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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 14.08.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 197/01
Rechtsgebiete: FGG, BRAGO


Vorschriften:

FGG § 67 Abs. 3
BRAGO § 1 Abs. 2
Dem in einem Unterbringungsverfahren zum Verfahrenspfleger bestellten Rechtsanwalt stehen regelmäßig keine Honorarforderungen nach BRAGO zu.
Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung der Richter Dr. Schreieder, Dr. Plößl und Dr. Nitsche

am 14. August 2001

in der Unterbringungssache

auf die sofortige weitere Beschwerde der Verfahrenspflegerin

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 30. April 2001 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

In dem für die Betroffene durchgeführten Betreuungs- und Unterbringungsverfahren bestellte das Amtsgericht am 17.1.2001 eine Rechtsanwältin als Verfahrenspflegerin, "weil Entscheidungen zu fällen sind, die die Betroffene sehr einschneidend in ihren Grund- und Freiheitsrechten treffen können. Die Beiordnung eines Rechtsanwalts ist geboten, weil anwaltsspezifische Kenntnisse notwendig sind." Die bei der persönlichen Anhörung der Betroffenen durch den Amtsrichter im Bezirkskrankenhaus am 17.1.2001 anwesende Verfahrenspflegerin stimmte der vorläufigen Unterbringung der Betroffenen zu. Mit Beschluss vom 17.1.2001 ordnete das Amtsgericht mit sofortiger Wirksamkeit die vorläufige Unterbringung der Betroffenen und deren vorläufige zeitweise Freiheitsentziehung durch Fixierung der Extremitäten jeweils bis 27.2.2001 einstweilen an. Am 28.2.2001 wurde die Betroffene aus der stationären Behandlung entlassen.

Mit Schreiben vom 19.3.2001 beantragte die Verfahrenspflegerin, ihre Tätigkeit gemäß § 1835 Abs. 3 BGB mit 511,12 DM zu vergüten, wobei sie u. a. zwei Gebühren gemäß § 112 Abs. 1 und 2 BRAGO in Höhe von je 200,00 DM zzgl. Mehrwertsteuer in Ansatz brachte. Diesen Antrag wies das Amtsgericht am 12.4.2001 zurück. Die sofortige Beschwerde der Verfahrenspflegerin ist gemäß dem Beschluss des Landgerichts vom 30.4.2001 erfolglos geblieben. Mit der sofortigen weiteren Beschwerde begehrt die Verfahrenspflegerin weiter die Entlohnung für ihre Tätigkeit nach der BRAGO.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde der Verfahrenspflegerin ist gemäß § 67 Abs. 3 Satz 3, § 56g Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 2 FGG zulässig, insbesondere ist sie vom Landgericht zugelassen.

Sie hat in der Sache aber keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

Ausgangspunkt der Entscheidung sei der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, nach dem als Obersatz gelte, dass der als Verfahrenspfleger tätige Rechtsanwalt Aufwendungsersatz nach der BRAGO liquidieren könne, wenn "ein Laie in gleicher Lage vernünftigerweise einen Rechtsanwalt zuziehen würde". Dies sei im vorliegenden Fall ausgeschlossen. Die Betroffene sei am Abend des 16.1.2001 in denkzerfahrenem, sprunghaftem und teilweise im Gespräch nicht erreichbarem Zustand aufgenommen worden. Bei der gerichtlichen Anhörung, aufgrund derer die Frage zu klären gewesen sei, ob die Betroffene geschlossen unterzubringen sei und ob Fixierungsmaßnahmen anzuordnen seien, sei die Betroffene in der Lage gewesen, ihren ablehnenden Willen gegen Krankenhaus und Medikamente verständlich zu artikulieren. Bei dieser Ausgangslage hätte ein Laie in vergleichbarer Situation, also als Verfahrenspfleger, zur Wahrnehmung der Rechte der Betroffenen keinen Rechtsanwalt hinzugezogen. Es treffe zwar zu, dass mit der vorläufigen Unterbringung und der Anordnung von Fixierungsmaßnahmen regelmäßig erhebliche Eingriffe in die Freiheitsrechte des Betroffenen verbunden seien. Hieraus aber generell zu schließen, dass ein verständiger Laie in vergleichbarer Situation als Verfahrenspfleger einen Rechtsanwalt hinzugezogen hätte, sei nicht zulässig.

Genauso liege der Fall hier. Aus der Verfahrensakte und dem Vorbringen der Beschwerdeführerin sei nicht zu entnehmen, aus welchem Grund sich hier in einem derartig frühen Stadium die Notwendigkeit anwaltlicher Beratung so massiv angedeutet hätte, dass ein informierter Laie einen Rechtsanwalt hinzugezogen hätte.

