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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 07.02.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 177/00
Rechtsgebiete: FamRÄndG, ZPO


Vorschriften:

FamRÄndG Art. 7 § 1
ZPO § 328 Abs. 1 Nr. 4
Zur Frage, ob eine ausländische Ehescheidung anerkannt wird, wenn sich der Antragsgegner darauf beruft, daß die der Scheidung zugrunde liegende Vereinbarung vom Antragsteller erzwungen worden sei.
BayObLG Beschluss

Präsidentin des OLG München 3465 a E 1231/99

3Z BR 177/00

07.02.01

Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Fuchs und Dr. Denk am 7. Februar 2001

in der Sache

wegen Anerkennung einer US-amerikanischen Ehescheidung,

auf Antrag der Antragsgegnerin

beschlossen:

Tenor:

I. Der Antrag auf Abänderung der Entscheidung der Präsidentin des Oberlandesgerichts München vom 15. März 2000 wird zurückgewiesen.

II. Für diese Entscheidung wird eine Gebühr von 300 DM festgesetzt, die von der Antragsgegnerin zu entrichten ist.

Gründe

I.

Der Antragsteller, ein US-amerikanischer Staatsangehöriger, hat mit der Antragsgegnerin, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, am 28.3.1997 in Towson, Maryland/USA die Ehe geschlossen. Dort lebten die Eheleute zunächst zusammen. Am 8.5.1997 wurde ein gemeinsames Kind geboren. Am 20.7.1997 trennten sich die Eheleute. Am 28.4.1998 trafen sie eine Scheidungs- und Sorgerechtsvereinbarung. Einen Tag später verließ die Antragsgegnerin mit dem Kind die USA.

Auf Klage des Antragstellers wurde durch Urteil des Circuit Court for Baltimore County (Maryland/USA) vom 9./15.3.1999 die Scheidung der Ehe ausgesprochen. Ein Rechtsmittel wurde nicht eingelegt.

Der Antragsteller beantragte mit Schriftsatz vom 19.11.1999 die Anerkennung des Scheidungsurteils. Die Präsidentin des Oberlandesgerichts München hat am 15.3.2000 entschieden, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung des Urteils vom 9./15.3.1999, soweit es auf Scheidung lautet, gegeben sind.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragsgegnerin. Sie beantragt die "gerichtliche Entscheidung der Nichtanerkennung der Scheidung des amerikanischen Gerichts". Sie meint, das Scheidungsurteil dürfe nicht anerkannt werden, weil dies zu einem Ergebnis führe, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar sei. Das Scheidungsurteil beruhe nämlich auf der Scheidungs- und Sorgerechtsvereinbarung vom 28.4.1998, welche nur zustande gekommen sei, weil sie, die Antragsgegnerin, durch die Anwälte des Antragstellers unter massivsten erpresserischen Druck gesetzt worden sei. Sofort nach ihrer Rückkehr nach München habe sie dem Antragsteller klargemacht, dass sie sich an den ihr abgepressten Vertrag nicht gebunden fühle. Eine Anfechtung des Scheidungsurteils sei ihr nicht möglich gewesen, da sie die hierfür notwendigen fünfstelligen Dollarbeträge an Anwaltskosten nicht habe aufbringen können.

II.

Der Antrag auf Entscheidung durch das zuständige Bayerische Oberste Landesgericht (Art. 7 § 1 Abs. 6 Satz 2 FamRÄndG, § 199 Abs. 1 FGG, Art. 11 Abs. 3 Nr. 3 AGGVG) ist statthaft (Art. 7 § 1 Abs. 5 Satz 1 FamRÄndG) und auch im übrigen zulässig. Er ist jedoch unbegründet. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung des Urteils des Circuit Court for Baltimore County (Maryland/USA) vom 9.3.1999, soweit es auf Scheidung der Ehe der Beteiligten lautet, sind gegeben.

