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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 11.07.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 172/99
Rechtsgebiete: AktG


Vorschriften:

AktG § 304
AktG § 305
Zur Frage, wie der Ausgleich und die Abfindung ausscheidender Aktionäre auf der Grundlage der Ertragswertmethode zu berechnen ist.
Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Dr. Schreieder und Dr. Nitsche

am 11. Juli 2001

in dem Spruchstellenverfahren

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerinnen und die Anschlussbeschwerden der Antragsteller zu 1, 3, 4, 5, 6 und 9 gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 30. Dezember 1998 werden zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass in Ziff. I des Beschlusses die Wörter "5 % und ab 1.1.1995" entfallen.

II. Die Antragsgegnerinnen haben die Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren zu tragen und den Antragstellern die im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Kosten zu erstatten.

III. Die Vergütung der gemeinsamen Vertreter der nicht antragstellenden außenstehenden Aktionäre für den Ausgleich und für die Abfindung wird für das Verfahren der sofortigen Beschwerde auf jeweils 10000 DM einschließlich gesetzlicher Mehrwertsteuer festgesetzt.

IV. Der Gegenstandswert für das Verfahren der sofortigen Beschwerde wird auf 4000000 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

1. Die Antragsteller sind Aktionäre der Antragsgegnerin zu 1. Die Antragsgegnerin zu 2, eine OHG, ist Mehrheitsaktionärin der Antragsgegnerin zu 1, deren Grundkapital sich auf 24000000 DM beläuft. Sie hatte bereits 1986 81 % der Aktien der Antragsgegnerin zu 1 erworben. Die Antragsgegnerinnen schlossen am 7.4.1988 einen Beherrschungsvertrag, der nach der am 20.5.1988 erfolgten Zustimmung der Hauptversammlung der Antragsgegnerin zu 1 am 1.6.1988 im Handelsregister eingetragen und am 5.7.1988 veröffentlicht wurde. In diesem Vertrag garantiert die Antragsgegnerin zu 2 den außenstehenden Aktionären der Antragsgegnerin zu 1 für jede Stammaktie im Nennwert von 50 DM einen jährlichen Ausgleich von 5 DM. Wahlweise bietet sie den Erwerb einer Aktie für 140 DM an. Entsprechende Rechte der Aktionäre der Antragsgegnerin zu 1 sind für Stammaktien mit höheren Nennbeträgen vereinbart.

2. Die Antragsteller haben beim Landgericht beantragt, als - angemessen eine höhere Abfindung und einen höheren Ausgleich festzusetzen.

Während des landgerichtlichen Verfahrens schlossen die Antragsgegnerinnen am 5.4.1989 einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, dem die Hauptversammlung der Antragsgegnerin zu 1 am 18.5.1989 zustimmte und der eine für die außenstehenden Stammaktionäre der Antragsgegnerin zu 1 verbesserte Ausgleichs- und Abfindungsregelung (6 bzw. 150 DM) vorsieht. Mit Beschluss vom 30.12.1998 hat das Landgericht die Abfindung auf 185 DM und den Ausgleich auf 8,10 DM je Stammaktie im Nennwert von 50 DM festgesetzt, für Stammaktien im Nennwert von 100 DM und 1000 DM entsprechend höher. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:

