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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 18.10.2000
Aktenzeichen: 3Z BR 164/00
Rechtsgebiete: HGB, BGB


Vorschriften:

HGB § 161
BGB § 705
Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts kann als Kommanditistin in eine Kommanditgesellschaft eintreten (Vorlage an den Bundesgerichtshof wegen Abweichung von OLG Zweibrücken OLGZ 1982, 155).
BayObLG Beschluß

LG Aschaffenburg 2HK T 1/00; AG Aschaffenburg

3Z BR 164/00

18.10.00

BayObLGZ 2000 Nr.59

Der 3.Zivilsenlat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Dr. Schreieder und Dr. Nitsche

am 18.Oktober 2000

in der Handelsregistersache

auf die weitere Beschwerde der Beteiligten

beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Aschaffenburg vom 27.April 2000 wird dem Bundesgerichtshof- zur Entscheidung vorgelegt.

Gründe

I.

Im Handelsregister ist die X. GmbH & Co. KG eingetragen. Am 17.11.1999 meldete der Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin, diese auch handelnd für alle anderen Gesellschafter der Kommanditgesellschaft, zur Eintragung ins Handelsregister an, dass folgende Gesellschaften bürgerlichen Rechts in die Gesellschaft eingetreten seien: die aus den Herren A, B und C bestehende Gesellschaft mit einer Einlage von 25000 DM sowie die aus den Herren D und E bestehende Gesellschaft mit einer Einlage von 35000 DM. Das Registergericht wies die Anmeldung am 29.2.2000 zurück. Die vom Urkundsnotar eingelegte Beschwerde wies das Landgericht mit Beschluß vom 27.4.2000 zurück.. Hiergegen wendet sich der Urkundsnotar mit der weiteren Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig. Der Urkundsnotar, der beim Registergericht die Eintragung der Kommanditisten beantragt hat, konnte es formgültig einlegen (§ 29 Abs. 1 Satz 3 FGC). Seine Ermächtigung hierzu ergibt sich aus, § 129 FGG (vgl. Bassenge/Herbst FGG/RPfG 8. Aufl. § 129 Rn. 1, 2), da eine Verpflichtung zur Anmeldung neuer Gesellschafter besteht (§ 161 Abs. 2 i.V.m. § 107 HGB; vgl. Baumbach/Hopt HGB 30. Aufl. § 162 Rn. 1, § 108 Rn. 5). Die Gesellschafter sind beschwerdeberechtigt. (§ 20 Abs. 1 und 2 FGG).

Die weitere Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 FGG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt. Der Senat kann über sie nicht befinden, ohne von der im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf weitere Beschwerde ergangenen Entscheidung des Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 24.11.1981 - 3 W 93/81 - (OLGZ 1982, 155) abzuweichen.

1. Der Senat hält die weitere Beschwerde für begründet.

a) Das Landgericht hat seine Entscheidung unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Amtsgerichts damit begründet, dass eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft sein könne. Deren Gesellschafter müßten im Gegensatz zu den Mitgliedern einer juristischen Person im Handelsregister eingetragen werden. Ausschlaggebend sei, dass eine solche Gesellschaft nicht geschlossen als Einheit nach außen hin auftreten könne und dass wegen der fehlenden Registerpublizität die persönliche Haftung der einzelnen Gesellschafter nur mit Schwierigkeiten verwirklicht werden könne.

b) Dies hält nach Auffassung des Senats der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) nicht stand.