1. Die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die von dem Antragsteller beantragte (Art. 7 § 1 Abs. 3 Satz 1 FamRÄndG) Anerkennung liegen vor. Insbesondere hat der Antragsteller ein rechtliches Interesse an der Anerkennung des US-amerikanischen Scheidungsurteils (Art. 7 § 1 Abs. 3 Satz 2 FamRÄndG). Diese berührt den rechtlichen Status des Antragstellers, da er ohne Anerkennung in Deutschland als verheiratet gilt (Art. 7 § 1 Abs. 1 Satz 1 FamRÄndG). Sein Interesse an der Feststellung des Status folgt bereits aus dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten, wonach die Antragsgegnerin in Deutschland wohnt, zumal dort über das Sorgerecht des gemeinsamen Kindes gestritten wird. Es liegt nahe, dass bei diesem Streit die Frage, ob die Ehe der Beteiligten wirksam geschieden ist, als Vorfrage eine Rolle spielt.

2. Die sachlichen Voraussetzungen der Anerkennung ergeben sich, da es um ein ausländisches Urteil geht, aus der allgemeinen Regelung in § 328 Abs. 1 ZPO (vgl. BayObLGZ 1987, 439/440; BayObLG FamRZ 1990, 650). Das Urteil ist anzuerkennen, da keiner der in dieser Vorschrift genannten Versagungsgründe eingreift.

a) Die Anerkennung des Urteils ist nicht gemäß § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ausgeschlossen. Nach dieser Bestimmung ist zu prüfen, ob die Gerichte des Urteilsstaates zuständig gewesen wären, wenn deutsches Zuständigkeitsrecht bei spiegelbildlicher Anwendung eine Zuständigkeit der dortigen Gerichte begründet hätte (vgl. BayObLGZ 1987, 439/441). Gemäß § 606a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO sind für Ehesachen die deutschen Gerichte zuständig, wenn ein Ehegatte Deutscher ist oder bei der Eheschließung war. Bei spiegelbildlicher Anwendung bedeutet dies, dass hier die US-amerikanischen Gerichte für die Ehescheidung schon deshalb zuständig waren, weil der Antragsteller US-amerikanischer Staatsangehöriger ist.

b) Auch § 328 Abs. 1 Nr. 2 ZPO schließt die Anerkennung nicht aus. Aus den vorgelegten Protokollen des US-amerikanischen Scheidungsverfahrens ist ersichtlich, dass sich die Antragsgegnerin an dem Scheidungsverfahren beteiligt hat. Sie hat sich im übrigen nicht darauf berufen, sie habe sich auf das Verfahren nicht eingelassen.

c) Die Anerkennung des Urteils ist nicht gemäß § 328 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ausgeschlossen. Ein in Deutschland erlassenes Urteil zur Frage der Scheidung liegt nicht vor. Auch das von der Antragsgegnerin vor dem Amtsgericht München angestrengten Scheidungsverfahren hindert die Anerkennung nicht. Dieses Verfahren ist nach dem eigenen Vortrag der Antragsgegnerin nicht rechtshängig geworden, da die Antragsschrift nicht zugestellt wurde.

d) Auch ein Verstoß gegen den deutschen ordre public ist, entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin, mit der Anerkennung nicht verbunden. Die Antragsgegnerin bringt insoweit vor, die Scheidungsvereinbarung vom 28.4.1998, auf die das Scheidungsurteil zum Nachweis der Scheidungsvoraussetzungen Bezug nimmt, sei ihrerseits nur unter massivstem erpresserischen Druck durch das Anwaltsteam des Antragstellers abgeschlossen worden. Kern ihrer Beanstandung sind hierbei die in der Vereinbarung getroffenen Regelungen zum Umgangsrecht und zur elterlichen Sorge betreffend das gemeinsame Kind. Dieses Vorbringen rechtfertigt es nicht, dem in dem Urteil enthaltenen Ausspruch der Scheidung die Anerkennung zu versagen.