Es sei bei seiner Entscheidung von den vom Sachverständigen ermittelten Grundlagen für den Unternehmenswert in der Phase 1 (1988 bis 1992, Planungsphase) ausgegangen. Der Sachverständige habe zutreffend die Planungsdaten der Antragsgegnerin zu 1 zugrunde gelegt und auch die in dieser Phase hohen Forschungs- und Entwicklungskosten, das Investitionsniveau und die Instandhaltungskosten nicht herausgerechnet. Zutreffend habe der Sachverständige auch einzelne Grundstücke als betriebsnotwendig angesehen; dass diese teilweise verkauft und zurückgeleast worden seien, habe der Sachverständige als ertragsneutral bewerten dürfen. Dem Gutachten sei jedoch für die Phase 2 (ab 1993, Prognosephase) im Hinblick auf Umsatzhöhe und Umsatzrendite nicht zu folgen. Ein weiteres ergänzendes Gutachten sei angesichts der Verfahrensdauer nicht einzuholen gewesen, da es um die plausible Ermittlung von Prognosewerten mit nicht unerheblicher Bewertungsbandbreite gehe. Der Sachverständige habe den Prognoseumsatz mit dem gemittelten Jahresumsatz der Planungsphase gleichgesetzt. Wie sich aus der historischen Entwicklung ergebe, habe die Umsatzentwicklung jedoch eine nachhaltig steigende Tendenz; einmal erreichte Umsätze würden auch nach einer vorübergehenden Abschwächung im nächsten Konjunkturzyklus übertroffen. Deshalb müsse der Umsatz am Ende der Planungsphase (550 Mio. DM) als nachhaltig erzielbar angesehen werden. Als nachhaltig erzielbar sei ferner eine Umsatzrendite von 1,8 % anzusehen. Der Sachverständige habe eine Rendite von lediglich 1 % aus dem Planungszeitraum errechnet. Die in dieser Zeit wesentlich erhöhte Reinvestitionsrate könne jedoch nicht unkorrigiert auf den Zukunftsertrag projiziert werden. Wenn man den für die Zukunft nicht repräsentativen Abschreibungsanteil der Planungsphase von durchschnittlich 4,9 % auf einen immer noch recht hohen Satz von 4 % korrigiere, erhalte man eine durchschnittliche Umsatzrendite vor Steuern von fast 1,9 %.

Der Kapitalisierungszinssatz betrage 8,22 %. Der Sachverständige habe zutreffend aus der Durchschnittsrendite öffentlicher Anleihen der letzten 20 Jahre vor dem Bewertungsstichtag einen Basiszinssatz von 7,91 % ermittelt. Auch sei seine Annahme realistisch, dass die Antragsgegnerin zu 1 von der Inflationserwartung (3,19 %) 1,5 % auf die Preise überwälzen könne, was zu einem Inflationsabschlag von 1,69 % führe. Es sei jedoch das allgemeine Unternehmensrisiko mit einem Zuschlag von 2 % zu berücksichtigen, was der Sachverständige unterlassen habe.

Dies führe zu einem Ertragswert der Antragsgegnerin zu 1 von 73977000 DM. Hinzu komme der zutreffend festgestellte Liquidationserlös des nicht betriebsnotwendigen Vermögens in Höhe von 7430000 DM.

3. Gegen diese Entscheidung haben die Antragsgegnerinnen form- und fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt. Die Antragsteller zu 1, 3, 4, 5, 6 und 9 haben sich dem Rechtsmittel angeschlossen.

II.

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerinnen ist unbegründet. Gleiches gilt für die Anschlussbeschwerden mit Ausnahme eines Teilerfolgs im Hinblick auf die Zinsen.

1. Das Landgericht hat die Abfindung zutreffend festgesetzt.

a) Ein Beherrschungsvertrag muss gemäß § 305 Abs. 1 AktG die Verpflichtung des anderen Vertragsteils enthalten, auf Verlangen eines außenstehenden Aktionärs dessen Aktien gegen eine im Vertrag bestimmte angemessene Abfindung zu erwerben. Die angemessene Barabfindung (§ 305 Abs. 2 Nr. 3 AktG) muss die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung ihrer Hauptversammlung über den Vertrag berücksichtigen (§ 305 Abs. 3 Satz 2 AktG).