aa) Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts Gesellschafterin einer Personenhandelsgesellschaft sein kann, ist umstritten. Die Rechtsprechung hat sie bisher verneint (vgl. BGHZ 46, 291/296; BGH NJW-RR 1987, 416; WM 1990, 586/587; OLG Zweibrücken OLGZ 1982, 155). Auch im Schrifttum wird eine Gesellschafterstellung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts überwiegend abgelehnt (Baumbach/Hopt § 105 Rn. 29; Staub/Ulmer HGB 4.Aufl. § 105 Rn. 96; Happ/Brunkhorst Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Band 1 § 41 Rn. 32; Heymann/Emmerich HGB 2. Aufl. § 105 Rn. 46; Röhricht/von Gerkan HGB § 161 Rn. 18, § 105 Rn. 65; Koller/Roth/Morck HGB 2.Aufl. § 105 Rn. 19; Keidel/Stöber/Schmatz Registerrecht 5. Aufl. Rn. 283; Palandt/Sprau BGB 59. Aufl. § 705 Rn. 24). Die Gegenmeinung hält die Beteiligung jedenfalls einer Außengesellschaft bürgerlichen Rechts (K. Schmidt Gesellschaftsrecht 3.Aufl. § 45 I 2) an einer Personenhandelsgesellschaft für zulässig, sei es ohne wesentliche Einschränkungen (Schlegelberger/K.Schmidt HGB 5. Aufl. § 105 Rn. 67 ff.; Soergel/Hadding BGB 11.Aufl. § 718 Rn. 6; Erman/Westermann BGB 10.Aufl. § 705 Rn. 21; K.Schmidt Gesellschaftsrecht 3.Aufl. S.1306 ff; Brodersen Die Beteiligung der BGB-Gesellschaft an den Personenhandelsgesellschaften 1988; Klamroth BB 1983, 796/803), sei es beschränkt auf Gesellschaften mit einem bestimmten Typus (z.B. mit eigener Identitätsausstattung, Breuninger Die BGB-Gesellschaft als Rechtssubjekt im Wirtschaftsverkehr S.64 ff.), sei es beschränkt auf bestimmte Gesellschafterstellungen (Stellung als Kommanditist, Nachweise bei Schlegelberger/K. Schmidt aaO Rn. 71).

bb) Nach Auffassung des Senats können die (Außen-) Gesellschaften bürgerlichen Rechts, deren Eintragung als Gesellschafter hier begehrt wird, als Kommanditistinnen einer Personenhandelsgesellschaft beitreten.

(1) Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der auch der Senat folgt, kann eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, unabhängig von der Frage ihrer Rechts- oder Teilrechtsfähigkeit, als Teilnehmerin am Rechtsverkehr grundsätzlich jede Rechtsposition einnehmen, es sei denn, es stünden spezielle Rechtsvorschriften entgegen (vgl. nur BGHZ 1360 254/257; BGH NJW 1998, 376).. Unter anderem kann sie Mitglied einer juristischen Person oder deren Vorgesellschaft sein (vgl. für die Aktiengesellschaft BGHZ 118, 83; für die GmbH BGHZ 78, 311; für die Genossenschaft BGHZ 116, 86), ebenso aber auch Gesellschafterin einer anderen BGB-Gesellschaft (BGH NJW 1998, 376).

(2) Der Stellung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Kommanditistin stehen nach Auffassung des Senats derart spezielle Rechtsvorschriften nicht entgegen.

(a) Der Umstand, dass eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Rechtsverkehr keine spezielle Bezeichnung führen muß, stellt kein Hindernis dar. Bei der Eintragung einer solchen Gesellschaft als Gesellschafterin einer Personenhandelsgesellschaft können im Handelsregister, ähnlich wie im Grundbuch (vgl. § 47 GBO und BayObLGZ 1985, 212/213), die einzelnen Gesellschafter mit dem Zusatz "in Gesellschaft bürgerlichen Rechts" eingetragen werden (vgl. Schmidt, Gesellschaftsrecht S.1307; Breuninger aaO S.69; Klamroth aaO S.801). Damit sind im Grundsatz auch die BGB-Gesellschafter aus dem Handelsregister ersichtlich. Scheidet die Gesellschaft bürgerlichen Rechts aus der Personenhandelsgesellschaft aus, ist dies gemäß § 143 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1, § 162 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 HGB beim Handelsregister anzumelden und einzutragen.

