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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 13.12.2000
Aktenzeichen: 3Z BR 168/99
Rechtsgebiete: AktG
Vorschriften:
AktG § 306 |
BayObLG Beschluß
LG Nürnberg-Fürth 1 HKO 6730/89;
13.12.00
Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Dr. Schreieder und Dr. Nitsche am 13. Dezember 2000 in dem Spruchstellenverfahren hier: Kostenentscheidung und Festsetzung der Entschädigung der gemeinsamen Vertreter der nicht antragstellenden außenstehenden Aktionäre, des Gegenstandswerts für die anwaltliche Tätigkeit der Antragstellervertreter im Beschwerdeverfahren sowie des Geschäftswerts für beide Instanzen,
beschlossen:
Tenor:
I. Die Antragsgegnerinnen haben die Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren zu tragen und den Antragstellern die im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Kosten zu erstatten.
II. Die Vergütung der gemeinsamen Vertreter der nicht antragstellenden außenstehenden Aktionäre für den Ausgleich und für die Abfindung wird für das Beschwerdeverfahren auf jeweils 60000,-- DM einschließlich gesetzlicher Mehrwertsteuer festgesetzt.
III. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 100 Mio. DM, der des Verfahrens vor dem Landgericht in Abänderung des landgerichtlichen Beschlusses vom 22. April 1999 auf 50 Mio. DM festgesetzt.
IV. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit im Beschwerdeverfahren wird für die Antragsteller auf jeweils 6670000,-- DM festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsteller sind Aktionäre der Antragsgegnerin zu 1, die am 9.12.1989 einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit der Antragsgegnerin zu 2 geschlossen hat. Der Vertrag sah eine jährliche Ausgleichszahlung von 19,50 DM und eine Barabfindung von 500,-- DM jeweils je Aktie von nominal 50,-- DM vor.
Das Landgericht setzte mit Beschluss vom 22.4.1999 (AG 2000, 89) die Barabfindung auf 567,-- DM und den Ausgleich auf 19,80 DM für die Zeit vom 29.6.1989 bis 31.12.1993 sowie auf 21,70 DM danach fest. Den Geschäftswert bestimmte es mit 100 Mio. DM.
Die Antragsgegnerinnen legten gegen den Beschluss am 6.5.1999 sofortige Beschwerde ein. Dieser schlossen sich die Antragsteller zu 2, 3, 4, 6, 8, 10, 12, 13 und 14 nach Ablauf der Beschwerdefrist an. Mit Schriftsatz vom 13.4.2000 nahmen die Antragsgegnerinnen die am 16.2.2000 begründete sofortige Beschwerde zurück; letzteres hält der Antragsteller zu 15 für unzulässig, weil rechtsmißbräuchlich.
Der Antragsteller zu 15 legte gegen die landgerichtliche Entscheidung am 20.8.1999 sofortige Beschwerde ein. Nach Versagung von Wiedereinsetzung durch den Senat (NJW-RR 2000, 772) nahm er diese am 16.5.2000 zurück. Hilfsweise schloss er sich der sofortigen Beschwerde der Antragsgegnerinnen an.
II.
1. Es ist eine Kostenentscheidung zu treffen, da das Beschwerdeverfahren mit der Rücknahme der Beschwerden der Antragsgegnerinnen und des Antragstellers zu 15 abgeschlossen ist. Damit sind die zulässigen (BayObLG AG 1996, 127), unselbständigen Anschlußbeschwerden entsprechend § 577a Satz 2 ZPO wirkungslos geworden (Keidel/Kahl FGG 14. Aufl. § 22 Rn. 7c).
Die Rücknahme der sofortigen Beschwerde durch die Antragsgegnerinnen war wirksam.
a) Das Gesetz geht von der Zulässigkeit einer derartigen Vorgehensweise aus, wie § 306 Abs. 7 Satz 4 AktG zeigt.