Angemessen ist eine Abfindung, die dem ausscheidenden Aktionär eine volle Entschädigung dafür verschafft, was seine Beteiligung an dem arbeitenden Unternehmen wert ist, die also dem vollen Wert seiner Beteiligung entspricht (BVerfGE 14, 26 3/284; 100, 289/304 f.; BayObLG NJW-RR 1996, 1125/1126; Hüffer AktG 4. Aufl. § 305 Rn. 18; MünchKommAktG/Bilda 2. Aufl. § 305 Rn. 59). Zu ermitteln ist der Grenzpreis, zu dem der außenstehende Aktionär ohne Nachteil aus der Gesellschaft ausscheiden kann.

b) Der am 5.4.1989 zwischen den Antragsgegnerinnen geschlossene Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag und die in diesem Zusammenhang eingetretene Beendigung des hier einschlägigen Beherrschungsvertrags haben keinen Einfluss auf das vorliegende Verfahren (vgl. BGHZ 135, 374; BGH ZIP 2001, 734/735; BayObLGZ 1998, 231/234; Hanseatisches OLG Hamburg NZG 2001, 471; Hüffer § 305 Rn. 4a; MünchKommAktG/Bilda § 306 Rn. 44; Ammon FGPrax 1998, 121/122).

c) Das Landgericht hat im Anschluss an das von ihm erholte Sachverständigengutachten bei der Ermittlung des Werts die Ertragswertmethode angewendet. Dies entspricht der nahezu durchgängigen Praxis der Gerichte (vgl. BayObLGZ 1998, 231/235), die, abgesehen von einer etwaigen Korrektur anhand des Börsenkurses (dazu unter i), rechtlich unbedenklich ist (vgl. BVerfGE 100, 289/307). Nach dieser Methode bestimmt sich der Unternehmenswert primär nach dem Ertragswert des betriebsnotwendigen Vermögens; sie wird ergänzt durch eine gesonderte Bewertung des nicht betriebsnotwendigen (neutralen) Vermögens, das regelmäßig mit dem Liquidationswert angesetzt wird (BayObLG aaO). Der Ertragswert eines Unternehmens besteht im Barwert zukünftiger Überschüsse der Einnahmen über die Ausgaben. Notwendig ist mithin eine Prognose, die zwangsläufig mit Unsicherheit belastet ist. Dabei hat das Landgericht einen geeigneten zeitlichen Ansatz gewählt, um die künftigen finanziellen Überschüsse zu prognostizieren, wenn es für den überschaubaren Zeitraum von fünf Jahren (erste Phase) auf die vorhandene konkrete Planung der Antragsgegnerin zu 1 zurückgegriffen und daran eine zweite Phase angeschlossen hat (vgl. IDW Standard: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen [IDW § 11 FN-IDW 2000, 415/418 Rn. 82 f.).

d) Für die erste (Planungs-)Phase hat das Landgericht die vom Sachverständigen angenommenen Umsatzzahlen zugrunde gelegt. Die Antragstellerin zu 1 wendet hiergegen ein, es müsse berücksichtigt werden, dass die Mehrheitsbeteiligung der Antragsgegnerin zu 2 schon längere Zeit bestanden habe, so dass es kein Zufall sei, wenn die ersten der Bewertung zugrundeliegenden Jahre mit besonders hohen Forschungskosten belastet seien.