aa) § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO schließt die Anerkennung eines Urteils aus, wenn sie zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere, wenn die Anerkennung mit den Grundrechten unvereinbar ist. Eine solche Unvereinbarkeit ist nach der Rechtsprechung des Senats (BayObLGZ 1992, 1.95/197 ff. m.w.N.) dann gegeben, wenn die Anerkennung im konkreten Fall die Grundlagen des deutschen staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens angriffe, oder wenn das Ergebnis der Anwendung in einer besonders schwerwiegenden Weise dem Sinn und Zweck der deutschen Regelung widerspräche. Das Ergebnis der Anwendung müsste zu den Grundgedanken des deutschen Rechts und den ihm zugrunde liegenden Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch stehen, dass es aus deutscher Sicht untragbar erschiene. Das gilt für die Anwendung des materiellen, aber auch des Verfahrensrechts. Zu fragen ist also, ob die Anerkennung dieser ausländischen Entscheidung angesichts ihres Inhalts oder der Umstände ihres Zustandekommens dem ordre public widerspräche (Staudinger/Spellenberg [1997] § 328 ZPO Rn. 496). Maßgeblich für die Beurteilung ist der Zeitpunkt der Anerkennungsentscheidung (BayObLGZ 1992, 195/198).

bb) Auszugehen ist zunächst davon, dass sich die Anerkennung nur auf den in dem Urteil enthaltenen Ausspruch der Scheidung, nicht auf die dort ausgesprochenen weiteren Regelungen insbesondere hinsichtlich des Sorgerechts für das Kind, des Umgangsrechts und des Unterhalts bezieht. Das Ergebnis der Scheidung als solcher stellt die Antragsgegnerin jedoch selbst nicht in Frage. Die Ehegatten hatten bereits seit Mitte 1997 aufgrund übereinstimmenden Entschlusses getrennt gelebt. Die Antragsgegnerin hatte im Rahmen eines von ihr in Deutschland eingeleiteten Scheidungsverfahrens selbst auf die Scheidung hingewirkt. Der festgestellte Sachverhalt hätte auch nach deutschem Recht den Ausspruch einer Scheidung gestattet (§ 1565 Abs. 1, § 1566 Abs. 1 BGB; vgl. zur Bedeutung dieses Umstands Staudinger/Spellenberg § 328 ZPO Rn. 494), und zwar unabhängig von der Scheidungsvereinbarung, die die Antragsgegnerin nunmehr angreift.

Der Senat hat in einem Einzelfall angenommen, dass es dem ordre public widersprechen kann, wenn auf die Eheleute Druck ausgeübt worden ist mit dem Ziel, sie zur Durchführung der Scheidung zu zwingen (BayObLGZ 1992, 195/198). Dabei ging es jedoch um die Ausübung unmittelbaren politischen oder staatlichen Drucks. Davon kann im vorliegenden Fall keine Rede sein. Ob und inwieweit es genügen kann, wenn einer der Ehegatten Druck auf den anderen ausübt mit dem Ziel, dass dieser der Scheidung zustimmt, kann hier dahinstehen. Denn die Antragsgegnerin war nach ihrem eigenen Vorbringen selbst zur Scheidung bereit.

Die Antragsgegnerin bringt auch nichts dazu vor, dass durch die Anerkennung lediglich des Scheidungsausspruchs ihre rechtliche Position, insbesondere im Rahmen der bestehenden Auseinandersetzungen mit dem Antragsteller um das Sorge- und Umgangsrecht für das Kind, wesentlich beeinträchtigt würde.

cc) Auch unter dem Gesichtspunkt des gerichtlichen Verfahrens kann ein die Anerkennung ausschließender Verstoß gegen den ordre public nicht angenommen werden. Ein solcher Verstoß ist nur gegeben, wenn die Entscheidung auf einem Verfahren beruht, das von den Grundprinzipien des deutschen Verfahrensrechts in einem Maße abweicht, dass es nach der deutschen Rechtsordnung nicht als in einer geordneten, rechtsstaatlichen Weise ergangen angesehen werden kann (BGHZ 118, 312/320 f.; BayObLGZ 1999, 211/214). Nach diesen Grundsätzen kann hier, insbesondere bezogen auf die Berücksichtigung der angegriffenen Vereinbarung vom 28.4.1998 durch das Gericht, ein Verstoß gegen den ordre public nicht festgestellt werden.

