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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 22.08.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 221/01
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 1897 Abs. 4
FGG § 27
Der Vorschlag des Betroffenen, eine bestimmte Person zu seinem Betreuer zu bestellen, bindet das Gericht, soweit der geschäftsunfähige Betroffene seinen Wunsch mit natürlichem Willen bekunden kann.
Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung der Richter Dr. Schreieder, Dr. Plößl und Dr. Denk

am 22. August 2001

in der Betreuungssache

auf die weitere Beschwerde des Beteiligten

beschlossen:

Tenor:

I. Die weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Ingolstadt vom 1. Juni 2001 wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert wird auf 5000,00 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht bestellte am 06.10.2000 für die Betroffene deren Sohn B, zum Betreuer mit den Aufgabenkreisen Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge, Abschluss, Änderung und Kontrolle der Einhaltung des Heim- und Pflegevertrages sowie Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten und Sozialleistungsträgern. Die auf die Auswahl des Betreuers beschränkte Beschwerde des Beteiligten, des Sohnes A der Betroffenen, hat das Landgericht mit Beschluss vom 01.06.2001 zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Beteiligte mit der weiteren Beschwerde, mit der er begehrt, anstelle seines Bruders zum Betreuer der Betroffenen bestellt zu werden.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.

1. Das Landgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass gemäß § 1897 Abs. 1 BGB eine Person zum Betreuer zu bestellen sei, die geeignet sei, in den bestimmten Aufgabenkreisen die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen und ihn in dem hierfür erforderlichen Umfang persönlich zu betreuen. Hierbei seien die wünsche des Betroffenen zu berücksichtigen. Wenn ein volljähriger Betroffener eine Person vorschlage, die zum Betreuer bestellt werden könne, sei dies ein Vorschlag zu entsprechen, wenn es dem Wohl des Volljährigen nicht zuwider laufe. Darüber hinaus solle darauf Rücksicht genommen werden, wenn der volljährige Betroffene vorschlage, eine bestimmte Person nicht zu bestellen.

Im Anhörungstermin vom 28.05.2001 sei ein solcher vom freien Willen der Betroffenen bestimmter Wunsch nicht mehr eindeutig festzustellen gewesen. Die Betroffene habe aber bei der Anhörung durch den Erstrichter am 11.09.2000 mehrfach erklärt, dass sie im Altenheim bleiben und eben gerade nicht A (den jetzigen Beschwerdeführer) zum Betreuer wolle.

Dass sie damals den Sinn dieser Erklärungen auch begriffen habe, ergebe sich zur Überzeugung der Beschwerdekammer daraus, dass sie ergänzend erklärt habe, dass sie allein bleiben bzw. lieber bei fremden Leuten bleiben wolle, die sie versorgen. Ferner habe die Betroffene ihre geäußerten Wünsche damals damit begründet, dass A für sie nichts getan habe, während B (der bislang als Betreuer eingesetzte Sohn) für sie die ganze Zeit gesorgt habe. Letzterer solle deshalb auch bestimmen, wo sie sich aufhalten soll, A hingegen nicht.

Es sei davon auszugehen, dass es sich hierbei um den zumindest früher von ihrem freien Willen bestimmten Wunsch der Betroffenen handelt. Es sei auszuschließen, dass der bei der amtsgerichtlichen Anhörung geäußerte Wunsch der Betroffenen vom jetzigen Betreuer eingeredet worden sei. Darüber hinaus habe der Sachverständige ausgeführt, dass die jetzige Unterbringung in dem Pflegeheim in Pförring aus medizinischer Sicht der häuslichen Unterbringung bei dem Beschwerdeführer eindeutig vorzuziehen sei. Soweit der Beschwerdeführer hilfsweise beantragt habe, wenigstens den Aufgabenkreis der Vermögenssorge einem anderen Betreuer zu übertragen, habe nach den durchgeführten Ermittlungen der Beschwerdekammer auch diesem Hilfsantrag nicht entsprochen werden können. Es hätten sich nämlich keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der jetzige Betreuer das vorhandene Vermögen der Betroffenen nicht in deren Sinne verwenden bzw. sogar eigenen Zwecken zuführen würde.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) stand.