Diese Auffassung ist jedoch nicht zutreffend. Die Antragstellerin zu 1 bezweifelt nicht den von Sachverständigen und Landgericht festgestellten Umstand, dass in der Planungsphase tatsächlich ein gegenüber anderen Jahren erhöhter Aufwand, u.a. für eine neue Generation von Maschinen, zu veranschlagen gewesen sei. Sie macht also nicht geltend, die Antragsgegnerin zu 2 habe ihren Einfluss als Mehrheitsaktionärin in der Weise nachteilig für die Antragsgegnerin zu 1 ausgeübt, dass sie das Betriebsergebnis im Hinblick auf den beabsichtigten Unternehmensvertrag verschlechtert hätte (vgl. hierzu etwa OLG Düsseldorf AG 1999, 321/322; OLG Stuttgart AG 2000, 428/430). Sie sieht vielmehr den von den Antragsgegnerinnen mittelbar durch den Zeitpunkt des Vertragsschlusses festgelegten Stichtag als für die außenstehenden Aktionäre ungünstig an. Damit kann sie aber angesichts der Regelung des § 305 Abs. 3 Satz 2 AktG nicht gehört werden. Danach muss die angemessene Barabfindung die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung der Hauptversammlung der Antragsgegnerin zu 1 berücksichtigen. Diese Stichtagsregelung schließt es aus, das maßgebliche Datum letztlich willkürlich zu verschieben und sei es auch zum Vorteil der außenstehenden Aktionäre. Wegen des Stichtagsprinzips ist es auch unbeachtlich, dass nach Auffassung der Antragstellerin zu 1 aufgrund des Unternehmensvertrags später durch die Antragsgegnerin zu 2 nachteilige Weisungen erteilt sein sollen.

e) Soweit das Landgericht bei seiner Schätzung (§ 287 Abs. 2 ZPO, § 738 Abs. 2 BGB; vgl. BGH ZIP 2001, 734/736) für die zweite (Prognose-)Phase von den Annahmen des Sachverständigen abgewichen ist, teilt der Senat die Auffassung des Erstgerichts.

Das Landgericht hat für diese Phase nicht wie der Sachverständige den durchschnittlichen Umsatz der ersten Phase (450 Mio. DM) zugrunde gelegt, sondern den für 1992, also das letzte Jahr der ersten (Planungs-)Phase angesetzten Umsatz in Höhe von 550 Mio. DM. Dies greifen die Antragsgegnerinnen an mit Hinweis darauf, dass der Planungsumsatz für dieses Jahr den durchschnittlichen Umsatz der vier vorangehenden Planungsjahre um mehr als 127 Mio. DM, also rund 30 %, überstiegen habe. Die niedrigere Annahme des Sachverständigen decke sich im übrigen mit den von der Antragsgegnerin zu 1 tatsächlich erwirtschafteten Zahlen für die Jahre 1988 bis 1997. Nach einer notwendigen rechnerischen Korrektur betrage der wirkliche Durchschnittsumsatz 454793000 DM.

Die Korrektur des Sachverständigengutachtens ist jedoch erforderlich, um die Genauigkeit der Prognose zu erhöhen. Das Sachverständigengutachten vom 24.4.1992 bestätigt den Ausgangspunkt des Landgerichts (vgl. S. 83, S. 123), wonach die historische Entwicklung und die Planungen bis 1992 zeigten, dass bei der Antragsgegnerin zu 1 die Umsatzentwicklung von einer nachhaltig steigenden Tendenz gekennzeichnet sei und einmal erreichte Umsätze auch nach einer vorübergehenden Abschwächung im nächsten Konjunkturzyklus übertroffen würden. Bei einer derartigen Dynamik kann aber eine angemessene Abfindung nicht dadurch gefunden werden, dass für die gesamte zukünftige Entwicklung der Durchschnittswert zurückliegender Jahre unverändert zugrunde gelegt wird (vgl. Hüffer § 304 Rn. 11; MünchKommAktG/Bilda § 304 Rn. 84). Vielmehr muss die bisherige ständige Steigerung ihren Niederschlag finden. Diesem Erfordernis hat das Landgericht angemessen dadurch Rechnung getragen, dass es der Prognosephase den letzten und höchsten Umsatzwert der Planungsphase zugrunde gelegt hat. Auf die von den Antragsgegnerinnen dargestellten tatsächlichen Umsatzzahlen, die angesichts des Zeitablauf zwischenzeitlich verfügbar geworden sind, kommt es wegen des Stichtagsprinzips (§ 305 Abs. 3 Satz 2 AktG) nicht an; vielmehr dürfen bei der Prognoseentscheidung nur solche positiven und negativen Entwicklungen berücksichtigt werden, die bei der Beschlussfassung der Hauptversammlung über den Vertrag zumindest in ihrem Kern bereits angelegt und absehbar waren (vgl. BGH AG 1998, 286/287). Im übrigen liegen die von den Antragsgegnerinnen errechneten Gesamtumsätze der Antragsgegnerin zu 1 in den Jahren 1993 bis 1997 bei ansteigender Tendenz auch im Durchschnitt (etwa 520 Mio. DM) deutlich näher bei den Erwartungen des Landgerichts als denen des Sachverständigen.