Die Antragsgegnerin hatte in dem Verfahren vor dem Circuit Court for Baltimore County (Maryland/USA) hinreichend Gelegenheit zur Äußerung. Sie konnte auf den Verfahrensablauf aktiv Einfluss nehmen. Ausweislich der öffentlich beglaubigten Fotokopien der Protokolle des Circuit Court for Baltimore County (Maryland/USA) und deren Übersetzungen durch eine öffentlich bestellte und beeidigte Dolmetscherin für die englische Sprache war das amerikanische Gerichtsverfahren seit 21.7.1997 anhängig. Die Antragsgegnerin erhob am 30.9.1997 Widerklage, die von ihr selbst unterschrieben wurde. Am 27.4.1998 gab sie persönlich eine Erklärung gegenüber dem Gericht ab. Nachdem die Antragsgegnerin die USA verlassen hatte, war sie, wie bereits vorher, in dem Scheidungsverfahren durch Rechtsanwälte vertreten. Dies gilt insbesondere für die maßgeblichen Gerichtstermine am 25.1.1999 (Vollstreckbarkeitserklärung der Vereinbarung des Getrenntlebens), 11.2.1999 (Scheidungsverhandlung) und 9.3.1999 (Verkündung des Scheidungsurteils). Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass diese Rechtsanwälte, die im Namen der Antragsgegnerin Erklärungen abgaben, entgegen ihren, der Antragsgegnerin, Weisungen gehandelt oder gar gegen die Interessen der Antragsgegnerin mit der Gegenseite zusammengearbeitet hätten. Die Antragsgegnerin hat auch nicht vorgetragen, dass der Informationsfluss zwischen ihr und ihren Rechtsanwälten nach ihrer Ausreise aus den USA abgerissen wäre.

Die Antragsgegnerin hätte daher ihre nunmehr erhobenen Einwendungen gegen die Scheidungsvereinbarung vom 28.4.1998 in dem US-amerikanischen Gerichtsverfahren vorbringen können. Aus den genannten Protokollen ist nicht ersichtlich, dass dies geschehen wäre. Auch die Antragsgegnerin hat hierzu nichts vorgetragen. Sie bringt lediglich vor, sie habe alsbald nach ihrer Rückkehr nach Deutschland geltend gemacht, dass sie sich an die Vereinbarung nicht halten werde. In diesem Zusammenhang spielt es keine Rolle, dass die übrigen Inhalte der Vereinbarung vom 28.4.1998, insbesondere die Sorge- und Umgangsrechtsvereinbarung hinsichtlich des gemeinsamen Kindes, alsbald Gegenstand heftigen Streites waren und sind. Bezüglich der Scheidung diente die Vereinbarung vom 28.4.1998 lediglich zum Nachweis der Scheidungsvoraussetzungen, die nach dem insoweit übereinstimmenden Vortrag beider Beteiligter im Zeitpunkt des Erlasses des Scheidungsurteils eingetreten waren. Nach dem Recht des US-Bundesstaates Maryland ist nämlich Voraussetzung der Scheidung das freiwillige Getrenntleben der Ehegatten seit 18 Monaten, ohne dass in diesem Zeitraum eine Beiwohnung stattgefunden hätte oder Aussicht auf Versöhnung der Ehegatten bestünde (Bergmann/Ferid Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht 3. Aufl. "USA/Maryland" S. 142). Die Antragsgegnerin kann im Anerkennungsverfahren nicht mehr nachschieben, was vorzubringen sie im US-amerikanischen Verfahren versäumt hat. Sie hätte bereits in diesem Verfahren alles ihr Zumutbare unternehmen müssen, um angebliche Mängel, insbesondere auch hinsichtlich der von ihr nunmehr angegriffenen Vereinbarung, bereits dort zu beseitigen (vgl. BVerfG NJW 1988, 1462/1463 und BGHZ 118, 312/323).

2. Die Kostenentscheidung der Präsidentin des Oberlandesgerichts stützt sich auf Art. 7 § 2 Abs. 1 FamRÄndG. Sie ist nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung für das gerichtliche Verfahren beruht auf Art. 7 § 2 Abs. 2 Satz 2 und 4 FamRÄndG. Von der Anordnung einer Erstattung außergerichtlicher Kosten wurde abgesehen. Es entspricht billigem Ermessen, es bei dem Grundsatz zu belassen, dass jeder seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 13a Abs. 1 Satz 1 FGG).

Ende der Entscheidung

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