Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 27.07.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 187/01
Rechtsgebiete: KostO


Vorschriften:

KostO § 21 Abs. 1 Satz 2
Wird ein Erbbaurecht inhaltsgleich neu begründet, bleibt bei der Ermittlung des Grundstückwerts die aufgrund des alten Erbbaurechts erfolgte Bebauung des Grundstücks unberücksichtigt, wenn zur Zeit der Bebauung die Neubestellung des Erbbaurechts bereits feststand.
Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts ha unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Dr. Schreieder und Dr. Denk

am 27. Juli 2001

in der Kostensache

auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 bis 3

beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 6. April 2001 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Beteiligte zu 2 war Inhaberin eines am 9.1.1925 bestellten Erbbaurechts an einem 2597 m² großen Grundstück des Freistaates Bayern. Sie hat das Grundstück in Ausübung dieses Rechts mit einem Zweifamilienhaus und Nebengebäuden bebaut. Noch bevor das Erbbaurecht, wie beabsichtigt, verlängert werden konnte, lief es am 31.12.1999 ab.

Mit vom beteiligten Notar beurkundeten Vertrag vom 29.3.2000 bestellte der Grundstückseigentümer den Beteiligten (die Beteiligten zu 1 und 3 sind Ehemann und Sohn der Beteiligten zu 2) zu je 1/3 erneut ein Erbbaurecht an dem Grundstück, wobei die Beteiligten im wesentlichen so gestellt wurden, als ob das ursprüngliche Erbbaurecht bei Erhöhung des Erbbauzinses rechtzeitig verlängert worden wäre. Eine Entschädigung für den zwischenzeitlichen Rückfall des Eigentums an den Gebäuden wurde ausgeschlossen.

Mit (berichtigten) Kostenrechnungen vom 24.8.2000 verlangte der beteiligte Notar für die Beurkundung insgesamt 14740,47 DM von den Beteiligten. Er legte dabei einen Geschäftswert zugrunde, den er durch Zusammenrechnung von Grundstücks- und Gebäudewert ermittelte.

Hiergegen erhoben die Beteiligten, obschon sie die Rechnungen bezahlten, Beschwerde. Sie meinen, der Gebäudewert müsse bei der Ermittlung des Geschäftswerts außer Betracht bleiben, da die Bebauung für Rechnung der Beteiligten zu 2 erfolgt ist.

Das Landgericht hat die Beschwerde durch Beschluss vom 6.4.2001 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten.

II.

1. Die weitere Beschwerde wurde vom Landgericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen (§ 156 Abs. 2 Satz 2 KostO). Die Zulassung sollte wegen ihrer verfahrensgestaltenden Wirkung in der Beschlussformel ausgesprochen werden. Sie ist jedoch auch wirksam, wenn sie, wie hier, nur in den Beschlussgründen steht (vgl. Jansen FGG 2. Aufl. Vorbem. § 19 Rn. 15).

Das Rechtsmittel ist auch im übrigen zulässig (§ 156 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 KostO).

2. Die weitere Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand (§ 156 Abs. 2 Satz 4 KostO; § 550 ZPO).

a) Zwar hat das Landgericht den Grundstückseigentümer entgegen § 156 Abs. 1 Satz 2 KostO nicht gehört. Der Grundstückseigentümer ist als Vertragspartei Kostenschuldner (§ 141, § 2 Nr. 1, § 5 Abs.-1 Satz 1 KostO) und damit Beteiligter am Beschwerdeverfahren (vgl. Korint enberg/Bengel KostO 14. Aufl. § 156 Rn. 52). Eine nachträgliche Anhörung des Grundstückseigentümers erschien jedoch ausnahmsweise entbehrlich, weil die Beteiligten die Kostenrechnungen bereits bezahlt haben und daher ein Rückgriff auf den mithaftenden Grundstückseigentümer als ausgeschlossen erscheint.

b) Gegenstand der weiteren Beschwerde ist lediglich die Frage, ob § 21 Abs. 1 Satz 2 KostO anwendbar und damit der Gebäudewert bei der Bildung des Geschäftswertes nicht zu berücksichtigen ist. Darüber hinausgehende Beanstandungen enthält die weitere Beschwerde nicht (vgl. BayObLGZ 1969, 20/22). Grundlage des Verfahrens sind die berichtigten Kostenrechnungen vom 24.8.2000 (vgl. Korintenberg/Bengel § 156 Rn. 10).