(b) Die Schwierigkeiten, die sich aus der im Gesetz vorgesehenen Publizität der Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft ergeben (vgl. §§ 106, 107, 162 Abs. 1 und 3 HGB), wiegen nach Auffassung des Senats nicht so schwer, dass sie der Eintragung entgegenstünden.

Soweit diese Publizität der Offenlegung der Vertretungsverhältnisse für die Personenhandelsgesellschaft dient (vgl. § 125 HGB, insbesondere Absatz 4), ist dies für die Eintragung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Kommanditistin ohne Bedeutung, da dem Kommanditisten Vertretungsmacht kraft Gesetzes nicht zusteht (§ 170 HGB).

Die Publizität soll darüber hinaus außenstehenden Dritten die Möglichkeit geben, sich über die Zusammensetzung der Gesellschaft zu informieren und dadurch, unter Berücksichtigung der persönlichen Haftung der Gesellschafter (§§ 128, 171 ff. HGB), die Bonität der Gesellschaft abzuschätzen. Auch diesem Gesichtspunkt ist jedenfalls im wesentlichen Rechnung getragen, wenn eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Kommanditistin auftritt und diejenigen Personen, die im Zeitpunkt des Beitritts zu der Personenhandelsgesellschaft Gesellschafter sind, namentlich in das Handelsregister eingetragen werden.

Zwar ist zweifelhaft, ob in einem solchen Fall eine Pflicht besteht, einen Wechsel in der Zusammensetzung der Gesellschafter der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (Austritt, Eintritt, Übertragung der Gesellschafterstellung) zum Handelsregister anzumelden. Denn nicht die einzelnen Gesellschafter, sondern die Gesellschaft ist Gesellschafterin der Personenhandelsgesellschaft, so dass § 162 Abs. 3 HGB jedenfalls nicht unmittelbar angewendet werden kann. Immerhin ließe sich die Auffassung vertreten, dass sich aus dem Sinn und Zweck des Handelsregisters, das der Sicherheit des Rechtsverkehrs dient und die eingetragenen Rechtsverhältnisse zuverlässig wiedergeben soll (vgl. Röhricht/v.Westphalen/Ammon HGB § 8.Rn. 18), eine Pflicht zur Anmeldung der Änderung ergibt (vgl. auch ders. § 8 Rn. 23).

Verneint man eine solche Pflicht, so ist der herrschenden Meinung zuzugeben, dass das Registergericht keine Möglichkeit hat, etwaige Änderungen hinsichtlich der Gesellschafter der Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu überprüfen, da es für diese Gesellschaft kein öffentliches Register gibt. Diesen Folgen mangelnder Publizität kommt aber nach Auffassung des Senats keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Denn eine Gefährdung der Interessen der Gläubiger der Kommanditgesellschaft ist nicht zu befürchten. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts haftet im Hinblick auf § 128 HGB für die Verbindlichkeiten der Kommanditgesellschaft in dem in §§ 171 ff. HGB bestimmten Umfang. Für diese Verpflichtung haben auch die Gesellschafter der Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Gesamtschuldner einzustehen, und zwar ohne die Möglichkeit einer einseitigen Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen; die Haftung kann im Verhältnis zu den Gläubigern der Kommanditgesellschaft nur durch individualvertragliche Vereinbarung ausgeschlossen oder beschränkt werden (vgl. BGH NJW 1999, 3483;. siehe auch BGHZ 78, 311 und 118, 83/99 sowie Breuninger S.67).

