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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 13.10.2004
Aktenzeichen: 3Z BR 173/04
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 1908b Abs. 1 | |
BGB § 1908b Abs. 3 |
Gründe:
I.
Für die Betroffene war seit 13.1.2000 ihr Bruder, der weitere Beteiligte, zum Betreuer für die Aufgabenkreise Aufenthaltsbestimmung sowie Gesundheits- und Vermögenssorge bestellt. Am 28.11.2003 regte die Betreuungsbehörde die Bestellung eines anderen Betreuers an, da u.a. der ehemalige Betreuer der Betroffenen kein Bargeld zur Verfügung stelle. Das Amtsgericht entließ mit Beschluss vom 19.3.2004 den Bruder als Betreuer und bestellte eine Rechtsanwältin zur neuen Betreuerin.
Die Beschwerde und die sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss hat das Landgericht am 13.7.2004 zurückgewiesen.
Gegen die Entscheidung des Landgerichts wendet sich der weitere Beteiligte mit seiner weiteren und weiteren sofortigen Beschwerde. Mit seinen Rechtsmitteln, mit denen er die Verletzung des rechtlichen Gehörs rügt, will er die Aufhebung der Entscheidung und die Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht zur erneuten Entscheidung erreichen.
II.
Die Rechtsmittel sind zulässig, aber nicht begründet. Soweit sich der weitere Beteiligte gegen seine Entlassung als Betreuer wendet, handelt es sich um eine sofortige weitere Beschwerde, § 69g Abs. 4 Nr. 3, § 29 Abs. 2 FGG, soweit er sich gegen die Bestellung einer Rechtsanwältin zur neuen Betreuerin wendet, um eine einfache weitere Beschwerde, § 69g Abs. 1 Satz 1, § 27 Abs. 1 FGG.
1. Das Landgericht hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:
Nach § 1908b Abs. 1 Satz 1 BGB habe das Vormundschaftsgericht einen Betreuer zu entlassen, wenn seine Eignung, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen, nicht mehr gewährleistet sei oder ein anderer Grund für die Entlassung vorliege. Es genüge jeder Grund, der den Betreuer als nicht mehr geeignet erscheinen lasse, wobei es auch auf das Verhältnis zwischen Betreuer und Betroffenem ankomme. Der Wunsch des Betroffenen nach einem bestimmten Betreuer sei über § 1897 Abs. 4 BGB auch für die Entscheidung nach § 1908b BGB heranzuziehen. Die Kammer sei aufgrund des Akteninhalts, vor allem aber aufgrund des eigenen Eindrucks bei der Anhörung der Betroffenen zu der Überzeugung gelangt, die Betroffene wünsche ihren Bruder nicht mehr zum Betreuer. Ihre positiven Äußerungen zur neuen Betreuerin und ihr Wunsch, diese als neue Betreuerin behalten zu wollen, seien nach Überzeugung der Kammer auf eine innere Überzeugung der Betroffenen und nicht auf eine Einflussnahme von außen zurückzuführen. Diese Ansicht habe auch der für die Betroffene bestellte Verfahrenspfleger geteilt. Zudem habe der zuständige Mitarbeiter der Betreuungsstelle die Freude der Betroffenen über die neue Betreuerin bestätigt. Anhand des persönlichen Eindrucks und der übereinstimmenden Stellungnahmen der Betreuungsstelle, der Betreuerin, des Verfahrenspflegers und der Betroffenen selbst habe die Kammer auch ohne Einholung eines Glaubwürdigkeitsgutachtens, welches der weitere Beteiligte beantragt habe, zu der Überzeugung gelangen können, dass der von der Betroffenen geäußerte Wunsch auch ihrem wirklichen Willen entspreche. Unabhängig davon habe die Kammer erhebliche Zweifel an der Eignung des Bruders für die Stellung als Betreuer. So sei dem Akteninhalt deutlich zu entnehmen, dass er die Betreuung als unerwünschte und lästige Einmischung in die Privatsphäre der Familie empfinde. Seine Schreiben zeigten, dass er eine Zusammenarbeit mit dem Gericht ablehne.
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand, § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 546 ZPO.
a) Gemäß § 1908b Abs. 3 BGB kann das Vormundschaftsgericht einen Betreuer entlassen, wenn der Betreute eine gleich geeignete Person, die zur Übernahme bereit ist, als neuen Betreuer vorschlägt. Voraussetzung hierfür ist, dass der Betroffene aus eigenem Antrieb die Auswechslung des Betreuers anstrebt und auf Grund einer ernsthaften und auf Dauer angelegten eigenständigen Willensbildung einen bestimmten neuen Betreuer wünscht (Senatsbeschluss vom 28.7.2004 - Az. 3Z BR 94/04 und vom 22.9.2004 - Az. 3Z BR 150/04). Es reicht nicht aus, wenn der neue Betreuer durch das Vormundschaftsgericht ausgewählt wird und der Betroffene mit diesem Vorschlag lediglich einverstanden ist (vgl. auch OLG Celle Beschluss vom 8.6.2000 Az. 15 W 9/00).
