anteil nicht aufgeschlüsselt. Der Bezirksrevisor beanstandete die vor Betreuerbestellung liegenden Positionen. Auch meinte er, die Betreuerin hätte Online-Banking zur Minderung ihrer bankbezogenen Tätigkeit verwenden müssen. Das Amtsgericht strich 80 Minuten und 2,3 Wegkilometer, die für die Zeit vor der Bestellung angesetzt waren. Im Übrigen gab es aber dem Antrag der Betreuerin statt und setzte durch Beschluss vom 25.2.2004 einen von der Staatskasse zu erstattenden Betrag von 1.441,87 EURO fest. Hiergegen legte die Staatskasse sofortige Beschwerde ein. Das Landgericht hat diese am 4.6.2004 zurückgewiesen, wobei es allerdings unter Berücksichtigung der Umsatzsteuer, die von der Betreuerin nachträglich beantragt wurde, den festgesetzten Betrag auf 1.667,40 EURO abänderte. Gegen diese Entscheidung des Landgerichts richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Staatskasse.

II.

Die vom Landgericht zugelassene (§ 56g Abs. 5 Satz 2 FGG) sofortige (§ 28 Abs. 2 FGG) weitere Beschwerde führt zur Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

1. Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht die Erstbeschwerde als zulässig angesehen. Da der Bezirksrevisor mit Schreiben vom 7.4.2004 seinen Antrag auf festzusetzende 1.411,77 EURO berichtigte, betrug die Differenz zu dem vom Amtsgericht festgesetzten Betrag ab da lediglich 30,10 EURO. Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdewert (§ 56g Abs. 5 Satz 1 FGG), wie das Landgericht meint, erreicht ist. Jedenfalls hat das Amtsgericht die sofortige Beschwerde ausdrücklich und, wenngleich in der unterschriebenen Rechtsmittelbelehrung, in ausreichender Form (vgl. BayObLGZ 2003, 221) zugelassen.

2. In der Sache hat das Landgericht ausgeführt, es sei nicht zu erkennen, dass die Betreuerin gegen ihre Pflichten verstoßen habe. Der Umfang der getätigten Bankgeschäfte sei notwendig gewesen. Die Taschengeldabhebungen am 8.9., 6.10., 19.11. und 12.12. seien erforderlich und zwangsläufig mit einem persönlichen Besuch der Betreuerin bei der Bank verbunden gewesen. Eine Verpflichtung, das Online-Banking zu nutzen, bestehe nicht. Angesichts der Unsicherheiten dieser Anwendung stehe es im Ermessen des Betreuers, von ihr Gebrauch zu machen.

3. Dies hält der rechtlichen Überprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) nicht stand.

a) Aufwendungsersatz setzt voraus, dass der Betreuer seine Aufwendungen den Umständen nach für erforderlich halten durfte (§ 1908i Abs. 1 Satz 1, § 1835 Abs. 1 Satz 1, § 670 BGB). Auch für die Vergütung des Berufsbetreuers gilt, dass sie nur für solche Tätigkeiten gefordert werden kann, die der Betreuer zur pflichtgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben für erforderlich halten durfte.

aa) Gemäß § 1836 Abs. 2 BGB bestimmt sich die Höhe der Vergütung unter anderem nach dem Umfang der Betreuungsgeschäfte. Dem ist dadurch Rechnung zu tragen, dass der erforderliche Zeitaufwand mit den entsprechenden Stundensätzen abgegolten wird (BGH NJW 2000, 3709/3712). Für die aus der Staatskasse zu leistende Vergütung ergibt sich dies auch unmittelbar aus dem Gesetz, da nach § 1836b Satz 1 BGB nur "die für die Führung der vormundschaftlichen Geschäfte erforderliche Zeit" vergütungsfähig ist (vgl. auch § 1 Abs. 1 Satz 1 BVormVG).