f) Der Senat tritt auch der Auffassung des Landgerichts bei, dass die Umsatzrendite für die Prognosephase mit 1,8 % anzusetzen ist. Der Sachverständige hatte nur eine Rendite von 1 % angenommen, da er ohne Korrektur die durchschnittliche Rendite der Planungsphase fortgeschrieben hatte. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerinnen ("Durchschnitt ist Durchschnitt") dürfen jedoch weder die geplanten Erträge der weiteren Prognose unbesehen zugrunde gelegt werden, noch sind angesichts des Stichtagsprinzips die tatsächlich später erzielten Ergebnisse von Bedeutung. Eine angemessene Barabfindung lässt sich vielmehr nur festsetzen, wenn die Zahlen der Planungsphase durch die Eliminierung außerordentlicher Erträge und Aufwendungen bereinigt, d.h. auf ein Normalmaß zurückgeführt werden (vgl. Emmerich/Habersack Aktien- und GmbH-Konzernrecht 2. Aufl. § 305 Rn. 62). Dies hat das Landgericht in behutsamer und geeigneter Weise dadurch getan, dass es einen in der Mitte der Planungsphase (Jahre 1989 bis 1991, insbesondere 1990; vgl. Anlage VI zum Gutachten vom 24.4.1992) besonders hohen Prozentsatz an Abschreibungen als nicht typisch für die gesamte zukünftige Entwicklung untergewichtete. Bei dieser Sachlage gibt es aber auch keine Rechtfertigung für die Annahme einer höheren Umsatzrendite, wie dies die Antragstellerin zu 9 meint.

g) Der Senat hält den vom Landgericht verwendeten Kapitalisierungszinssatz von 8,22 % für geeignet, eine angemessene Abfindung zu ermitteln.

aa) Der Sachverständige und ihm folgend das Landgericht gehen dabei von einem Basiszinssatz von 7,91 % aus. Der Antragsteller zu 5 möchte dagegen den weiteren Berechnungen einen Zinssatz von nur 6,1 % als Basisrendite im Mai 1988 zugrunde legen, da ein ausscheidender Aktionär zum Zeitpunkt des Hauptversammlungsbeschlusses nur zu diesem Zins eine Alternativanlage hätte tätigen können.

Hierfür lässt sich jedoch der Gedanke des Stichtagsprinzips nicht ins Feld führen. Vielmehr ist es sachgerecht, als Basiszinssatz den Durchschnitt der Zinssätze heranzuziehen, die in der Vergangenheit (hier: in den letzten 20 Jahren vor dem Stichtag) bei einer Anlage in öffentlichen Anleihen zu erzielen war (vgl. BayObLG NJW-RR 1996, 1125/1128; OLG Düsseldorf ZIP 1988, 1555/1560; AG 1999, 321/323; 2000, 323/324 f.; OLG Celle AG 1999, 128/130; OLG Stuttgart AG 2000, 428/431). Bei der Festlegung des Basiszinssatzes ist nämlich das Augenmerk darauf zu richten, dass dieser laufzeitäquivalent sein muss. Greift man auf öffentliche Anleihen mit begrenzter Restlaufzeit zurück, ist auch die dann erforderliche Wiederanlage zu berücksichtigen, da auf der anderen Seite von einer unbegrenzten Lebensdauer des Unternehmens ausgegangen wird. Zur Prognose der langfristigen Zinsentwicklung findet sinnvoller Weise eine Orientierung an der Zinsentwicklung der Vergangenheit statt (vgl. auch IDW § 1 Rn. 121).