a) Die Erstbeschwerde konnte auf die Auswahl des Betreuers beschränkt werden (vgl. BayObLGZ 1995, 220; KG BtPrax 1995, 106).

b) Der Vorschlag des Betroffenen, eine bestimmte Person zu seinem Betreuer zu bestellen, begründet unabhängig von der Geschäftsfähigkeit des Betroffenen (BayObLGZ 1996, 136; OLG Düsseldorf FGPrax 1996, 184; OLG Hamm BtPrax 1996, 189; Jürgens Betreuungsrecht 2. Aufl. § 1897 BGB Rn. 16; HK-BUR/Bauer § 1897 BGB Rn. 59; Palandt/Diederichsen BGB 60. Aufl. § 1897 Rn. 17) einen Vorrang dieser Person vor allen anderen in Betracht kommenden Personen (OLG Köln FamRZ 1999, 811). Dem Vorschlag ist vom Gericht grundsätzlich zu entsprechen (§ 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB; BayObLG aaO; Bienwald Betreuungsrecht 3. Aufl. § 1897 BGB Rn. 47; HK7BUR/Bauer aao). Die Rechtswirksamkeit des Vorschlags setzt lediglich voraus, dass der Betroffene im Betreuungsverfahren oder zu einem früheren Zeitpunkt (§ 1897 Abs. 4 Satz 3 BGB) einen ernsthaften, von seinem natürlichen Willen getragenen Wunsch geäußert hat (BayObLG FamRZ 1999, 53; OLG Hamm BtPrax 1996, 189; Soergel/ Zimmermann BGB 13. Aufl. § 1897 Rn. 32).

Diese Bindung entfällt, wenn die Bestellung des Vorgeschlagenen dem Wohl des Betroffenen zuwiderläuft (§ 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB; OLG Düsseldorf FamRZ 1996, 1373/1374). Dies erfordert eine umfassende Abwägung aller Umstände (BayObLG BtPrax 1998, 7 4/75). Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang insbesondere auch, ob der Vorschlag dem ureigenen Willen des Betroffenen entspricht oder auf den Einfluss eines Dritten zurückgeht, der damit wirtschaftliche Interessen verfolgt (vgl. OLG Düsseldorf BtPrax 1995, 108/109). Ferner ist das persönliche Verhältnis des Vorgeschlagenen zum Betroffenen von Bedeutung (MünchKomm/Schwab BGB 3. Aufl. § 1897 Rn. 22). Um dem im Betreuungsrecht im Vordergrund stehenden Willen des Betroffenen ausreichende Geltung zu verschaffen, setzt die Nichtberücksichtigung des vom Betroffenen gemachten Vorschlags voraus, dass das Ergebnis der Abwägung deutlich gegen die Bestellung der vorgeschlagenen Person spricht (vgl. BayObLG FamRZ 1994, 323; BtPrax 1998, 74/75; Bienwald § 1897 BGB Rn. 48). Es muss die konkrete Gefahr bestehen, dass der Vorgeschlagene die Betreuung des Betroffenen nicht zu dessen Wohl führen kann oder will (vgl. OLG Köln NJWE-FER 1999, 323; Dodegge NJW 1995, 2389/2393; MünchKomm/Schwab § 1897 Rn. 22)

Kleinere Nachteile (vgl. BayObLG FamRZ 1994, 323/324), Interessenkonflikte von geringerem Gewicht (vgl. KG BtPrax 1995, 106/107; Jürgens § 1897 BGB Rn. 17) oder die Tatsache, dass e in Dritter als Betreuer geeigneter erscheint (Palandt/Diederichsen § 1897 Rn. 20; Knittel BtG § 1897 BGB Rn. 17a; Soergel/Zimmermann § 1897 BGB Rn. 34), genügen nicht, um den Willen des Betroffenen zu entkräften (BayObLG BtPrax 2000, 260). Zu erwägen ist erforderlichenfalls auch, ob die gewünschte Person nicht wenigstens für einen Teil der Aufgabenkreise zum Betreuer bestellt werden kann (BayObLG FamRZ 1994, 323/324).

c) Die Entscheidung des Landgerichts wird diesen Anforderungen gerecht.

