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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 10.11.2004
Aktenzeichen: 3Z BR 212/04
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 1906 Abs. 1
FGG § 20 Abs. 1
Dem Betroffenen steht gegen die Entscheidung des Vormundschaftsgerichts, mit dem ein Antrag des Betreuers auf Genehmigung der geschlossenen Unterbringung abgelehnt worden ist, kein Beschwerderecht zu.
Gründe:

I.

Für den drogenabhängigen Betroffenen, der seit längerer Zeit exzessiv Cannabis konsumiert, ist eine Betreuerin bestellt mit den Aufgabenkreisen Gesundheitsfürsorge und Aufenthaltsbestimmung. Diese beantragte am 29.7.2004, die geschlossene Unterbringung des Betroffenen auf einer Entzugsstation vormundschaftsgerichtlich zu genehmigen. Mit Beschluss vom 2.8.2004 lehnte das Amtsgericht eine Genehmigung ab.

Am 6.8.2004 beantragte die Betreuerin, die Unterbringung des Betroffenen auf einer geschlossenen psychiatrischen Station im Wege der einstweiligen Anordnung richterlich zu genehmigen. Das Amtsgericht erließ am gleichen Tag einen Beschluss, wonach es bei der Entscheidung vom 2.8.2004 sein Bewenden habe.

Der Betroffene legte gegen den Beschluss vom 2.8.2004 sofortige Beschwerde mit dem Ziel ein, eine geschlossene Unterbringung für sich zu erreichen.

Das Landgericht hat am 26.8.2004 die sofortige Beschwerde verworfen. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner sofortigen weiteren Beschwerde.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig, § 70g Abs. 3 Satz 1, § 70m Abs. 1, § 29 Abs. 2, § 27 Abs. 1 Satz 1 FGG, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde des Betroffenen zu Recht als unzulässig angesehen.

1. Das Landgericht hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet: Das Rechtsmittel des Betroffenen sei unzulässig, weil es an einer Rechtsbeeinträchtigung bei ihm fehle. Er habe keinen Anspruch darauf, geschlossen in einer Entziehungsanstalt untergebracht zu werden. Er könne sich jederzeit freiwillig der angestrebten Drogenentzugstherapie unterziehen. Einer richterlichen Genehmigung bedürfe es hierzu nicht. Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass das Rechtsmittel auch unbegründet sei, weil die Suchterkrankung als solche für die Annahme einer konkreten Eigengefährdung des Betroffenen im Sinne des § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht genüge.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand, § 27 Abs. 1 Satz 1 FGG, § 546 ZPO.

a) Wird eine vorläufige oder endgültige Unterbringungsmaßnahme abgelehnt, richtet sich das Beschwerderecht gegen eine solche Entscheidung nach § 20 Abs. 1 FGG (Keidel/Kayser FGG 15. Aufl. § 70m Rn. 14). Danach steht die Beschwerde jedem zu, dessen Recht durch eine gerichtliche Verfügung beeinträchtigt ist. Recht im Sinn des § 20 Abs. 1 FGG ist jedes von der Rechtsordnung verliehene und geschützte private oder öffentliche subjektive Recht (vgl. Bassenge/Herbst/Roth FGG/RPflG 9. Aufl. FGG § 20 Rn. 5; Keidel/Kahl § 20 Rn. 7), wobei dieses Recht materieller Natur sein muss; die Ablehnung eines Antrags allein führt noch nicht zu einem Eingriff in eine materielle Rechtsstellung. Zu prüfen ist stets, ob die Entscheidung unmittelbar nachteilig in die Rechtsstellung eines Beschwerdeführers in der Form eingreift, dass sein Recht aufgehoben, beschränkt oder gemindert wird (vgl. Bassenge/Herbst/Roth § 20 Rn. 8; Keidel/Kahl § 20 Rn. 12).

b) Ein Recht eines Betroffenen auf Entziehung seiner persönlichen Freiheit gegen seinen Willen gibt es im deutschen Recht nicht. Vielmehr steht jedem das grundgesetzlich geschützte Recht auf Freiheit zu. Auf dieses Recht kann er selbst verzichten, indem er sich freiwillig in eine Behandlung in einer geschlossenen Einrichtung begibt. Oder ein Dritter, sei es ein Betreuer oder ein hierzu Bevollmächtigter, kann unter bestimmten Umständen in sein Freiheitsrecht zwangsweise und gegen seinen Willen eingreifen, wenn dies gerichtlich genehmigt wird. Dies ist dann möglich, wenn der Betroffene mit seiner geschlossenen Unterbringung nicht oder nicht mehr einverstanden ist und die Voraussetzungen des § 1906 Abs. 1 BGB vorliegen. Lehnt das Gericht die Genehmigung einer solchen Unterbringung ab, weil es der Auffassung ist, die Voraussetzungen des § 1906 Abs. 1 BGB lägen nicht vor, ist das Freiheitsrecht des Betroffenen nicht beeinträchtigt. Es ist auch nicht ein Recht des Betroffenen auf eine bestimmte Art der ärztlichen Behandlung beeinträchtigt, weil es - wie bereits ausgeführt - dem Betroffenen freisteht, sich in die von ihm gewünschte ärztliche Behandlung zu begeben. Beeinträchtigt ist das Recht des Betreuers, gegen den Willen des Betroffenen zu dessen Wohl eine Freiheitsentziehung herbeizuführen. Deshalb steht gegen eine ablehnende Entscheidung des Vormundschaftsgerichts dem Betreuer, nicht aber dem Betroffenen ein Beschwerderecht zu.

c) Der Senat weist dennoch auf Folgendes hin: eine geschlossene Unterbringung zum Zwecke einer notwendigen Entgiftung ist in der Regel nach § 1906 Abs. 1 BGB genehmigungsfähig (vgl. Palandt/Diederichsen BGB 63. Aufl. § 1906 Rn. 11; Damrau/Zimmermann Betreuungsrecht 3. Aufl. § 1906 BGB Rn. 36; Dodegge/Roth Betreuungsrecht Unterbringung Rn. 21).

3. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 KostO. Hiernach ist der Geschäftswert regelmäßig auf 3.000 EUR, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 500.000 EUR festzusetzen. "Nach Lage des Falles" bedeutet, dass das wirtschaftliche Gewicht des Geschäfts für die Beteiligten, die Vermögenslage der Beteiligten sowie die Mühewaltung des Gerichts daraufhin abzuwägen sind, ob und inwieweit eine Abweichung vom Regelwert angebracht erscheint (vgl. BayObLG FamRZ 2003, 1128). Da weder die gerichtliche Bearbeitung des Falles noch die Vermögensverhältnisse des Betroffenen überdurchschnittlich waren, bestand kein Anlass, von dem Durchschnittswert abzurücken.

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