Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 06.10.2004
Aktenzeichen: 3Z BR 199/04
Rechtsgebiete: BGB, FGG, KostO


Vorschriften:

BGB § 1896
FGG § 19
KostO § 92
Allein das Begehren, die Kostenfolgen der Betreuung abzuwenden, kann eine Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anordnung der Betreuung nicht rechtfertigen, da insoweit besondere Vorschriften bestehen (vgl. § 16 KostO).
3Z BR 199/04 3Z BR 200/04 3Z BR 201/04

Gründe:

I.

Nach einem Antrag der Betroffenen auf Errichtung einer Teilbetreuung bestellte das Vormundschaftsgericht mit Beschluss vom 19.7.2002 den Ehemann der Betroffenen zum Betreuer für die Aufgabenkreise Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern. Nach Festsetzung des Geschäftswerts für die Jahresgebühr 2002/2003 auf 488.881 EUR wandte sich die Betroffene gegen die Höhe dieses Ansatzes. Dieses Verfahren wurde durch Beschluss des Senats vom 18.3.2003 (Az. 3Z BR 37/03) abgeschlossen. Mit Schreiben vom 2.5.2003 wandte sich der Verfahrensbevollmächtigte der Betroffenen gegen die auf der Geschäftswertfestsetzung beruhenden Kostenrechnungen, legte hilfsweise Beschwerde gegen den vormundschaftsgerichtlichen Beschluss vom 19.7.2002 ein und beantragte weiter hilfsweise die Aufhebung der Betreuung. Mit Beschluss vom 11.6.2003 wies das Amtsgericht die Erinnerung der Betroffenen gegen die Kostenrechnungen zurück. Mit Schreiben vom 4.7.2003 an das Vormundschaftsgericht legte der Verfahrensbevollmächtigte der Betroffenen gegen den Beschluss über die Betreuerbestellung Beschwerde ein. In einem weiteren Schreiben vom 4.7.2003 an das Beschwerdegericht wandte sich der Verfahrensbevollmächtigte der Betroffenen gegen die Beschlüsse des Vormundschaftsgerichts vom 11.6.2003 sowie vom 3.12.2002 und beantragte die Aufhebung der Geschäftswertfestsetzung sowie der hierauf beruhenden Kostenrechnung.

Nach ergänzenden Ermittlungen hob das Vormundschaftsgericht mit Beschluss vom 9.10.2003 die Betreuung auf und stellte das Verfahren ein. Als Grund für die Entscheidung wurde angegeben, dass die Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers angesichts einer umfassenden General- und Pflegevollmacht vom 19.9.2002 nicht mehr gegeben seien.

Mit Beschluss vom 22.10.2003 wies das Landgericht die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 11.6.2003 zurück. Sowohl die Betroffene wie auch ihr Verfahrensbevollmächtigter wandten sich jedoch weiterhin gegen die Kostenrechnungen. Mit Beschluss vom 6.2.2004 wies das Vormundschaftsgericht den Antrag der Betroffenen auf Aufhebung des Betreuungsbeschlusses vom 19.7.2002 sowie weitere Anträge der Betroffenen, ihres Verfahrensbevollmächtigten und ihres Ehemannes zurück bzw. verwies darauf, dass die Beschwerden bereits dem Beschwerdegericht vorgelegt worden seien. Hiergegen legte die Betroffene mit Schriftsatz vom 5.3.2004 das Rechtsmittel der Beschwerde ein. Mit Beschluss vom 9.8.2004 hat das Landgericht diese Beschwerde der Betroffenen als unzulässig verworfen, und zwar sowohl hinsichtlich der Aufhebung der Betreuung wie auch hinsichtlich des Kostenansatzes und des Geschäftswerts. Die Betroffene verfolgt mit ihrer weiteren Beschwerde vom 27.8.2004, die am 14.9.2004 begründet worden ist, ihre Aufhebungsanträge weiter.

II.

Die weiteren Beschwerden sind allesamt nicht zulässig und somit zu verwerfen.

1. Soweit sich die Betroffene erneut gegen die Festsetzung des Geschäftswerts für die Jahresgebühr 2002/2003 wendet, ist die weitere Beschwerde gegen die Entscheidungen des Landgerichts vom 9.8.2004 unzulässig. Über diesen Sachverhalt wurde bereits ein Rechtsmittelverfahren geführt, das durch den Beschluss des Senats vom 18.3.2003 abgeschlossen wurde. Für eine erneute Entscheidung in der Sache fehlt das Rechtsschutzbedürfnis (vgl. Keidel/ Kahl FGG 15. Aufl. Vorbem. §§ 19 - 30 Rn. 12). Die Ausführungen der Betroffenen zur Geschäftswertfestsetzung geben keinen Anlass zu einer Änderung der Senatsentscheidung. Im Übrigen ist die weitere Beschwerde auch mangels Zulassung durch das Landgericht nicht statthaft (vgl. den erwähnten Senatsbeschluss).

