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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 18.11.2004
Aktenzeichen: 3Z BR 224/04
Rechtsgebiete: FGG, KostO


Vorschriften:

FGG § 12
FGG § 15
KostO § 16
Zu den Voraussetzungen, unter denen Auslagen für einen Sachverständigen im WEG-Verfahren wegen unrichtiger Sachbehandlung niederzuschlagen sind.
Gründe:

I.

Der Antragsteller und der Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Auf dem ungefähr 1.800 m² großen Grundstück stehen zwei Häuser; die Räume in dem Haus Nr. 1 sind Sondereigentum des Antragstellers und mit einem Miteigentumsanteil von 64/100 verbunden. Die Räume im Haus Nr. 2 sind Sondereigentum des Antragsgegners und mit einem Miteigentumsanteil von 36/100 verbunden. Seit März 2000 versucht der Antragsteller, eine Baumaßnahme im Dachgeschoß und dem darüber liegenden Spitzboden des Anwesens des Antragsgegners zu verhindern. Das Amtsgericht erließ zunächst eine einstweilige Anordnung im Sinne des Antragstellers, wies aber am 3.8.2000 dessen Anträge, die mittlerweile auch auf Beseitigung der Einbauten gerichtet waren, zurück. Hiergegen erhob der Antragsteller sofortige Beschwerde, die seitdem bei dem Landgericht anhängig ist.

Am 19.2.2001 ordnete das Landgericht Beweiserhebung durch Erholung eines Sachverständigengutachtens an. Das Gutachten des Sachverständigen vom 25.6.2002 kam zu dem Ergebnis, dass die Einbauten hinsichtlich Wärmeschutz und Brandschutz unzureichend seien. Am 10.4.2003 ordnete das Landgericht die Erholung eines weiteren Gutachtens zu Fragen des Brandschutzes an. Das Gutachten wurde vom Sachverständigen am 15.12.2003 erstellt. Das Sachverständige verlangte hierfür 2.182,31 EURO und für eine schriftliche Ergänzung 435,58 EURO, die ihm aus der Staatskasse gezahlt wurden. Den Gesamtbetrag von 2.617,89 EURO forderte diese mit Kostenansatz vom 28.4.2004 = Kostenrechnung vom 10.5.2004 vom Antragsteller ein. Dieser erhob dagegen Beschwerde, die das Landgericht am 12.7.2004 als Erinnerung behandelt und zurückgewiesen hat. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG, §§ 1, 14 Abs. 3 Satz 1 KostO, aber unbegründet.

Die an den Sachverständigen nach §§ 3, 8 bis 11 ZSEG zu zahlenden Beträge können vom Antragsteller als Auslagen nach § 137 Nr. 6 KostO a.F. (§ 161 Satz 1 KostO) durch Kostenansatz eingefordert werden, weil der Antragsteller als derjenige, der das gesamte Verfahren durch seinen Antrag eingeleitet hat, unbeschadet einer späteren anders lautenden Kostenentscheidung nach § 2 Nr. 1 KostO Kostenschuldner ist und die Fälligkeit des Erstattungsanspruchs nicht den Abschluss des Beschwerdeverfahrens vor dem Landgericht voraussetzt (§ 7 KostO).

1. Die Kosten durften angesetzt werden, obwohl eine Entscheidung des mit der Hauptsache befassten Gerichts über die Tragung der Gerichtskosten gemäß § 47 WEG bisher nicht vorliegt. Die Staatskasse hat nämlich keine rechtliche Möglichkeit, eine solche Kostenentscheidung herbeizuführen (vgl. auch Korintenberg/Lappe KostO 15. Aufl. § 3 Rn. 4). Sie muss deshalb bis zum Vorliegen einer Kostenentscheidung die nach § 7 KostO fälligen Kosten von dem jedenfalls auch haftenden Antragsschuldner (§ 2 Nr. 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 KostO; Rohs/Wedewer KostO 77. ErgLfg zur 2. Aufl. § 3 Rn. 4) erheben können. Ein solcher Kostenansatz steht jedoch unter dem Vorbehalt der endgültigen Kostenentscheidung nach § 47 WEG (vgl. BayObLG JurBüro 1989, 1581/1582; BayObLGZ 1994, 188/191; Bärmann/Pick WEG 15. Aufl. § 48 Rn. 1; Bub/Wenzel WEG § 48 Rn. 4).