bb) Das Landgericht hat ferner im Anschluss an den Sachverständigen bei der Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes einen Inflationsabschlag von 1,69 % vorgenommen. Ein derartiger Abschlag ist sachgerecht, da jedes Unternehmen in der Lage ist, der Geldentwertung durch Überwälzung gestiegener Kosten auf die Abnehmer mittels Preiserhöhung jedenfalls in gewissem Umfang zu begegnen. Dieser Umstand muss bei dem Vergleich mit einer Anlage in fest verzinslichen Anleihen berücksichtigt werden, da diese in vollem Umfang der Geldentwertung unterliegen (vgl. BayObLG NJW-RR 1996, 1125/1128 f.; OLG Düsseldorf AG 2000, 323/325; Großfeld Unternehmens- und Anteilsbewertung im Gesellschaftsrecht 3. Aufl. S. 72 f.; MünchKommAktG/Bilda § 305 Rn. 79). Es ergeben sich nach den Feststellungen des Sachverständigen keine Anhaltspunkte dafür, dass, wie der Antragsteller zu 5 meint, die Antragsgegnerin zu 1 zukünftige Kostensteigerungen wird in vollem Umfang auf Abnehmer überwälzen oder durch Produktivitätsfortschritte auffangen können. Dies bedeutet, dass der Inflationsabschlag nicht in voller Höhe der durchschnittlichen Inflationserwartung angesetzt werden kann.

cc) Auch der vom Landgericht vorgenommene Risikozuschlag in Höhe von 2 % ist sachgerecht. Hiergegen wenden sich die Antragsteller zu 1, 5 und 9 mit dem Vorbringen, dass ein solcher überhaupt nicht oder maximal mit 0,5 % vorzunehmen sei, da die Risikogesichtspunkte schon im Umsatz, in der Umsatzrendite und im Inflationsausgleich ihren Niederschlag gefunden hätten.

Ein solcher Zuschlag bei der Festlegung des Kapitalisierungszinssatzes ist jedoch anzusetzen, wenn nicht schon ein entsprechender Abschlag bei den prognostizierten Erträgen gemacht worden ist (so BayObLG NJW-RR 1996, 1125/1129; OLG Düsseldorf AG 1999, 321/323; 2000, 323/325; Hanseatisches OLG Hamburg NZG 2001, 471/473; Großfeld S. 80; vgl. auch OLG Stuttgart AG 2000, 428/432; ablehnend OLG Celle AG 1999, 128/130 f.; Emmerich/Habersack § 305 Rn. 69; wie hier auch IDW S. 1 Rn. 94 ff.). Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass der Vergleich mit einer Anleihe eines Schuldners erster Güte erfolgt. Den bei einer Beteiligung an einem Unternehmen stets gegebenen höheren Grad an Unsicherheit lässt sich der Marktteilnehmer jedoch durch eine Risikoprämie abgelten. Angesichts der vom Landgericht der Prognosephase zugrunde gelegten Umsatzhöhe und Umsatzrendite fand an dieser Stelle keine Verminderung wegen des allgemeinen Unternehmensrisikos statt. Dann erscheint im vorliegenden Fall auch der vom Landgericht gewählte Prozentsatz gerechtfertigt. Bestehende Schwierigkeiten der Quantifizierung des allgemeinen Unternehmensrisikos können dessen Festsetzung nicht ausschließen, sondern machen eine Schätzung (§ 287 Abs. 2 ZPO) erforderlich.

h) Im Beschwerdeverfahren hat sich kein Anlass gezeigt, den durch Sachverständigen und Landgericht getroffenen Ansatz des nicht betriebsnotwendigen Vermögens abzuändern.

