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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 12.09.2002
Aktenzeichen: 3Z BR 169/02
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 1896 Abs. 2 Satz 2
BGB § 1897 Abs. 4
FGG § 12
Zur Frage der Auswahl des Betreuers, soweit vom Vorschlag des Betroffenen abgewichen wird.
Gründe:

I.

Das Amtsgericht bestellte am 16.4.2002 für die Betroffene auf die Dauer von fünf Jahren eine Berufsbetreuerin hinsichtlich der Aufgabenkreise Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge, Entgegennahme und Öffnen der Post, Vertretung bei Ämtern und Behörden, gegenüber Heimen sowie Sozialleistungs- und Versicherungsträgern. Hiergegen erhob der weitere Beteiligte, ein Sohn der Betroffenen, Beschwerde, die das Landgericht am 4.6.2002 zurückgewiesen hat.

Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des weiteren Beteiligten, mit der er eine bisher nicht berücksichtigte Vorsorgevollmacht vorlegt.

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig. Das Gesetz räumt dem weiteren Beteiligten als Sohn der Betroffenen ein eigenes Beschwerderecht ein (§ 69g Abs. 1 Satz 1 FGG).

In der Sache führt das Rechtsmittel zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung an das Landgericht (§ 27 Abs. 1 FGG; § 546, § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO n.F. analog).

1. Die Bestellung eines Betreuers setzt voraus, dass der Betroffene aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann (§ 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB). Lehnt der Betroffene eine Betreuung ab, darf für ihn ein Betreuer nur bestellt werden, wenn er wegen seiner Krankheit oder Behinderung nicht imstande ist, seinen Willen frei zu bestimmen (vgl. BayObLGZ 1994, 209/211; BayObLG FamRZ 2000, 189). Nach § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB darf ein Betreuer nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist; dies bedarf für jeden einzelnen Aufgabenkreis der Konkretisierung (vgl. BayObLGZ 1994, 209/212). Die Bestellung eines Betreuers ist nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können (§ 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB). Solange einer geeigneten Person eine wirksame Vorsorgevollmacht erteilt ist, darf in den betreffenden Aufgabenkreisen grundsätzlich eine Betreuung nicht angeordnet werden (vgl. Palandt/Diederichsen BGB 61. Aufl. § 1896 Rn. 11 und Beschluss des Senats vom 16.5.2002 Gz. 3Z BR 40/02).

2. Das Landgericht hat die allgemeinen Voraussetzungen einer Betreuerbestellung rechtsfehlerfrei bejaht. Es hat ausgeführt, dass die Betroffene nach dem Gutachten der Sachverständigen vom 1.3.2002 an einer senilen Demenz mit leichten Einbußen im mnestischen und deutlicheren Einbußen im intellektuell-kognitiven Bereich leide. Die Betroffene habe einen erheblichen Sammeltrieb mit Vermüllung und Verwahrlosung.

Sie sei in den vom Amtsgericht angeordneten Aufgabenkreisen zu keiner ausreichenden freien Willensbildung mehr in der Lage; aufgrund der deutlichen intellektuell-kognitiven Defizite verbunden mit aufgehobener Kritik- und Urteilsfähigkeit sowie natürlicher Einsichts- und Steuerungsfähigkeit sei die Betroffene geschäftsunfähig. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Landgericht mit dieser Begründung die Nichtigkeit (§ 105 Abs. 1 BGB) der Vollmacht vom 1.3.2002 angenommen hat. Das Landgericht ist jedoch dem Hinweis des weiteren Beteiligten in seiner Beschwerdeschrift vom 2.5.2002, seine Mutter habe bereits vor Jahren für einen solchen Fall schriftlich ihren Willen kundgetan, nicht nachgegangen. Es ist denkbar, dass die erst bei Einlegung der weiteren Beschwerde vorgelegte Vorsorgevollmacht vom 18.1.1999 bei entsprechenden Ermittlungen (§ 12 FGG) noch im Beschwerdeverfahren aufgetaucht wäre. Ihre Berücksichtigung könnte dazu führen, dass die Betreuerbestellung ganz oder teilweise nicht erforderlich ist.

3. Der Senat kann nicht selbst entscheiden, da noch weitere Ermittlungen erforderlich sind (§ 563 Abs. 3 ZPO analog). Zum einen muss erst geprüft werden, ob die jetzt erst vorgelegte Vorsorgevollmacht tatsächlich im genannten Zeitpunkt errichtet wurde und ob die Betroffene damals geschäftsfähig war. Zum anderen wird das Landgericht zu prüfen haben, ob die Vorsorgevollmacht, ihre Wirksamkeit unterstellt, die Bestellung eines Betreuers entbehrlich macht. Hierzu weist der Senat darauf hin, dass auch im Falle des Vorliegens einer wirksamen Vorsorgevollmacht eine Differenzierung zwischen den einzelnen Aufgabenkreisen geboten sein kann. Es bedürfte dann näherer Begründung, warum der weitere Beteiligte insbesondere zur Vermögenssorge, zum Öffnen der Post und zur Vertretung gegenüber Ämtern, Behörden, Heimen, Sozialleistungs- und Versicherungsträgern ungeeignet und deshalb auch insoweit die Bestellung eines Betreuers erforderlich sein sollte.

Sollte das Landgericht die Bestellung eines Betreuers für erforderlich halten, könnte es den Vorschlag der Betroffenen, ihren Sohn zum Betreuer zu bestellen (vgl. die Betreuungsverfügung vom 1.3.2002), nicht mit der Begründung außer acht lassen, die Betroffene sei geschäftsunfähig gewesen. Vielmehr ist der Vorschlag vorrangig zu berücksichtigen; nur soweit eine konkrete Gefahr für das Wohl der Betroffenen besteht, kann von dem Vorschlag abgewichen werden (vgl. BayObLG FamRZ 1996, 1374/1375; 1997, 1360/1361; Palandt/Diederichsen § 1897 Rn. 17 und 20). Sollte das Landgericht bezweifeln, ob die Betroffene den weiteren Beteiligten überhaupt (noch) als Betreuer wünscht, muss es die Betroffene persönlich anhören (§ 12 FGG).

Ende der Entscheidung

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