2. Der Einwand des Antragstellers, die Einschaltung eines weiteren Sachverständigen sei nicht erforderlich gewesen, dringt nicht durch.

a) Nach § 12 FGG hat das Gericht von Amts wegen die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen zu veranlassen und die geeignet erscheinenden Beweise aufzunehmen. Die Vorschrift gilt auch im WEG-Verfahren. Dies hat zur Folge, dass auch dort die Beteiligten auf den Umfang der Beweisaufnahme keinen entscheidenden Einfluss haben. Insbesondere unterliegt eine gerichtliche Beweisanordnung nicht der Beschwerde (vgl. Keidel/Schmidt FGG 15. Aufl. § 15 Rn. 9). Im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens kann das Gericht entsprechend § 412 Abs. 1 ZPO nach Einholung eines Gutachtens eine neue Begutachtung durch denselben oder durch einen anderen Sachverständigen anordnen (Keidel/Schmidt aaO Rn. 46 m.w.N.). Das Gericht bewegt sich dabei in einem weiten Rahmen. Gleichwohl ist es denkbar, die Kosten für eine grob fehlerhafte, unter keinem Gesichtspunkt zu rechtfertigende Beweiserhebung nach § 16 Abs. 1 Satz 1 KostO niederzuschlagen. Eine unrichtige Sachbehandlung im Sinne dieser Vorschrift liegt aber nur vor, wenn ein offen zutage tretender Verstoß gegen eindeutige gesetzliche Normen oder ein offensichtliches Versehen unterlaufen ist (vgl. Korintenberg/Bengel/Tiedtke KostO 15. Aufl. § 16 Rn. 2 m.w.N.).

b) Vorliegend ist kein Verstoß oder Versehen des Landgerichts zu erkennen, der zur Niederschlagung der Kosten für die Beweiserhebung führen könnte. Ein Teilaspekt der Brandschutzproblematik ist zwar bereits im Gutachten vom 25.6.2002 abgehandelt. Dies hinderte das Landgericht jedoch nicht, entsprechend den dargestellten Grundsätzen ein weiteres Gutachten eines anderen Sachverständigen zu speziellen Fragen des Brandschutzes einzuholen. Es unterliegt zudem nicht der Nachprüfbarkeit durch den Senat, wie weit bereits eine Überzeugungsbildung des Landgerichts aufgrund des Gutachtens vom 25.6.2002 stattgefunden hatte. Das Landgericht konnte auch unter diesem Gesichtspunkt das weitere Gutachten einholen und seine Ergänzung herbeiführen. Wenn der Antragsteller ausführt, dass der Beweis bereits durch das Gutachten vom 25.6.2002 geführt gewesen sei, gibt das seinen Standpunkt wieder, der nicht mit dem des Landgerichts übereinstimmen muss. Es liegen jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Erholung des weiteren Gutachtens und dessen Ergänzung auf sachfremden Erwägungen beruhten, die außerhalb einer legitimen Amtsermittlung lägen.

3. Die Höhe der verauslagten Beträge ist nicht zu beanstanden.

a) § 3 Abs. 1 ZSEG spricht aus, dass Sachverständige für ihre Leistungen durch die Staatskasse entschädigt werden. Die hiernach zu zahlenden Beträge werden nach § 137 Nr. 6 KostO vom Kostenschuldner erhoben. Die Auslegung dieser Vorschrift ergibt, dass vom Kostenschuldner einerseits Erstattung nur des Betrages verlangt werden kann, der von der Staatskasse an den Sachverständigen tatsächlich gezahlt wurde (vgl. Korintenberg/Lappe § 137 Rn. 14), andererseits ein tatsächlich gezahlter Betrag nur insoweit zu erstatten ist, als eine Entschädigungspflicht gegenüber dem Sachverständigen bestand (aaO Rn. 15). Dabei ist die Höhe der Sachverständigenentschädigung im Kostenansatzverfahren eigenständig zu überprüfen. Wenn nicht einmal eine gerichtliche Festsetzung der Entschädigung nach § 16 ZSEG eine Bindung für das Kostenansatzverfahren herbeizuführen vermag (§ 16 Abs. 4 ZSEG), gilt dies erst recht für den Fall, dass, wie hier, die dem Sachverständigen zu gewährende Entschädigung im Verwaltungswege bestimmt wurde (vgl. auch BayObLG JurBüro 1982, 110/111 m.w.N.).