Die Antragstellerin zu 1 sieht sämtliche Grundstücke der Antragsgegnerin zu 1 als nicht betriebsnotwendig an. Diese Auffassung teilt der Senat nicht. Die Grundstücke dienten zum Stichtag zum einen unmittelbar der Erwirtschaftung von Erträgen, nämlich als Produktionsstätten. Auch lässt sich nicht feststellen, dass angesichts der hier gegebenen besonderen Umstände (früheres Rüstungsgelände, zum Teil als Grünflächen ausgewiesen) die Grundstücke nur einen im Verhältnis zu ihrem Verkehrswert geringen Beitrag zum Unternehmensertrag leisteten.

Der Antragsteller zu 5 meint, der ermittelte wert des nicht betriebsnotwendigen Vermögens (7,42 Mio. DM) müsse um eine Körperschaftsteuerauflösung in Höhe von 3,377 Mio. DM erhöht werden. Es kann dahinstehen, ob grundsätzlich derartige potentielle Körperschaftsteuererstattungsansprüche zu berücksichtigen wären (vgl. OLG Düsseldorf AG 1990, 397/401; Piltz Die Unternehmensbewertung in der Rechtsprechung 3. Aufl. S. 185). Die Antragsgegnerin zu 1 wies jedoch zum Bewertungsstichtag kein positives verwendbares Eigenkapital (EK 56) auf, wie sich aus dem vom Landgericht erholten Gutachten vom 24.4.1992 (Rn. 34) ergibt.

i) Der festgestellte Ertragswert ist im vorliegenden Fall nicht unter Berücksichtigung des Börsenkurses zu korrigieren.

Bei der Bestimmung der Abfindung ist generell der Börsenkurs der Aktien der Antragsgegnerin zu 1 zu berücksichtigen. Der Verkehrswert der Aktie, der regelmäßig mit dem Börsenwert identisch ist, stellt die untere Grenze des dem Aktionär zu zahlenden Entschädigungsbetrags dar (BVerfGE 100, 289/ 307 ff.). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Börsenkurs zugrunde zu legen, der unter Ausschluss außergewöhnlicher Tagesausschläge oder kurzfristiger sich nicht verfestigender sprunghafter Entwicklungen aus dem Mittel der Börsenkurse der letzten drei Monate vor dem Stichtag gebildet wird (BGH ZIP 2001, 734). Hier schwankte der Börsenkurs der Aktien der Antragsgegnerin zu 1 in der Zeit vom 1.1.1988 bis 30.4.1988 zwischen 148 DM und 184,50 DM, so dass auf keinen Fall eine Korrektur der nach dem Ertragswert ermittelte Barabfindung von 185 DM in Betracht kommen kann.

j) Der Betrag der Barabfindung ist gemäß § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG ab dem ersten Tag nach der Eintragung mit 2 % über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank bzw. dem mittlerweile an seine Stelle getretenen Referenzzinssatz zu verzinsen. Dieser variable Zinssatz findet entgegen der Auffassung des Landgerichts jedoch schon Anwendung für den Zeitraum vor der Einführung der erwähnten, die Rechtslage nur klarstellenden Vorschrift durch das Gesetz zur Bereinigung des Umwandlungsrechts vom 20.10.1994 (BGBl. 1 3210; vgl. BayObLG NJW-RR 1996, 1125/1130; OLG Celle AG 1999, 128/131; OLG Stuttgart AG 2000, 428/432; MünchKommAktG/Bilda § 305 Rn. 93). Ziffer I des landgerichtlichen Beschlusses ist entsprechend abzuändern.