b) Eine Zustimmung der anderen Beteiligten ist hier für eine Beschwerderücknahme nicht notwendig (vgl. BayObLGZ 1967, 286/288; Keidel/Kahl § 19 Rn. 108; Bassenge/Herbst FGG/RPflG 8. Aufl. Einl. vor § 1 FGG Rn. 116; Jansen FGG 2. Aufl. § 21 Rn. 15). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Rechtsgedanken des § 515 Abs. 1 ZPO. Dabei kann dahinstehen, ob diese Vorschrift entsprechend anzuwenden wäre (vgl. BGHZ 124, 305 für den Berufungsverzicht), weil im vorliegende n echten Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Interessenlage der Beteiligten mit der von Parteien im Zivilprozeß vergleichbar ist und die vorliegende Beschwerde Aufgaben wahrnimmt, für die im Zivilprozeß Berufung und Revision dienen. Jedenfalls hatte das Beschwerdeverfahren kein mit dem Beginn der mündlichen Verhandlung vergleichbares Verfahrensstadium erreicht, welches einen Anspruch auf Durchführung der Anschlußbeschwerden rechtfertigen würde.
c) Die Rücknahme der Beschwerde durch die Antragsgegnerinnen war auch nicht rechtsmißbräuchlich. Zwar kann die Rücknahme eines Rechtsmittels wie jede Verfahrenshandlung rechtsmißbräuchlich und damit unwirksam sein (vgl. etwa BGHZ 20, 198; 70, 365; BGH MDR 1997, 1164; OVG Lüneburg Nds.Rpfl. 1997, 186/187). Ein derartiger Ausnahmefall liegt aber nicht vor. Vielmehr ist das vorliegende echte Streitverfahren vom Interessengegensatz zwischen Antragsgegner- und Antragstellerseite gekennzeichnet. Deshalb ist die Durchführung der Beschwerde in die Disposition der Beteiligten gestellt. Es gibt zwar gesetzliche Einschränkungen der Wirkungen einer Antragsrücknahme (vgl. § 308 Abs. 3 Satz 1 UmwG i.V.m. § 306 Abs. 4 Satz 10 AktG). Diese zielen aber allein auf missbräuchliche Verfahrensbeendigung durch Antragsteller ab. Auch die allgemeine Treuepflicht gegenüber den Antragstellern als Aktionären geht nicht so weit, dass sie die Gesellschaft zur Durchführung eines Beschwerdeverfahrens ausschließlich im Interesse der Antragsteller verpflichten würde. Ferner sind auch Anhaltspunkte für ein widersprüchliches Verhalten der Antragsgegnerinnen nicht ersichtlich; insbesondere haben diese die Antragsteller nicht von der Einlegung einer selbständigen Beschwerde abgehalten.
2. Nach § 306 Abs. 7 Satz 7 AktG sind die Vertragsteile des Unternehmensvertrages Schuldner der Gerichtskosten. Das Verfahren hat keine Anhaltspunkte ergeben, dass die Kosten des Beschwerdeverfahrens ganz oder zu einem Teil einem anderen Beteiligten aus Billigkeitsgründen aufzuerlegen wären (§ 306 Abs. 7 Satz 8 AktG). Für die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens kommt § 13a Abs. 1 Satz 1 FGG i.V.m. § 306 Abs. 2, § 99 Abs. 1 AktG zur Anwendung (vgl. BayObLG AG 1996, 127/131 m.w.N.). Es entspricht der Billigkeit, dass die Antragsgegnerinnen, die ihre Beschwerden zurückgenommen haben, den Antragstellern deren notwendige Kosten erstatten.
III.
1. Im aktienrechtlichen Spruchstellenverfahren ist der Geschäftswert von Amts wegen festzusetzen (§ 306 Abs. 7 Satz 5 AktG). Er bestimmt sich nach § 30 Abs. 1 KostO (§ 306 Abs. 7 Satz 6 AktG). Danach ist der Wert in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit nach freiem Ermessen zu bestimmen, sofern er sich nicht aus den Vorschriften der Kostenordnung ergibt oder sonst feststeht. Im Spruchstellenverfahren wird daher der Geschäftswert nach freiem Ermessen bestimmt; § 30 Abs. 2 KostO, der den Wert auf höchstens 1 Mio. DM begrenzt, findet keine Anwendung (BayObLG AG 1999, 273 m.w.N.).
Für die Festsetzung des Geschäftswertes stellt die gerichtliche Praxis maßgeblich auf die Differenz ab, die zwischen unternehmensvertraglich angebotener und angemessener Leistung je Aktie besteht, vervielfacht mit der Gesamtzahl der Aktien, die außenstehende Aktionäre halten. Dieser rechnerisch ermittelte Wert dient aber lediglich als Ausgangspunkt und Maßstab für die Festsetzung, bei der im übrigen sämtliche Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen sind (BayObLG aaO).