b) Die in der Rechnung des Sachverständigen vom 15.12.2003 über insgesamt 2.182,31 EURO einzeln geltend gemachte Positionen sind hinsichtlich ihrer Notwendigkeit nicht zu beanstanden.

Der Zeitaufwand von 23,5 Stunden ist angemessen. Die Höhe der Entschädigung eines Sachverständigen bemisst sich grundsätzlich nach dem für die sachgemäße Beantwortung der Beweisfrage objektiv erforderlichen Zeitaufwand (§ 3 Abs. 2 ZSEG; vgl. BayObLGZ 1997, 353/354). Das Gericht muss zwar die Erforderlichkeit des Zeitaufwands nachprüfen (vgl. BGH NJW-RR 1987, 1470/1471), darf aber von der Richtigkeit des vom Sachverständigen angegebenen Zeitaufwands ausgehen, wenn dieser nicht im Verhältnis zur erbrachten Leistung ungewöhnlich hoch erscheint (vgl. SchlHOLG JurBüro 1989, 1173/1175; OLG Düsseldorf JurBüro 1996, 43/44).

Der für das Aktenstudium angesetzte Zeitaufwand von vier Stunden bei einem damaligen Aktenumfang von rund 230 Blatt ist nach diesem Maßstab nicht zu beanstanden (vgl. Jesnitzer/Ulrich Der gerichtliche Sachverständige 11. Aufl. Rn. 483). Dies gilt auch für den Aufwand von 2,5 Stunden für die Objektbesichtigung einschließlich Hin- und Rückfahrt angesichts der Entfernung (vgl. Jesnitzer/Ulrich Rn. 485). Der Aufwand von 17 Stunden für die Ausarbeitung und das Diktat des Gutachtens ist angesichts des Umfangs des Gutachtens von 18 Seiten gerechtfertigt, auch wenn Bilder und Grafiken hiervon einigen Raum einnehmen (vgl. Jesnitzer/Ulrich Rn. 486).

Die Höhe des Stundensatzes ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Basissatz von 50 EURO liegt im Rahmen von § 3 Abs. 2 Satz 1 ZSEG. Die Überschreitung des Basissatzes um 50 v.H. gemäß § 3 Abs. 3 Buchst. b ZSEG ist zu billigen, da der Sachverständige glaubhaft vorgetragen hat, dass er 100 % seiner Einkünfte aus Sachverständigentätigkeit beziehe.

Die Fahrtkosten von 0,27 EURO pro mit dem eigenen Kraftfahrzeug zurückgelegtem Kilometer entsprechen dem Gesetz (§ 9 Abs. 3 Nr. 1 ZSEG). Die Fahrtstrecke von 40 Kilometer erscheint glaubhaft. Die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln hätte zu einem erheblich höheren Zeitaufwand geführt, der höhere Kosten verursacht hätte als die Benützung des eigenen Kraftfahrzeugs (§ 9 Abs. 1 ZSEG). Die Positionen Fotoarbeiten, Schreibkosten und Porto sind durch § 8 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 ZSEG gerechtfertigt.

c) Gleiches gilt für die Rechnung des Sachverständigen vom 13.4.2004 über insgesamt 435,58 EURO. Sie setzt sich aus 4,5 Stunden x 75 EURO, Schreibgebühren von 30 EURO, Portogebühren von 8 EURO sowie der gesetzlichen Mehrwertsteuer zusammen. Diese Ansätze sind angemessen und im Hinblick auf die genannten gesetzlichen Vorschriften gerechtfertigt.

4. Kosten: § 14 Abs. 7 KostO a.F.

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