Das Landgericht hat seine Auswahlentscheidung zutreffend auf § 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB gestützt. Nach dieser Bestimmung ist dem Vorschlag des volljährigen Betroffenen, eine bestimmte, hierzu geeignete Person zu bestellen, zu entsprechen, wenn es dem Wohl des Betroffenen nicht zuwiderläuft.

Das Landgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Betroffene den ausgewählten Betreuer i. S. des § 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB rechtswirksam vorgeschlagen hat. Es hat hierzu festgestellt, die Betroffene sei trotz ihrer geistigen Behinderung in der Lage gewesen, Wünsche in Bezug auf ihre Lebensumstände zu äußern.

Die Beurteilung des Tatrichters, ob bzw. inwieweit die Bestellung des Vorgeschlagenen dem Wohl des Betroffenen zuwiderläuft, kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur auf Rechtsfehler überprüft werden (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO), d. h. dahin, ob der Tatrichter diesen unbestimmten Rechtsbegriff verkannt hat, von ungenügenden oder verfahrenswidrig zustande gekommenen Feststellungen ausgegangen ist, wesentliche Umstände außer Betracht gelassen, der Bewertung maßgeblicher Umstände unrichtige Maßstäbe zugrundegelegt, gegen die Denkgesetze verstoßen oder Erfahrungssätze nicht beachtet hat (vgl. BayObLGZ 1991, 349/352; Jansen FGG 2. Aufl. 27 Rn. 27). Dagegen ist eine vom Tatrichter gezogene Schlussfolgerung nicht etwa deshalb rechtsfehlerhaft, weil sie nicht die einzig mögliche ist oder weil eine andere Schlussfolgerung ebenso nahe oder noch näher gelegen hätte.

Derartige Rechtsfehler hat die Kammer nicht begangen, insbesondere hat sie ihre Feststellungen verfahrensfehlerfrei getroffen. Die Kammer konnte sich im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens mit dem in Betreuungsverfahren üblichen Freibeweisverfahren begnügen. Sie hat dadurch die Vorschriften der §§ 12, 15 FGG nicht verletzt. Der von der Kammer ihrer Entscheidung zugrunde gelegte Sachverhalt trägt diese. Dafür, dass die Kammer einen wesentlichen Umstand außer Acht gelassen hätte, liegen Anhaltspunkte nicht vor. Sie hat insbesondere auch die Frage der Aufenthaltsbestimmung durch den bestellten Betreuer berücksichtigt.

Die Kammer durfte die Betroffene auch durch den beauftragten Richter anhören, da sie die für die Auswahl des Betreuers erheblichen Tatsachen auch ohne den persönlichen Eindruck von der Betroffenen zu würdigen vermochte.

Da das Landgericht den Sachverhalt ohne Rechtsfehler festgestellt hat, ist der Senat an die Feststellungen des Landgerichts gebunden (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG i.V.m. § 561 ZPO; vgl. BayObLG FamRZ 1989, 1215/1216; Bassenge/Herbst FGG/RPflG 8. Aufl. § 27 FGG Rn. 23). Soweit die weitere Beschwerde gegen die Tatsachenwürdigung des Beschwerdegerichts Einwendungen erhebt, setzt sie damit ihre Sachdarstellung an die Stelle der des Landgerichts. Damit kann sie im Rechtsbeschwerdeverfahren keinen Erfolg haben (BayObLGZ 1997, 213/216).

d) Schließlich entspricht die Nichtberücksichtigung des Beteiligten auch § 1897 Abs. 4 Satz 2 BGB, da die Betroffene sich gegen ihn als Betreuer ausgesprochen hatte.

3. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 31 Abs. 1 Satz 1, § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 2 KostO.

Ende der Entscheidung

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