Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 31.10.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 198/01
Rechtsgebiete: EGBGB, BGB


Vorschriften:

EGBGB Art. 24 Abs. 1 Satz 2
EGBGB Art. 24 Abs. 3
BGB § 1835 Abs. 1 Satz 1
BGB § 1835 Abs. 4 Satz 1
BGB § 1836 Abs. 1 Satz 2
BGB § 1836 Abs. 2 Satz 1
BGB § 1836a
Der Anspruch des Berufsbetreuers auf Vergütung bzw. Aufwendungsersatz setzt voraus, dass seine Tätigkeit in den ihm obliegenden Aufgabenbereich lag und er seine Tätigkeit nach den Umständen des Einzelfalles für erforderlich halten durfte.
Gründe:

I.

Für die Betroffene, eine österreichische Staatsangehörige mit Aufenthalt in der Bundesrepublik, ist ein Berufsbetreuer bestellt worden.

Mit seinem, das zweite Quartal 2000 betreffenden Antrag auf Vergütung und Aufwendungsersatz aus der Staatskasse beansprucht der Betreuer unter anderem 570,40 DM für eine Fahrt nach Linz.

Das Amtsgericht hielt den betreffenden Zeitaufwand für vergütungs- und die Fahrtkosten für erstattungsfähig und belastete die Staatskasse gemäß Beschluss vom 31.1.2001 mit dem in Rechnung gestellten Betrag.

Die sofortige Beschwerde der Staatskasse hat das Landgericht am 23.5.2001 zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Staatskasse mit der sofortigen weiteren Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig, insbesondere vom Landgericht zugelassen (§ 69e Satz 1, § 56g Abs. 5 Satz 2 FGG), hat aber keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

Der Betreuer habe Anspruch auf Vergütung des Zeitaufwands für die Fahrt nach Linz und auf Ersatz der Fahrtkosten. Im Frühjahr 2000 sei ihm von der zuständigen Ausländerbehörde signalisiert worden, dass der Betroffenen die beantragte Aufenthaltserlaubnis nicht erteilt werde, weshalb damit zu rechnen gewesen sei, dass die Betroffene Deutschland würde verlassen müssen. Der Aufgabenkreis des Betreuers habe im Abrechnungszeitraum auch die Aufenthaltsbestimmung umfasst. Zu den Aufgaben des Betreuers habe deshalb auch die Sorge für den zukünftigen Aufenthalt der Betroffenen, mithin die Suche nach einem geeigneten Heim, dessen Auswahl und die Vorbereitung der Aufnahme der Betroffenen in dem Heim gehört, und zwar ungeachtet dessen, dass diese österreichische Staatsangehörige sei und die Einrichtung, in die sie aufgenommen werden sollte, sich nicht im Inland befunden habe. Der Betreuer habe die Fahrt nach Linz zur sachgerechten Erledigung dieser Aufgabe für nötig halten, insbesondere im Hinblick auf die seinerzeit bekanntermaßen teilweise langen Wartezeiten für die Aufnahme in geeigneten Einrichtungen einen aktuellen Handlungsbedarf annehmen dürfen. Die Leitung der Einrichtung habe seine Teilnahme bei dem Vorstellungs- und Aufnahmegespräch und bei der Klärung der "Regularien" gewünscht und für sinnvoll gehalten.

Anhaltspunkte dafür, dass die Einschätzung des Betreuers falsch gewesen sei, die krankheitsuneinsichtige, labile und sprunghafte Betroffene sei insoweit zu eigenverantwortlichem Handeln nicht in der Lage, seien nicht ersichtlich.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Wird der Berufsbetreuer zum Zweck der Führung der Betreuung, das heißt mit dem Ziel der Erfüllung seiner Aufgaben, tätig, setzt sein Anspruch auf Vergütung (§ 1908i Abs. 1 Satz 1, § 1836 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 und 2, § 1836a BGB, § 1 BVormVG) bzw. auf Aufwendungsersatz (§ 1835 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 BGB) grundsätzlich voraus, dass die fragliche Tätigkeit in den ihm übertragenen Aufgabenkreis fiel (vgl. BayObLGZ 1994, 4/6; BayObLG FamRZ 1999, 463; FamRZ 2000, 1048; BtPrax 2001, 76; SchlHOLG FamRZ 1999, 462) und er die Tätigkeit aus seiner Sicht nach den Umständen des Einzelfalles für erforderlich halten durfte (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 BVormVG, § 670 BGB; BayObLGZ 1996, 47; BayObLG FamRZ 1999, 463; OLG Zweibrücken BtPrax 2000, 86/87).