2. Die weitere Beschwerde der Betroffenen gegen die im Betreuungsverfahren erlassenen Kostenrechnungen ist nicht statthaft, weil das Landgericht weder in der Entscheidung vom 22.10.2003 noch in der vom 9.8.2004 die weitere Beschwerde zugelassen hat. Gegen eine Entscheidung, die das Landgericht in Kostensachen als Beschwerdegericht trifft, ist die weitere Beschwerde nur statthaft, wenn sie das Landgericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zulässt (vgl. § 14 Abs. 3 Satz 2 KostO). Die Entscheidung des Landgerichts über die Nichtzulassung ist nicht anfechtbar (BayObLG JurBüro 1990, 1186; Korintenberg/Lappe KostO 15. Aufl. § 14 Rn. 172).

3. Die weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Vormundschaftsgerichts vom 19.7.2002 war mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig zu verwerfen. Aufgrund des Aufhebungsbeschlusses vom 9.10.2003 hat sich diese Verfügung in der Hauptsache erledigt.

a) Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist die Hauptsache erledigt, wenn nach Einleitung des Verfahrens der Verfahrensgegenstand durch ein Ereignis, welches eine Veränderung der Sach- und Rechtslage herbeiführt, weggefallen ist, so dass die Weiterführung des Verfahrens keinen Sinn mehr hätte, weil eine Sachentscheidung nicht mehr ergehen kann (vgl. BGH NJW 1982, 2505/2506; BayObLGZ 1990, 130/131; Bassenge/Herbst/Roth FGG/RPflG 9. Aufl. Einl. FGG Rn. 118; Keidel/Kahl § 19 Rn. 85). Das ist insbesondere der Fall, wenn die gerichtliche Entscheidung aufgrund veränderter Umstände keine Wirkung mehr entfalten könnte. Ein bereits eingelegtes Rechtsmittel wird dann im Grundsatz unzulässig, eine Sachentscheidung darf nicht mehr ergehen. Denn mit der Erledigung entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für das Rechtsmittel (BayObLGZ 1971, 182/184). Tritt die Erledigung der Hauptsache bereits vor Einlegung der weiteren Beschwerde ein, ist dieses Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen (Bassenge Einl. FGG Rn. 128 und 129; Keidel/Kahl § 19 Rn. 93 und 94).

Die Erledigung der Hauptsache ist hier dadurch eingetreten, dass das Vormundschaftsgericht mit Beschluss vom 9.10.2003 die Betreuung nach § 1908d Abs. 1 Satz 1 BGB aufgehoben hat. Dadurch wurde die Bestellung eines Betreuers für die Zukunft gegenstandslos (BayObLG FamRZ 2001, 255/256). Für das Begehren der Aufhebung des Beschlusses vom 19.7.2002 fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, da die nachträgliche Aufhebung der Betreuerbestellung den mit dieser Maßnahme verbundenen Eingriff in die Rechtssphäre der Betroffenen nicht rückwirkend beseitigen kann (BayObLGZ 1994, 209/211; OLG Hamm FamRZ 1995, 1518/1520). Es ist herrschende Auffassung, dass die Änderung einer rechtsgestaltenden Entscheidung wie der Bestellung eines Betreuers nicht zurückwirken kann (vgl. Bassenge § 18 FGG Rn. 20; Keidel/Kahl § 18 Rn. 36). Nachdem die Rückwirkung sachlich ausgeschlossen ist, kann es nicht Ziel eines Rechtsmittels sein, die Entscheidung über die Bestellung eines Betreuers rückwirkend aufzuheben.

b) Es fehlt schließlich auch das Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Bestellung eines Betreuers.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet die Grundrechtsbestimmung des Art. 19 Abs. 4 GG den Rechtsmittelgerichten, ein von der jeweiligen Prozessordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht ineffektiv zu machen. Deshalb ist das Rechtsschutzinteresse in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe auch dann zu bejahen, wenn sich die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt zwar erledigt hat, eine Sachentscheidung nach dem typischen Verfahrensablauf in der Kürze der Zeit nicht zu erlangen war (vgl. BVerfG NJW 1998, 2432 ff.). Entsprechend diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen bejaht der Senat für die Fälle der Unterbringung ein Rechtsschutzinteresse für die Rechtswidrigkeitsfeststellung auch bei einer Erledigung der Hauptsache unabhängig von der Dauer der Unterbringung.