Scheidet ein Gesellschafter der Gesellschaft bürgerlichen Rechts aus, so haftet er für bereits begründete Verbindlichkeiten weiterhin nach Maßgabe des § 736 Abs. 2 BGB. Die fünfjährige Enthaftungsfrist des § 736 Abs. 2 BGB, § 160 Abs. 1 HGB beginnt nach ganz herrschender Meinung erst mit der Kenntnis des Gläubigers von der Tatsache des Ausscheidens (Palandt/ Sprau § 736 Rn. 14; vgl. auch Altmeppen NJW 2000, 2529/2534). Schon aus diesem Grund muss das Ausscheiden als im Handelsregister eintragungsfähig angesehen werden. Der ausgeschiedene Gesellschafter wird dann schon im eigenen Interesse auf eine Eintragung seines Ausscheidens in das Handelsregister dringen. Eine Haftung für durch Rechtsgeschäft neu begründete Verbindlichkeiten dürfte sich nach Auffassung des Senats daraus herleiten lassen, dass der ausgeschiedene Gesellschafter durch das Fortbestehen der Eintragung nach außen den Rechtsschein erweckt, die Vertreter der Personenhandelsgesellschaft dürften auch ihn bindende Rechtsgeschäfte eingehen. § 15 HGB findet keine unmittelbare Anwendung, wenn die Tatsache des Ausscheidens nicht eintragungspflichtig ist. Dieser Vorschrift liegt aber der allgemeine Rechtsscheingedanke zugrunde (Baumbach/Hueck § 15 Rn. 3), aus dem auch hier eine Haftung hergeleitet werden kann (vgl. Klamroth BB 1983, 796/802).

Der Umstand, dass neue Gesellschafter der Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht zwingend in das Handelsregister eingetragen werden müssen, fällt nicht ausschlaggebend ins Gewicht. Der Drittgläubiger kann die eingetragenen (ehemaligen) Gesellschafter in Haftung nehmen. Entziehen sie sich dem durch Eintragung ihres Ausscheidens, wird aus dem Handelsregister die brüchige Haftungsgrundlage offensichtlich, wenn keine neuen Gesellschafter eingetragen werden. Damit ist dem der Registerpublizität zu Grunde liegenden Interesse derjenigen Personen, die in Geschäfte mit der Kommanditgesellschaft eintreten wollen, hinreichend Rechnung getragen.

(3) Geht man mit dem Senat davon aus, dass die Gesellschaft bürgerlichen Rechts Kommanditistin einer Personenhandelsgesellschaft sein kann, wird sie hinsichtlich ihrer Fähigkeit, Gesellschafterin zu sein, für alle Handelsgesellschaften und die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (vgl. BGH NJW 1998, 376) gleich behandelt. Dies steht in Einklang mit der weitgehenden Anerkennung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Rechtsverkehr, wie sie in der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, aber auch in der Gesetzgebung (vgl. § 11 Abs. 2 Nr.1 InsO) zum Ausdruck kommt.

(4) Für die vom Senat für zutreffend angesehene Auffassung spricht auch, dass dadurch Probleme vermieden werden, die auftreten können, wenn eine Personenhandelsgesellschaft, die Gesellschafterin einer anderen Personenhandelsgesellschaft ist, wegen veränderter Umstände zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts wird und damit nach der herrschenden Auffassung nicht mehr Gesellschafterin einer anderen Handelsgesellschaft sein kann (vgl. BGHZ 116, 86/89). Derartige Probleme ergeben sich im übrigen auch dann, wenn eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts Gesellschafterin einer anderen Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist, und diese kraft Gesetzes zu einer Personenhandelsgesellschaft wird (vgl. die Beispiele bei Baumbach/ Hopt § 105 Rn. 7). Auch in diesem Fall bleibt die Gesellschaft bürgerlichen Rechts mangels eines gesetzlichen Hinderungsgrundes ohne weiteres Gesellschafterin der (nunmehr) Personenhandelsgesellschaft.

2. Der Senat möchte der weiteren Beschwerde stattgeben. Dem steht die auf weitere Beschwerde ergangene Entscheidung des OLG Zweibrücken vom 24.11.1981 (OLGZ 1982, 155) entgegen, nach der eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts keinen Kommanditanteil halten kann.

Ende der Entscheidung

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