Das Vormundschaftsgericht hat nach § 1908 b Abs. 1 Satz 1 BGB einen Betreuer zu entlassen, wenn dessen Eignung, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen, nicht mehr gewährleistet ist oder ein anderer wichtiger Grund für die Entlassung vorliegt. Für die Entlassung genügt jeder Grund, der den Betreuer als nicht mehr geeignet im Sinne von § 1897 Abs. 1 BGB erscheinen lässt (vgl. BayObLG FamRZ 2003, 403/404 m.w.N.). Als wichtiger Grund kann auch anzusehen sein, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen dem Betreuer und dem Betroffenen gestört ist (Palandt/Diede-richsen BGB 63. Aufl. § 1908b Rn. 2). In diesem Zusammenhang, sind auch Wunsch und Wille einer geschäftsunfähigen oder in ihrer geistigen Leistungskraft eingeschränkten Person zu berücksichtigen (OLG Köln FamRZ 1999, 1169), da regelmäßig davon ausgegangen werden kann, dass der vom Betroffenen akzeptierte und gewünschte Betreuer das für die Führung der Betreuung erforderliche Vertrauensverhältnis leichter aufbauen und bewahren kann. Wesentlich ist, dass durch den neuen Betreuer das Wohl des Betroffenen erheblich besser gewahrt ist (BayObLG FamRZ 2000, 1457/1458). Grundsätzlich ist damit Voraussetzung der Entlassung eines Betreuers nach § 1908b Abs. 1 BGB, dass das Wohl des Betroffenen bei Beibehaltung des bisherigen Betreuers nicht oder erheblich schlechter gewahrt ist als bei einem Austausch des Betreuers (vgl. BayObLG FamRZ 2000, 1457/1458; Senatsbeschluss vom 28.7.2004, Az. 3Z BR 94/04 und vom 22.9.2004, Az. 3Z BR 150/04).
b) Die Betroffene hat von sich aus keinen namentlich benannten neuen Betreuer vorgeschlagen, sondern lediglich betont, sie wünsche einen neuen Betreuer, weil sie mit ihrem Bruder nicht mehr zurechtkomme. Dieser sei grob zu ihr, schreie sie an und stelle ihr für ihre Bedürfnisse kein Taschengeld zur Verfügung. Es sei deshalb besser, einen Fremden zum Betreuer zu haben, wobei sie eine Frau als Betreuerin wünsche. Es kann dahinstehen, ob dieser Wunsch für eine Betreuerauswechslung nach § 1908b Abs. 3 BGB ausreicht. Zwar hat sich die Aktivität der Betroffenen auf diese Äußerungen beschränkt, so dass grundsätzlich wegen der fehlenden Benennung eines neuen bestimmten Betreuers eine Betreuerauswechslung nach § 1908b Abs. 3 BGB ausscheidet. Voraussetzung für eine Entlassung eines Betreuers nach § 1908b Abs. 3 BGB ist nämlich der eigenständige Wunsch des Betroffenen nach einem bestimmten neuen Betreuer. Insofern setzt § 1908b Abs. 3 BGB den Gedanken des § 1897 Abs. 4 BGB für den Zeitraum ab erfolgter Betreuerbestellung fort: In erster Linie ausschlaggebend für die Ermessensentscheidung, welcher Betreuer bestellt werden soll, sind der Wille und der Wunsch des Betroffenen. Wunsch und Wille setzen eine eigenständige Überlegung des jeweils Betroffenen voraus; das bloße Einverständnis mit anderen Vorschlägen ist auch bei erstmaliger Betreuerbestellung nicht als Betreuervorschlag zu werten.