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 2.8.2001 stellt auch die gerichtliche Bestellung eines Betreuers für den unter Betreuung Gestellten einen gewichtigen Grundrechtseingriff dar (FamRZ 2002, 312/313). Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Rechtswidrigkeitsfeststellung nach Erledigung der Maßnahme wird vom Bundesverfassungsgericht in den Fällen der Betreuerbestellung jedoch nicht durchweg bejaht. Ist eine Betreuerbestellung von vornherein befristet und umfasst die Befristung einen Zeitraum, innerhalb dessen die gegen die gerichtliche Entscheidung eröffneten Instanzen kaum durchlaufen werden können, ist der nach Art. 19 Abs. 4 GG effektive Rechtsschutz nur gewahrt, wenn für die nach dem Prozessrecht eröffneten Rechtsmittel ein Rechtsschutzinteresse angenommen wird, den mit der Betreuung verbundenen Grundrechtsangriff auf seine Rechtsmäßigkeit hin überprüfen zu lassen (BVerfG aaO). Ein solcher Fall liegt gegenständlich jedoch nicht vor. Des Weiteren ist eine grundrechtswidrige Verkürzung der vorgegebenen Rechtsmittel im zu entscheidenden Fall nicht festzustellen. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass das Verfahren auf Bestellung eines Betreuers nicht auf Betreiben Dritter, sondern kraft eigenen Antrags der Betroffenen in Gang gesetzt worden ist. Die Vormundschaftsrichterin hat in dem Gesprächsvermerk vom 17.7.2002 niedergelegt, dass die Betroffene definitiv eine amtliche Betreuung wolle und sich mit einer Vollmacht allein "zu unsicher" fühle. Erst nach dieser Äußerung der Betroffenen erfolgte der vormundschaftsgerichtliche Beschluss vom 19.7.2002. Eine andere Beurteilung der Betroffenen ergab sich offensichtlich erst nach Kenntnis der für eine Betreuung anfallenden Kosten. Nach den Ausführungen der Betroffenen in einem Schreiben vom 7.12.2002 beruhte die darin beantragte Aufhebung der Betreuung auf dem nicht bekannten hohen Kostenrisiko für eine gerichtliche Betreuung. Aufgrund dieses Antrags und bereits vor einer förmlichen Beschwerde der Betroffenen gegen die Bestellung eines Betreuers wurde das Vormundschaftsgericht tätig und erbat beim Landratsamt ergänzende Sachverhaltsermittlungen wegen einer möglichen Aufhebung der Betreuung. Die Rechtsmittel der Betroffenen richteten sich in der Folge auch nicht vordringlich gegen die Bestellung des Betreuers, sondern gegen die Festsetzung des Geschäftswerts für die Jahresgebühr und die hieraus folgenden Kostenrechnungen. Erst nachdem das Rechtsmittel gegen die Festsetzung des Geschäftswerts keinen Erfolg hatte, griff die Betreuerin mit Schreiben vom 2.5.2003 nunmehr auch förmlich - wenn auch zunächst nur hilfsweise - die Betreuerbestellung mit dem Rechtsmittel der Beschwerde an. Eine verzögerte Sachbehandlung des Beschwerdegerichts in Bezug auf die Rechtsmittel gegen den Beschluss vom 19.7.2002 kann nicht festgestellt werden. Nach Vorlage der Verfahrensakten an das Beschwerdegericht verfügte dieses in zeitlich vertretbarem Rahmen die Herbeiführung der Abhilfeentscheidung durch das Vormundschaftsgericht. Im Rahmen dieser Prüfung erfolgte die Aufhebung der Betreuerbestellung und die Einstellung des Verfahrens durch Beschluss vom 9.10.2003. Unter Berücksichtigung aller Umstände kann in dem hier zu entscheidenden Fall von einem ineffektiven Rechtsschutz und einem tiefgreifenden Grundrechtseingriff, der die nachträgliche Rechtswidrigkeitsfeststellung nach Erledigung der Hauptsache erfordern würde, nicht gesprochen werden.

Im Übrigen könnte allein das Begehren, die Kostenfolgen der Betreuung abzuwenden, eine Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anordnung der Betreuung nicht rechtfertigen, da insoweit besondere Vorschriften bestehen (vgl. § 16 KostO).



Ende der Entscheidung

Zurück