Auch der Gesichtspunkt, dass das Amtsgericht die Beiordnung eines Rechtsanwalts in diesem Fall für geboten gehalten habe, führe zu keiner anderen Beurteilung. Der Beschluss des Amtsgerichts München vom 17.1.2001 könne für die Beschwerdeführerin erkennbar keine Entscheidungsgrundlage bilden. Aus der Begründung, dass die Verfahrenspflegerin anwaltsspezifische Kenntnisse benötige, habe die Beschwerdeführerin nicht entnehmen können, dass das Amtsgericht der Meinung gewesen sei, ein Laie in gleicher Lage hätte vernünftigerweise einen Rechtsanwalt hinzugezogen.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) stand.

Der Verfahrenspflegerin steht auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 7.6.2000 (BtPrax 2000, 254) nur die Vergütung gemäß § 67 Abs. 3 Satz 1 und 2 FGG i.V.m. § 1 BVormVG zu. Aufwendungsersatz nach § 1835 Abs. 3 BGB kann sie nicht fordern, da ein Verfahrenspfleger, der nicht Rechtsanwalt ist, hier keinen Rechtsanwalt beigezogen hätte. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin kommt es nicht darauf an, ob die Betroffene selbst einen Rechtsanwalt beauftragt hätte.

a) § 67 Abs. 3 Satz 2 FGG stellt klar, dass auch dem anwaltlichen Verfahrenspfleger eine Vergütung nur nach §§ 1836, 1836a BGB zusteht, hingegen eine Honorierung nach BRAGO nicht in Betracht kommt (BT-Drucks. 13/7158 S. 41). Dies ändert nichts daran, dass ein Rechtsanwalt, der im Rahmen einer Betreuung für den Betroffenen Dienste erbringt, für die ein Betreuer, der kein Anwalt ist, einen Rechtsanwalt beauftragt hätte, insoweit Aufwendungsersatz nach BRAGO liquidieren kann (§ 1 Abs. 2 Satz 2 BRAGO i.V.m. § 1835 Abs. 3 BGB; BT-Drucks. aaO). Das Führen einer Verfahrenspflegschaft allein kann, wie sich aus § 1 Abs. 2 Satz 1 BRAGO ergibt, nicht als Erbringung anwaltlicher Dienste in diesem Sinne angesehen werden (BT-Drucks. aaO).

b) Die zitierte Entscheidung des BVerfG hat an dieser Rechtslage nichts geändert. Das BVerfG hat lediglich darauf hingewiesen, dass die Vergütungsregelung für Verfahrenspfleger angemessen sei, da sie durch § 1835 Abs. 3 BGB für Ergänzungen offen ist, soweit professioneller Rechtsrat vonnöten oder wenigstens üblich ist, also ein nichtanwaltlicher Verfahrenspfleger einen Rechtsanwalt hinzugezogen hätte (BVerfG BtPrax 2000, 254/255). Da es zu schwierigen Abgrenzungsfragen kommen könne (vgl. BT-Drucks. aaO), könne es für die Gerichte im Sinne der Rechtsklarheit geboten sein, bei der Bestellung des Rechtsanwalts zum Verfahrenspfleger darauf hinzuweisen, ob im konkreten Fall rechtsanwaltschaftsspezifische Tätigkeiten anfallen werden (BVerfG aaO).

Einen derartigen Hinweis enthält der Beschluss des Amtsgerichts vom 17.1.2001 über die Verfahrenspflegerbestellung nicht. Die Begründung für die Bestellung einer Rechtsanwältin als Verfahrenspflegerin, "weil anwaltsspezifische Kenntnisse erforderlich sind", legt lediglich dar, warum der Richter mit der Beschwerdeführerin als Rechtsanwältin einen Verfahrenspfleger der höchsten Vergütungsstufe des § 1 Abs. 1 Satz 2 BVormVG ausgewählt hat. Sie lässt aber nicht ersehen, dass der Richter davon ausgegangen ist, im Rahmen der Verfahrenspflegschaft fielen Tätigkeiten an, die über das Führen derselben hinausgehen würden. Solche Aktivitäten waren und sind nicht ersichtlich, auch nicht von der Beschwerdeführerin dargetan. Bei dem vorliegenden Fall handelt es ich um einen in seiner rechtlichen Schwierigkeit eher unterdurchschnittlichen Fall. Fälle wie dieser treten in der Praxis der Verfahrenspfleger bei Unterbringungsfällen regelmäßig auf.

Ende der Entscheidung

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