c) § 21 Abs. 1 Satz 2 KostO ist der Vorschrift des § 20 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 KostO vergleichbar. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. BayObLG JurBüro 1992, 339/340; BayObLGZ 2001, 6) soll diese Vorschrift eine unbillige Gebührenerhöhung vermeiden, die vorläge, wenn bei der Ermittlung des Grundstückswerts der Wert von Gebäuden berücksichtigt würde, die der Erwerber eines unbebauten Grundstücks in der Zeit zwischen der Beurkundung der schuldrechtlichen Verpflichtung zur Übertragung und der späteren Eintragung in das Grundbuch, oder sogar schon vor der Beurkundung der schuldrechtlichen Verpflichtung, auf seine Rechnung errichtet oder errichten lässt. Ihre Anwendung setzt aber stets voraus, dass bereits bei Errichtung des Gebäudes die spätere Veräußerung des Grundstücks an den Erwerber feststeht, die Bebauung also eine vorweggenommene Eigentumsnutzung des Erwerbers darstellt. Nur dann steht der Umstand, dass zwischen der Errichtung des Gebäudes und der Übertragung des Eigentums an dem Grundstück auf den Erwerber eine längere Zeitspanne liegt, der Anwendung der Privilegierung nicht entgegen.

d) Diese Kriterien gelten auch für die Auslegung von § 21 Abs. 1 Satz 2 KostO. Diese Vorschrift ist nahezu wortgleich mit § 20 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 KostO. Sie wurde gleichzeitig mit dieser Bestimmung nachträglich in die Kostenordnung eingefügt und verfolgt denselben Zweck wie diese. In erster Linie wird von ihr die Fallgestaltung erfasst, dass der Erwerber des (künftigen) Erbbaurechts schon zu bauen beginnt, bevor der Bestellungsvorgang abgeschlossen ist (§ 873 Abs. 1 BGB, § 11 Abs. 1 Satz 1 ErbbauV). Es sind jedoch auch Fallgestaltungen denkbar, bei denen die Zeitspanne zwischen Bebauung und Bestellung bzw. Entstehung des Erbbaurechts länger ist, als dies der Vorbereitung und Durchführung der notariellen Beurkundung bzw. Grundbucheintragung üblicherweise entspricht. Dann muss bei Errichtung des Gebäudes der spätere Erwerb des Erbbaurechts durch denjenigen, auf dessen Rechnung die Bebauung vorgenommen wurde, feststehen. Davon kann, wenn der Bebauer noch nicht einmal einen schuldrechtlichen Anspruch auf die Begründung des Erbbaurechts hat (§ 11 Abs. 2 ErbbauV), nur gesprochen werden, wenn eindeutige objektive Anhaltspunkte gegeben sind, die bezogen auf den Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes den sicheren Schluss zulassen zum einen auf die feste Absicht des Grundstückseigentümers, dem Bebauer ein Erbbaurecht einzuräumen, zum anderen auf die feste Absicht des Bebauers, vom Grundstückseigentümer ein Erbbaurecht zu erwerben (vgl. BayObLGZ 2001, 6/7).

e) Bei der Bebauung des Grundstücks durch die Beteiligte zu stand nicht fest, dass sie (zusammen mit den beiden anderen Beteiligten) durch die Bestellung am 29.3.2000 und spätere Eintragung im Grundbuch erneut ein Erbbaurecht am Grundstück erwerben würde. Zwar hat das Landgericht nicht festgestellt, wann diese Bebauung erfolgt ist. Der Bewertungsbogen des Notars nennt das Baujahr 1968. Es kann jedenfalls, und nur darauf kommt es an, mit Gewissheit davon ausgegangen werden, dass die Bebauung viele Jahre vor Ablauf des alten Erbbaurechts erfolgt ist und zu diesem Zeitpunkt niemand daran dachte, dass eines damals noch fernen Tages das alte Erbbaurecht durch Zeitablauf enden und anschließend ein neues Erbbaurecht bestellt werden würde, an dem die Beteiligte zu 2 teil hat. Der Grundstückseigentümer ist mit Beendigung des alten Erbbaurechts Eigentümer auch der Gebäude geworden (§ 12 Abs. 3 ErbbauV). Er hatte die uneingeschränkte Wahlfreiheit, ob überhaupt erneut ein Erbbaurecht und gegebenenfalls wem und zu welchen Bedingungen ein solches eingeräumt werden sollte. Die Beteiligte zu 2 hatte weder eine Option auf eine Verlängerung noch ein Vorrecht auf Erneuerung des Erbbaurechts (§ 2 Nr. 6, § 31 ErbbauV). Damit stellt die Bebauung keine vorweggenommene Nutzung des am 29.3.2000 neu bestellten Erbbaurechts dar. Die Privilegierung des § 21 Abs. 1 Satz 2 KostO kommt den Beteiligten bei der Bewertung dieses neuen Erbbaurechts nicht zugute.

3. Eine Entscheidung über die Gerichtskosten war im Hinblick auf § 156 Abs. 4 Satz 3, § 131 Abs. 1 Satz 2 KostO nicht veranlasst. Von einer Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten sieht der Senat ab, da er davon ausgeht, dass dem Notar besondere Kosten nicht entstanden sind (vgl. Rohs/Wedewer KostO 2. Aufl. § 156 Rn. 86), zumal er auf die Anfrage von 8.6.2001 nicht geantwortet hat.

Ende der Entscheidung

Zurück