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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 22.10.2003
Aktenzeichen: 3Z BR 211/03
Rechtsgebiete: AktG, FGG


Vorschriften:

AktG § 306 Abs. 7 (a.F.)
FGG § 13a Abs. 1
Wird der Antrag auf Durchführung eines Spruchverfahrens zurückgenommen, so können die Kosten des Verfahrens auch dann den beteiligten Gesellschaften auferlegt werden, wenn der Antrag zwar unzulässig war, dies dem Antragsteller aber aufgrund der komplexen gesellschaftsrechtlichen Fragestellungen nicht von Anfang an erkennbar sein musste.
Gründe:

I.

Die Antragsgegnerinnen schlossen am 16.4.1999 einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, der am 7.7.1999 in das Handelsregister der künftig beherrschten Antragsgegnerin zu 1 eingetragen wurde. Die Antragstellerin war Aktionärin eines weiteren Unternehmens, das durch Hauptversammlungsbeschluss vom 6.7.2001 auf die Antragsgegnerin zu 1 verschmolzen wurde. Die Verschmelzung wurde mit ihrer Eintragung in das Handelsregister am 28.11.2001 wirksam. Eine im Jahr 2001 zunächst angedachte Änderung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags mit dem Ziel einer Besserstellung aller nunmehr außenstehenden Aktionäre kam nicht zustande.

Die Antragstellerin beantragte deshalb mit Schriftsatz vom 18.1.2002 die Durchführung eines Spruchverfahrens bezüglich des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages. Auf richterlichen Hinweis nahm die Antragstellerin ihren Antrag durch Erklärung vom 15.5.2003 wieder zurück. Das Landgericht hat hierauf mit Beschluss vom 12.8.2003 ausgesprochen, dass die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerinnen zu tragen habe. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin.

II.

Die am 1.9.2003 eingegangene sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 20a Abs. 2 FGG) unabhängig davon, ob sich das Beschwerdeverfahren nach altem Recht oder nach dem am 1.9.2003 in Kraft getretenen Spruchverfahrensgesetz vom 12.6.2003 (BGBl. I S.838) richtet (vgl. § 17 Abs. 2 Satz 2 dieses Gesetzes, der den vorliegenden Fall nicht erfasst). Sie ist begründet.

1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung Folgendes ausgeführt:

Die Kostentragung durch die Antragstellerin entspreche der Billigkeit. Die Antragstellerin habe nicht zum antragsberechtigten Personenkreis gehört. Das Landgericht München I sei für die beantragte Entscheidung zudem auch nicht zuständig gewesen, weil die Antragsgegnerin zu 1 ihren Sitz bereits im Jahre 2001 in den Geschäftsbereich eines anderen Landgerichts verlegt gehabt habe. Bei dieser Sachlage eines offensichtlich unzulässigen Antrags entspreche es nicht der Billigkeit, die Antragsgegnerinnen mit Kosten zu belasten.

2. Rechtsgrundlage auch der isolierten Kostenentscheidung im Spruchverfahren nach § 306 AktG a.F. (vgl. dazu § 17 Abs. 2 Satz 1 Spruchverfahrensgesetz) ist hinsichtlich der Gerichtskosten § 306 Abs. 7 AktG a.F.. Die maßgebliche Regelung für die außergerichtlichen Kosten findet sich in § 13a Abs. 1 FGG (vgl. Hüffer AktG 5.Aufl. § 306 Rn. 21/22; OLG Düsseldorf AG 1996, 88; BayObLG NJW-RR 2002, 106/107). Die Kosten des Verfahrens treffen hiernach in beiden Fällen regelmäßig die Vertragsteile des Unternehmensvertrages. Soweit dies der Billigkeit entspricht, können die Kosten jedoch auch einem anderen Beteiligten auferlegt werden (§ 306 Abs. 7 Satz 7 und 8 AktG a.F. für die Gerichtskosten). Von dieser Ausnahmeregelung wird in der Praxis allerdings zum Schutz der außenstehenden Aktionäre rechtlich zutreffend nur in Ausnahmefällen Gebrauch gemacht, nämlich bei Missbrauch des Antragsrechts sowie bei eindeutiger Unzulässigkeit oder Unbegründetheit des Antrags (vgl. Emmerich/Habersack Aktien- und GmbH-Konzernrecht 2.Aufl. § 306 AktG Rn. 55; BayObLG DB 1975, 1788; OLG Düsseldorf aaO).