c) Jedenfalls aber liegen die Voraussetzungen für eine Entlassung des Betreuers nach § 1908b Abs. 1 BGB vor, weil das Vertrauensverhältnis zwischen der Betroffenen und dem Beschwerdeführer stark gestört ist. Wie die Kammer festgestellt hat, will sich die Betroffene von der Familie lösen und ihr Leben selbst in die Hand nehmen, soweit ihr dies möglich ist. Die Einflussnahme durch ihren Bruder, der ihr die Verwendung ihres Taschengeldes nach seinen Vorstellungen vorschreiben möchte, lehnt sie ab. Ihre Aussage, ihr Bruder behandele sie grob und schreie sie an, zieht sich über mehrere Anhörungen hin. Eine Einflussnahme von außen in Bezug auf diese Angaben der Betroffenen ist nicht erkennbar. Zum einen liegen die vom weiteren Beteiligten angesprochenen Reibereien bereits Jahre zurück. Zum anderen werden die Angaben der Betroffenen durch objektive Indizien gestützt. So ergeben sich die Schwierigkeiten mit dem Taschengeld aus einem Schriftwechsel zwischen dem weiteren Beteiligten und der Heimleitung, in welchem dieser die Verwaltung und sinnvolle Verwendung des Taschengeldes für sich reklamiert. Dass der weitere Beteiligte der Betroffenen in diesem Bereich keinen selbständigen Umgang mit diesen Barmitteln zugestehen will, ist gleichfalls aus diesem Schreiben ersichtlich. Dass die Betroffene mit dem weiteren Beteiligten nicht mehr zurecht kommt, ergibt sich auch aus der Äußerung des angehörten Mitarbeiters der Betreuungsbehörde, der berichtet hat, die Betroffene sei bei einem Gespräch über die neue Betreuerin regelrecht aufgeblüht.
Bedenken gegen die Eignung der neuen Betreuerin sind nicht ersichtlich und von keinem der Verfahrensbeteiligten vorgetragen worden. Dass die neue Betreuerin bisher ihr Amt zum Wohl der Betroffenen ausgeübt hat, ergibt sich aus der bereits erwähnten Schilderung des Mitarbeiters der Betreuungsbehörde. Die Betroffene freut sich über die neue Betreuerin.
Mildere Maßnahmen kommen nicht in Betracht. In Anbetracht der Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem weiteren Beteiligten und der Betroffenen sind weder eine Mahnung noch eine Weisung Erfolg versprechend, da durch eine vormundschaftsgerichtliche Äußerung das zwischenmenschliche Vertrauen nicht wieder herstellbar ist.
d) Der Anspruch des weiteren Beteiligten auf Gewährung des rechtlichen Gehörs ist nicht verletzt worden. Dieser wird dann verletzt, wenn das Gericht entweder seiner Entscheidung Tatsachen zugrunde legt, zu denen sich der Betreffende nicht äußern konnte, oder es bei seiner Entscheidung Stellungnahmen und Äußerungen des Betroffenen nicht zur Kenntnis nimmt. Beide Alternativen liegen nicht vor. Bereits das Amtsgericht hat dem Beschwerdeführer ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Schreiben der Betreuungsbehörde und der Anhörung der Betroffenen eingeräumt. Die erbetene Verlängerung der Frist zur Stellungnahme durch Schreiben vom 12.2.2004 und vom 18.2.2004 hat das Amtsgericht dem weiteren Beteiligten eingeräumt. Dass er sich innerhalb dieser Frist nicht geäußert hat, ist seine Sache. Auch vor dem Landgericht ist der weitere Beteiligte ausreichend gehört worden. Er hat an der Anhörung durch die Kammer teilgenommen und Gelegenheit gehabt, zu allen Äußerungen der übrigen Verfahrensbeteiligten Stellung zu nehmen.
Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt auch nicht darin, dass die Kammer seinem Antrag auf Erholung eines Glaubwürdigkeitsgutachtens nicht stattgegeben hat. Der Anspruch auf Gewährung des rechtlichen Gehörs verleiht keinen Anspruch darauf, dass sämtlichen Anträgen von Verfahrensbeteiligten nachzugehen wäre. Der weitere Beteiligte hat keinerlei Anknüpfungstatsachen für seine Behauptung vorgetragen, dass die Betroffene unglaubwürdig sei. Solche haben sich auch aus dem Akteninhalt nicht ergeben. Daher war die Kammer auch nicht von Amts wegen verpflichtet, ein solches Gutachten einzuholen.
e) Soweit der weitere Beteiligte geltend macht, die Kammer habe wegen der fehlenden Begründung des amtsgerichtlichen Beschlusses nicht entscheiden dürfen, war dem nicht zu folgen. Zwar enthält der Beschluss in der Tat nur eine äußerst knappe Begründung, die aber über die bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlautes hinausgeht. Der Amtsrichter hat vermerkt, dass für den Betreuerwechsel auch maßgebend gewesen sei, dass die Betroffene einen Betreuerwechsel gewünscht habe. Es kann dahinstehen, ob dies der Begründungspflicht des § 69 Abs. 2 FGG genügt. Denn selbst wenn keine Begründung vorliegen würde, darf das Landgericht als zweite Tatsacheninstanz selbst entscheiden und damit faktisch den Mangel heilen. Eine fehlende Begründung führt nur dazu, dass eine Beschwerdefrist nicht in Lauf gesetzt wird (vgl. Keidel/Kayser FGG 15. Aufl. § 69 Rn. 10; Bassenge/Herbst/Roth FGG/RPflG 9. Aufl. Einl. 104 zum FGG).
Ende der Entscheidung
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