2. Das Landgericht hat den Ausgleich angemessen festgesetzt.

Gemäß § 304 Abs. 1 Satz 2 AktG muss auch ein isolierter Beherrschungsvertrag wie im vorliegenden Falle den außenstehenden Aktionären als angemessenen Ausgleich einen bestimmten jährlichen Gewinnanteil nach der für die Ausgleichszahlung bestimmten Höhe (vgl. § 304 Abs. 1 Satz 1 AktG) garantieren. Diesen Anspruch hat das Landgericht zutreffend aus dem Ertragswert - ohne Berücksichtigung des nicht betriebsnotwendigen Vermögens (vgl. MünchKommAktG/Bilda § 304 Rn. 73) - hergeleitet und auf 5 DM festgesetzt.

3. Nach § 306 Abs. 7 Satz 7 AktG sind die Vertragsteile des Unternehmensvertrags Schuldner der Gerichtskosten. Das Verfahren hat keinen Anhaltspunkt ergeben, dass die Kosten des Beschwerdeverfahrens ganz oder zu einem Teil aus Billigkeitsgründen einem anderen Beteiligten aufzuerlegen wären (§ 306 Abs. 7 Satz 8 AktG).

Für die außergerichtlichen Kosten kommt § 13a Abs. 1 FGG i.V.m. § 306 Abs. 2, § 99 Abs. 1 AktG zur Anwendung (vgl. Hüffer § 306 Rn. 22). Es entspricht der Billigkeit, dass die Antragsgegnerinnen, die allein ein selbständiges, im Ergebnis erfolgloses Rechtsmittel eingelegt haben, den Antragstellern deren notwendige Kosten erstatten.

4. Die gemeinsamen Vertreter der außenstehenden Aktionäre für Abfindung und Ausgleich können gemäß § 306 Abs. 4 Satz 6 AktG den Ersatz angemessener barer Auslagen und eine Vergütung für ihre Tätigkeit verlangen. Geht es wie hier um die Festsetzung der Vergütung für die Beschwerdeinstanz, ist hierzu das Beschwerdegericht berufen, da keine festen Gebührensätze gegeben sind und die Leistung des gemeinsamen Vertreters in dieser Instanz beurteilt werden muss. Dabei können die Gebühren nach § 118 BRAGO lediglich ein Anhalt für die angemessene Vergütung sein. Entscheidend für die Höhe der Vergütung sind der Umfang der Verantwortung, die vom Vertreter geleistete Arbeit und deren Schwierigkeit, die Dauer des Verfahrens sowie die Verwertung besonderer Kenntnisse und Erfahrungen. Auszugehen ist von der Gesamtleistung, die der gemeinsame Vertreter erbracht hat, und ihrer wirtschaftlichen Bedeutung für die nicht antragstellenden außenstehenden Aktionäre (vgl. BayObLG FGPrax 2001, 84/85). Nach diesen Grundsätzen ist in Anbetracht von Geschäftswert und Dauer des Beschwerdeverfahrens einerseits und dem konkreten erforderlichen Arbeitsaufwand der Vertreter der außenstehenden Aktionäre andererseits eine Vergütung von 10000 DM, die bereits die gesetzliche Mehrwertsteuer einschließt, angemessen.

5. Der Geschäftswert ist von Amts wegen nach § 30 Abs. 1 KostO festzusetzen (§ 306 Abs. 7 Satz 5 und 6 AktG). Danach ist der wert in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit nach freiem Ermessen zu bestimmen, wobei die Begrenzung des § 30 Abs. 2 KostO keine Anwendung findet (vgl. BayObLG FGPrax 2001, 84). Das Landgericht hat den Geschäftswert zutreffend (vgl. BayObLG aaO) dadurch ermittelt, dass es die Differenz zwischen unternehmensvertraglich angebotener und angemessener Abfindung mit der Gesamtzahl der Aktien, die außenstehende Aktionäre halten, vervielfacht hat. Dieser Betrag ist auch für das Beschwerdeverfahren anzusetzen, da keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich die Zahl der außenstehenden Aktionäre seit der landgerichtlichen Entscheidung wesentlich verändert hat.

Ende der Entscheidung

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