3. Diesen Grundsätzen wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht.

a) Die fehlende Antragsberechtigung der Antragstellerin lag im vorliegenden Fall zumindest nicht erkennbar offen zu Tage. Gegenstand des Spruchverfahrens war der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, der zwischen den Antragsgegnerinnen abgeschlossen worden und durch die später stattgefundene Verschmelzung einer weiteren Gesellschaft auf die beherrschte Gesellschaft nach wohl zutreffender Auffassung unberührt geblieben war (vgl. dazu Emmerich/Habersack § 297 AktG Rn. 42 m.w.N.). Antragsberechtigt war nach dem Gesetzeswortlaut (vgl. §§ 304 Abs. 4 Satz 1, 305 Abs. 5 Satz 4 AktG a.F.) jeder außenstehende Aktionär. Zu welchem Zeitpunkt ein Antragsteller die Aktionärseigenschaft erlangt haben muss, ist weithin strittig. Der Senat hat sich in diesem Zusammenhang für die Antragstellung im Spruchverfahren als maßgeblichen Zeitpunkt ausgesprochen, dabei aber offen gelassen, ob es für die Antragsberechtigung nicht auch genügt, wenn der Antragsteller seine Stellung als Aktionär nach Antragstellung, aber innerhalb der gesetzlichen Antragsfrist des § 304 Abs. 4 Satz 2 AktG a.F. erlangt hat (vgl. BayObLGZ 2002, 56/61 ff.). Die Antragstellerin konnte daher im vorliegenden Fall durchaus die Auffassung vertreten, es reiche bezüglich ihrer Aktionärseigenschaft aus, wenn sie diese durch den "Zwangsumtausch" ihrer Aktien infolge Verschmelzung (vgl. § 20 Abs. 1 Nr.3 UmwG) erlangt habe. Entscheidend war lediglich, ob nicht bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung die Antragsfrist abgelaufen war. Hierfür spricht natürlich, dass der verfahrensgegenständliche Unternehmensvertrag bereits 1999 in das Handelsregister eingetragen und im Jahre 2001 dann - entgegen ursprünglichen Planungen - auch nicht mehr geändert wurde. Gleichwohl konnte die Antragstellerin die Auffassung vertreten, dass es den Antragsgegnerinnen schon wegen der Erklärungen, die der Vorstand der verschmolzenen Gesellschaft in der Hauptversammlung vom 6.7.2001 zur Frage der Antragsbefugnis für ein etwaiges Spruchverfahren abgegeben hatte, zumindest aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben heraus versagt sei, sich auf den Ablauf der materiell-rechtlichen Ausschlussfrist (vgl. dazu Hüffer § 304 Rn. 26) für entsprechende Anträge zu berufen. Hinzu kommen weitere, noch nicht abschließend geklärte Zweifelsfragen betreffend das Schicksal eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages im Falle einer späteren Verschmelzung des beherrschten mit einem weiteren Unternehmen (vgl. dazu Emmerich/Habersack aaO). Die Annahme der Antragstellerin, im vorliegenden Fall sei die Antragsfrist für ein Spruchverfahren bezüglich des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags für sie noch offen, war von daher zumindest nicht gänzlich abwegig.

b) Zu Recht dürfte das Landgericht München I darauf verwiesen haben, dass seine örtliche Zuständigkeit für das beantragte Spruchverfahren nach § 306 Abs. 1 AktG a.F. nicht gegeben war, weil die beherrschte Gesellschaft noch im Jahre 2001 ihren Sitz in den Geschäftsbereich eines anderen Landgerichts verlegt hatte. Die Antragstellerin war sich ausweislich der Antragsschrift vom 18.1.2002 allerdings nicht sicher, auf welchen Zeitpunkt für die Gerichtszuständigkeit letztlich abzustellen war. Der Antragstellerin ist zuzugestehen, dass der Gesetzeswortlaut hierüber unmittelbar keinen Aufschluss gibt. Hinzu kommt, dass die komplexe Struktur des Falles - Verschmelzung einer Aktiengesellschaft auf eine beherrschte Gesellschaft -, für die die Antragstellerin keine Verantwortung trägt, durchaus Fragen auch bezüglich der Gerichtszuständigkeit für etwaige Spruchverfahren aufwerfen konnte. Das Vorgehen der Antragstellerin kann daher auch in diesem Punkt nicht als eindeutig unzulässig oder gar missbräuchlich eingestuft werden; es ist auch unter Berücksichtigung der der Antragstellerin in erster Instanz erteilten rechtlichen Hinweise nicht geeignet, eine Kostentragungspflicht zu begründen, zumal der erste richterliche Hinweis vom 23./24.1.2002 ohnehin von einem anderen Verfahrensgegenstand ausging, was die Antragstellerin dann mit Schreiben vom 7.2.2002 klargestellt hat. In dem nächstfolgenden richterlichen Hinweis vom 11.2.2002 waren dann Bemerkungen zur (fehlenden) Zuständigkeit des Gerichts nicht mehr enthalten.

c) Auch im Übrigen sind keine Gesichtspunkte erkennbar, unter denen der später zurückgenommene Antrag der Antragstellerin im vorliegenden Verfahren als offensichtlich unzulässig, unbegründet oder missbräuchlich bewertet werden müsste. Im Ergebnis hat daher eine Kostenentscheidung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen für den Regelfall zu ergehen.

III.

Eine Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren ist nicht veranlasst.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus der Höhe der Kosten des Hauptsacheverfahrens erster Instanz.



Ende der Entscheidung

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