b) Die Fahrt des Betreuers zu dem Heim in Linz war durch den dem Betreuer übertragenen Aufgabenkreis der Aufenthaltsbestimmung gedeckt.

aa) Bei der Bestellung eines Betreuers für einen volljährigen, der aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann (§ 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB), handelt es sich um staatlichen Beistand in Form von Rechtsfürsorge (vgl. OLG Oldenburg Nds.Rpfl. 1996, 59/60; Palandt/Diederichsen BGB 60.Aufl. Einf v § 1896 Rn. 1). Art. 24 Abs. 1 Satz 2 EGBGB ermöglicht es, auch für einen Ausländer nach deutschem Recht einen Betreuer zu bestellen, wenn er in der Bundesrepublik seinen gewöhnlichen oder schlichten Aufenthalt hat (vgl. Jürgens/Winterstein BtR 2. Aufl. Art. 24 EGBGB Rn.3). In diesem Fall richten sich auch die Rechte und Pflichten des Betreuers nach deutschem Recht (Art.24 Abs. 3 EGBGB; vgl. MünchKomm/Klinkhardt BGB 3. Aufl. Art. 24 EGBGB Rn. 21, 25). Das bedeutet jedoch nicht, dass auch die Handlungskompetenz des Betreuers entsprechend der Hoheitsgewalt der Bundesrepublik stets auf das Bundesgebiet beschränkt wäre. Vielmehr kann der Betreuer aus der Sicht des deutschen Rechts im Einzelfall auch im Ausland tätig werden, soweit dies durch die ihm übertragenen Aufgaben geboten ist, weil der Betreute eine von ihm oder für ihn im Ausland zu besorgende Angelegenheit nicht selbst wahrnehmen kann. Dies kann zum Beispiel im Rahmen der Vermögenssorge bei der Verwaltung von Auslandsvermögen des Betreuten der Fall sein, im Rahmen der Gesundheitsfürsorge bei der Organisation einer Heilbehandlung, die nur im Ausland erfolgversprechend durchgeführt werden kann.

bb) Verlässt der Ausländer die Bundesrepublik, entfällt die für seine Betreuung erforderliche Voraussetzung des Inlandsaufenthalts. Dadurch allein wird die Betreuung jedoch nicht gegenstandslos. Vielmehr ist sie zunächst zum Schutz des Betroffenen jedenfalls vorübergehend fortzusetzen (vgl. Oelkers Internationales Betreuungsrecht S.337). Sie entfällt erst mit der Aufhebung der Betreuerbestellung, die allerdings in der Regel alsbald veranlasst sein wird (§ 1908d Abs. 1 Satz 1 BGB; vgl. Staudinger/Kropholler BGB 13.Aufl. Art.24 EGBGB Rn.33), sofern das Betreuungsverfahren nicht gemäß § 69e Satz 1, § 47 Abs. 2 FGG abgegeben wird.

cc) Gemäß diesen Grundsätzen war der Betreuer jedenfalls aus der Sicht des deutschen Rechts zunächst befugt, über den Aufenthalt der Betroffenen nach deren Rückkehr nach Österreich zu bestimmen. Es gehörte deshalb auch zu seinen Aufgaben, die diesem Zweck dienenden konkreten Vorbereitungen zu treffen. Die Verpflichtung, innerhalb seines Aufgabenkreises zur Nutzung von Möglichkeiten zur Milderung der Folgen der psychischen Krankheit der Betroffenen beizutragen (§ 1901 Abs. 4 BGB), berechtigte ihn nicht nur dazu, die zuständigen österreichischen Behörden bzw. das zuständige österreichische Gericht über die Betreuungsbedürftigkeit der Betroffenen und deren zu erwartende Rückkehr nach Österreich zu informieren (vgl. § 1901 Abs. 5 Satz 2 BGB) und auf diese Weise entsprechende Fürsorgemaßnahmen der Republik Österreich, wie etwa die Bestellung eines Sachwalters, zu ermöglichen (vgl. § 273 Abs. 1, § 282 Abs. 2 des österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs, § 236 des österreichischen Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen). vielmehr fiel es auch in seinen Aufgabenkreis, für die Anfangszeit bis zu eventuellen Fürsorgemaßnahmen durch die österreichischen Behörden für die sachgerechte Unterbringung der Betroffenen in Österreich sonst erforderliche Maßnahmen in die Wege zu leiten. Allerdings kommt in diesem Zusammenhang dem Grundsatz der Erforderlichkeit besondere Bedeutung zu.