Die Methode, auf die Differenz abzustellen, versagt, wenn die Anträge als unbegründet zurückgewiesen werden (vgl. OLG Düsseldorf AG 1999, 89/92; OLG Karlsruhe AG 1998, 141). In einem solchen Fall darf aber berücksichtigt werden, in welchem Umfang die Antragsteller eine Erhöhung erstrebt haben.
Nach § 306 Abs. 7 Satz 1 AktG gilt für das Spruchstellenverfahren die Kostenordnung. Nach § 18 Abs. 1 KostO werden die Gebühren nach dem Wert berechnet, den der Gegenstand des Geschäfts zum Zeitpunkt der Fälligkeit hat; mit der Beendigung des gebührenpflichtigen Geschäfts sind die Gebühren fällig (§ 7 KostO). Als maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung folgt daraus für das Spruchstellenverfahren der Erlaß des Beschlusses in der Hauptsache (vgl. BayObLG aaO) bzw. die Rücknahme der Beschwerde.
2. Im vorliegenden Fall geht der Senat entsprechend den glaubhaften Angaben der Antragsgegnerinnen davon aus, dass bei Erlaß des landgerichtlichen Beschlusses noch etwa 46000 Aktien außenstehender Gesellschafter vorhanden waren und im Hinblick auf 275000 Aktien bis dahin von der Möglichkeit der Abfindung Gebrauch gemacht worden war. Nicht zu berücksichtigen sind die von der Gesellschaft zwischen Vertragsabschluß und landgerichtlicher Entscheidung über die Börse erworbene Aktien. Bei der vom Landgericht zuerkannten Erhöhung der Abfindung pro Aktie um 67,-- DM macht dies (67,-- DM x 321000) etwa 21,5 Mio. DM aus.
Ferner darf nach Auffassung des Senats (BayObLG AG 1999, 273; a.A. OLG Düsseldorf AG 2000, 323/326) die zugesprochene Verzinsung der Barabfindung bis Ende 1994 nicht unberücksichtigt bleiben. Für die 46000 Aktien außenstehender Gesellschafter macht dies etwa 8,5 Mio. DM aus. Für die Aktionäre, die bis dahin eine Abfindung gewählt haben, bedeutet es rechnerisch - je nach dem Zeitpunkt der Annahme des Angebots - einen Betrag zwischen 6 Mio. DM und 51 Mio. DM. Da dieser Zeitpunkt nicht bekannt ist, aber regelmäßig eher zu Beginn des fraglichen Zeitraumes gelegen haben dürfte, schätzt der Senat diesen Betrag mit 20 Mio. DM.
Schließlich geht der Senat für die Schätzung des Geschäftswertes allein von der Barabfindung aus, da erfahrungsgemäß nach Abschluß eines Spruchstellenverfahrens nahezu sämtliche Aktionäre diese wählen.
Damit ist für das landgerichtliche Verfahren ein Geschäftswert von 50 Mio. DM angemessen.
3. Für das Beschwerdeverfahren geht der Senat, was die Zahl der außenstehenden bzw. gegen Abfindung erworbenen Aktien angeht, von den gleichen Verhältnissen aus. Anhaltspunkte dafür, dass sich seit der landgerichtlichen Entscheidung bis zur Einlegung und Rücknahme der Beschwerde der Antragsgegnerinnen insoweit spürbare Veränderungen ergeben haben könnten, sind nicht ersichtlich. Da die Beschwerde der Antragsgegnerinnen auf eine Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung dahin abzielte, die Anträge zurückzuweisen, ist nach dem oben Gesagten insoweit auch ein Geschäftswert von 50 Mio. DM anzusetzen. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die Antragsteller mit ihren Rechtsmitteln eine ganz wesentliche Erhöhung der Barabfindung erstrebten. Der Senat hält bei dieser Sachlage eine Verdoppelung des landgerichtlichen Geschäftswerts für das Beschwerdeverfahren auf 100 Mio. DM für eine angemessene Bewertung der Bedeutung des Beschwerdeverfahrens für die Beteiligten und die nicht antragstellenden Aktionäre.