Dabei ist es grundsätzlich Sache des Betreuers zu entscheiden, wie er seine Pflichten erfüllt. Auch kann das Risiko des Erfolgs einer Tätigkeit nicht zu Lasten des Betreuers gehen. Zu vergüten sind deshalb nicht nur Tätigkeiten, die sich unter Anlegung eines objektiven Maßstabs im Nachhinein als erforderlich darstellen. Vielmehr entspricht es der Stellung des Betreuers, ihn auch hinsichtlich seines Zeitaufwands nach den für einen Beauftragten geltenden Maßstäben (vgl. § 670 BGB) zu behandeln. Es kommt deshalb für die Beantwortung der Frage, ob eine Tätigkeit nach Art und Umfang zu vergüten ist, auch nach dem seit 1.1.1999 geltenden Recht darauf an, ob sie der Betreuer, unter Berücksichtigung der von ihm zu erwartenden Fähigkeiten und Kenntnisse, aus seiner Sicht zur pflichtgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben für erforderlich halten durfte (BayObLGZ 2001, 324/327, BayObLG BtPrax 2003, 130 m.w.N., § 670 BGB; zum früheren Recht BayObLGZ 1996, 47). Allerdings kann von einem Berufsbetreuer erwartet werden, dass er seine Tätigkeit professionell verrichtet, d.h. effizient handelt und, soweit er seine Aufgabe auf verschiedene Weise erfüllen kann, die kostengünstigere Lösung wählt.

bb) Nach diesen Grundsätzen kann der Betreuer für pflichtwidriges Handeln weder Aufwendungsersatz noch Vergütung beanspruchen, da er ein solches Handeln nicht für erforderlich halten darf. Eine Pflichtwidrigkeit liegt unter anderem vor, wenn der Betreuer den Rahmen dessen, was ein vernünftiger Mensch für zweckmäßig oder vertretbar hält, verletzt, wenn er also den ihm gegebenen Spielraum überschreitet oder missbraucht, z.B. sich von unsachlichen Erwägungen leiten lässt (vgl. BayObLG BtPrax 2004, 69). Ein Berufsbetreuer hat darüber hinaus effizient und kostengünstig vorzugehen. Bankgeschäfte sind auf das notwendige Maß zu beschränken; zeitgemäße Kommunikationsmittel sind, soweit tunlich, zu benützen (vgl. LG Koblenz JurBüro 2001, 602; AG Betzdorf FamRZ 2000, 981; AG Koblenz FamRZ 2003, 1872/1873).

cc) Die Frage, welche Zeit ein Betreuer zur pflichtgemäßen Wahrnehmung seiner Betreueraufgaben benötigt hat und deshalb im Grundsatz der Bemessung der Vergütung zugrunde zu legen ist, liegt auf tatsächlichem Gebiet. Bei der Feststellung der aufgewendeten Stundenzahl steht dem Tatrichter entsprechend § 287 ZPO ein Schätzungsermessen zu. Dagegen ist die Frage, ob der Betreuer den Zeitaufwand für erforderlich halten durfte (vgl. § 670 BGB), ebenso wie die Frage der Pflichtwidrigkeit seines Handelns (vgl. BayObLG BtPrax 2004, 69), eine im Verfahren der weiteren Beschwerde nachprüfbare Rechtsfrage. Dem Tatrichter ist allerdings ein Beurteilungsermessen eingeräumt, das im Verfahren der weiteren Beschwerde nur einer beschränkten Nachprüfung unterliegt (vgl. BayObLGZ 2001, 324/327), insbesondere dahin, ob der Tatrichter von ungenügenden oder verfahrenswidrig zustande gekommenen Feststellungen ausgegangen ist, wesentliche Umstände außer Betracht gelassen, der Bewertung relevanter Umstände unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt, von seinem Ermessen einen dem Sinn und Zweck des Gesetzes zuwider laufenden Gebrauch gemacht oder die Grenzen des Ermessens überschritten hat (vgl. BayObLG BtPrax 2003, 129).

b) Nach diesen Grundsätzen kann die angegriffene Entscheidung keinen Bestand haben, da das Landgericht in seine Würdigung nicht alle maßgeblichen Gesichtspunkte einbezogen hat.