c) Nicht zu beanstanden ist auch die Auffassung des Landgerichts, der Betreuer habe die Fahrt nach Linz für erforderlich halten dürfen.

aa) Es ist grundsätzlich Sache des Betreuers zu entscheiden, wie er seine Pflichten erfüllt. Für die Frage, ob eine Tätigkeit des Betreuers zu vergüten ist oder die im Zusammenhang damit entstandenen Aufwendungen zu ersetzen sind, kommt es deshalb grundsätzlich auf die Sicht des Betreuers an, also darauf, ob er die Tätigkeit zur Erfüllung seiner Aufgaben für erforderlich halten durfte (BayObLGZ 1996, 47/50). Dagegen scheiden Vergütung und Aufwendungsersatz aus, wenn der Betreuer bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt hätte erkennen müssen, dass die von ihm durchgeführten Maßnahmen zur Erfüllung seiner Aufgaben objektiv nicht erforderlich waren (BayObLG aaO). Bei der Entscheidung über diese Fragen ist dem Tatrichter ein Beurteilungsermessen eingeräumt, dessen Ausübung nur einer beschränkten Nachprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren unterliegt (BayObLG aaO; BtPrax 2000, 214/215).

bb) Das Landgericht hat dieses Beurteilungsermessen nicht fehlerhaft ausgeübt.

Zwar konnte der Betreuer hier erkennen, dass im Fall einer Übersiedlung der Betroffenen nach Österreich sein Amt alsbald beendet werden würde. Ihm musste klar sein, dass Zweck der ihm obliegenden Betreuung in erster Linie die Fürsorge für die Betroffene während ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik war (vgl. Art. 24 Abs. 3 EGBGB) und ab dem Zeitpunkt der Übersiedlung diese fürsorgende Tätigkeit in erster Linie Sache der österreichischen Behörden sein würde, die dann auch über die hierfür einzusetzenden Maßnahmen (Bestellung eines Sachwalters, gegebenenfalls mit der Befugnis der Bestimmung über den Aufenthalt der Betroffenen) zu entscheiden haben würden. Unter diesem Gesichtspunkt war jedenfalls Zurückhaltung bei Tätigkeiten geboten, die auf Maßnahmen gerichtet waren, die ihre Wirkung erst nach der Übersiedlung nach Österreich entfalten sollten. Dabei hatte der Betreuer auch die für seine Tätigkeit anfallenden Kosten in seine Überlegungen einzubeziehen, insbesondere da mit der geplanten Übersiedlung in den Heimatstaat die Fürsorgepflicht der deutschen öffentlichen Hand im Grundsatz enden würde. Im Zweifel konnte er eine Stellungnahme des Vormundschaftsgerichts einholen (§ 1908i Abs. 1 Satz 1, § 1837 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Gleichwohl musste das Landgericht hier unter Beachtung des ihm eingeräumten Beurteilungsermessens nicht zu dem Ergebnis kommen, der Besuch in Linz sei auch aus der Sicht des Betreuers nicht erforderlich gewesen. Es hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der Betreuer davon ausgehen durfte, die Betroffene werde Deutschland verlassen müssen und aufgrund ihrer Persönlichkeit nicht in der Lage sein, die hierfür erforderlichen vorbereitenden Maßnahmen zu treffen. Es oblag dem Betreuer, hierfür in geeigneter Weise Vorsorge zu treffen. Sein Besuch wurde nach den Feststellungen des Landgerichts von der Leitung der für den künftigen Aufenthalt vorgesehenen Einrichtung gewünscht. Die hierfür entstehenden Aufwendungen standen angesichts der nicht allzu großen Entfernung des geplanten künftigen Aufenthaltsorts und der Bedeutung einer sachgerechten Unterbringung psychisch labiler Personen nicht außer Verhältnis zum Anlass.

Danach ist der Zeitaufwand für die Fahrt nach Linz zu vergüten, die Fahrtkosten sind zu ersetzen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG. Die Festsetzung des Geschäftswerts stützt sich auf § 31 Abs. 1 Satz 1, § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1 KostO.

Ende der Entscheidung

Zurück