IV.
Dieser Geschäftswert ist nach § 8 Abs, 1 Satz 1 j.V.m. § 9 Abs. 1 BRAGO auch für die Rechtsanwaltsgebühren maßgebend, soweit sich der Gegenstand der gerichtlichen Tätigkeit mit dem der anwaltlichen Tätigkeit deckt. Diese Deckungsgleichheit ist im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben, weil sich an dem Beschwerdeverfahren 15 Antragsteller beteiligt haben, deren Interessen nicht dem gesamten, für die Wertfestsetzung nach § 30 Abs. 1 KostO maßgebenden Geschäftsinteresse entsprechen. Unter diesen Umständen berechnen sich die Gebühren für die im Beschwerdeverfahren entfaltete anwaltliche Tätigkeit nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit ist vielmehr gemäß § 10 Abs. 1 BRAGO auf den von den Antragsgegnerinnen gestellten Antrag hin gesondert festzusetzen und errechnet sich in der Weise, dass der für die Bemessung der Gerichtsgebühren festgesetzte Geschäftswert auf die antragstellenden Aktionäre aufgeteilt wird (BGH AG 1999, 181; BayObLGZ 1991, 84/86, jeweils m.w.N.).
Eine angemessene anteilige Zurechnung sollte grundsätzlich nach dem prozentualen Verhältnis bemessen werden, in dem der Aktienbesitz des Einzelnen zu dem aller antragstellenden Aktionäre steht. Da diese Feststellung aber in der Regel auf erhebliche Schwierigkeiten stößt, ist es zweckmäßig und geboten, grundsätzlich eine Aufteilung nach Kopfteilen vorzunehmen (BGH aaO; BayObLG aaO). Dies führt für das Beschwerdeverfahren zu einem Wert des Gegenstandes der für die Antragsteller entfalteten Tätigkeiten von jeweils 6670000,-- DM.
V.
1. Die gemeinsamen Vertreter der außenstehenden Aktionäre für Abfindung und Ausgleich können gemäß § 306 Abs. 4 Satz 6 AktG von der Gesellschaft den Ersatz angemessener barer Auslagen und eine Vergütung für ihre Tätigkeit verlangen. Für die Festsetzung ist das Landgericht zuständig (§ 306 Abs. 4 Satz 7 AktG). Geht es wie hier um die Festsetzung der Vergütung für die Beschwerdeinstanz, ist nach allgemeinen Grundsätzen das Beschwerdegericht berufen, da keine festen Gebührensätze gegeben sind und die Leistung des gemeinsamen Vertreters in dieser Instanz beurteilt werden muß. Dabei können die Gebühren nach § 118 BRAGO lediglich ein Anhalt für die angemessene Vergütung sein. Entscheidend für die Höhe der Vergütung des gemeinsamen Vertreters sind der Umfang seiner Verantwortung, die von ihm geleistete Arbeit und deren Schwierigkeit, die Dauer des Verfahrens sowie die Verwertung besonderer Kenntnisse und Erfahrungen. Auszugehen ist von der Gesamtleistung, die der gemeinsame Vertreter erbracht hat, und ihrer wirtschaftlichen Bedeutung für die nicht antragstellenden, außenstehenden Aktionäre (vgl. BayObLG AG 1996, 183).
2. Im vorliegenden Fall ist jeweils eine Vergütung von 60000,-- DM angemessen. Zwar ist der Geschäftswert außergewöhnlich hoch. Jedoch war dieser für die Tätigkeit der Vertreter der außenstehenden Aktionäre im Beschwerdeverfahren nicht prägend und daher kein geeigneter Maßstab. Vielmehr war das Verfahren dadurch gekennzeichnet, dass die Antragsgegnerinnen ihre Beschwerde kurze Zeit nach Beschwerdebegründung zurücknahmen. Daher war der von den Vertretern der außenstehenden Aktionäre im Beschwerdeverfahren zu erbringende Aufwand eher gering und ohne besondere Schwierigkeiten; die Bemühungen im Zusammenhang mit der Anmahnung eines Vorschusses standen mit der Tätigkeit für die außenstehenden Aktionäre in keinem unmittelbaren Zusammenhang.
Ende der Entscheidung
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