aa) Der vorliegende Fall zeichnet sich dadurch aus, dass bei der von der Betreuerin gewählten Form der Kontoführung absehbar eine hohe Zahl teurer Bankkontakte erforderlich wurde. Die Betreuerin hat insgesamt den Zeitaufwand sowie die Fahrtspesen für 20 Besuche bei der Bank abgerechnet, im September sechs, im Oktober fünf, im November vier und im Dezember fünf. Die Betroffene bedurfte in Gelddingen, was für die Betreuerin alsbald offensichtlich war, engmaschiger Kontrolle. Ihr konnten jeweils nur begrenzte Beträge ausgezahlt werden, da sie nicht in der Lage ist, Geld, das sich in ihren Händen befindet, einzuteilen. Andererseits war angesichts des unregelmäßigen Eingangs von Zahlungen aus Unterhalt und der teils fristgebunden auszuführenden Überweisungen eine häufige Kontrolle des Kontostands notwendig. Dementsprechend diente ein erheblicher Teil der Besuche lediglich der Überprüfung des Kontostands bzw. der Abgabe von Überweisungen. Die Bankbesuche waren, wie die Betreuerin auch selbst vorträgt, mit einem besonders hohen Zeit- und Fahrtaufwand verbunden, entsprechend groß ist der durch sie verursachte finanzielle Aufwand (Vergütung, Fahrtspesen). Unter diesen Umständen musste es sich der Betreuerin aufdrängen, dass sie sich alsbald um eine möglichst effiziente und nach Möglichkeit billigere Form der Kontoüberwachung und -führung zu bemühen hatte. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Betreuerin in dieser Richtung tätig geworden wäre.

bb) Gleichwohl kann eine Kürzung des geltend gemachten Aufwands nur in Betracht kommen, wenn der Betreuerin eine solche Form der Kontoführung zur Verfügung stand. Deshalb und angesichts des Umstands, dass die zu tätigenden Bankgeschäfte ganz überwiegend sehr einfach waren, ist im vorliegenden Fall eine eingehendere Überprüfung anderer Möglichkeiten der Kontoführung geboten. Dabei ist zwar mit dem Landgericht davon auszugehen, dass der Betreuerin nur von den Banken angebotene, sichere und praktikable Methoden der Kontoführung zugemutet werden können. Ob solche Wege hier zur Verfügung standen, ist jedoch bisher nicht hinreichend geklärt. So wäre wohl die Erlangung eines Überblicks über den Kontostand und die Kontobewegungen mittels in kürzeren Abständen zugeschickter Auszüge möglich gewesen. Auch der Einsatz zeitgemäßer Kommunikationstechnologien hätte näherer Prüfung bedurft. Insbesondere hätte es nahe gelegen zu prüfen, ob die S.-Bank für das Konto der Betroffenen ein hinreichend sicheres Online- oder Telefon-Banking anbietet, oder ob wenigstens konkrete Absprachen mit dem zuständigen Sachbearbeiter der Bank zur Vermeidung unnötiger Fahrten (z.B. eine Absprache über telefonische Anfragen zum Kontostand) in Betracht gekommen wären. Ungeklärt ist schließlich, ob durch die Benutzung von Service-Terminals oder Geldautomaten zeitliche Einsparungen erzielbar gewesen wären.

cc) Ob zur Erschließung solcher Einsparmöglichkeiten die Bankverbindung gewechselt werden muss, hängt vom Einzelfall ab. Steht der Betreuerin die Vermögenssorge zu, und ist wie hier ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet, werden jedenfalls häufig die Belange der Betreuerin im Vordergrund stehen, sofern nicht ein besonderes Interesse des Betroffenen am Bestehen bleiben der bisherigen Bankverbindung gegeben ist. Auch die voraussichtliche Dauer der Betreuung kann bedeutsam sein.

c) Da der Senat die noch erforderlichen Ermittlungen nicht selbst vornehmen kann, ist die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.



Ende der Entscheidung

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