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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 19.09.2000
Aktenzeichen: 3Z BR 227/00
Rechtsgebiete: KostO


Vorschriften:

KostO § 7
KostO § 14
KostO § 15
KostO § 17
Die Verjährungsfrist für Rückerstattung von Kosten beginnt bereits mit der Überzahlung zu laufen.
BayObLG Beschluß

LG München I - 17 HK T 5720/00; AG München

3Z BR 227/00

19.09.00

Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Fuchs und Dr. Schmid

am 19. September 2000

in der Kostensache

betreffend Eintragungen im Handelsregister

hier: Rückerstattung von Kosten

auf die weitere Beschwerde der Beteiligten

beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 12. April 2000 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Beteiligte ist eine Kommanditgesellschaft. Am 28.3.1994 wurde im Handelsregister der Eintritt von weiteren Kommanditisten antragsgemäß eingetragen. Mit Kostenrechnung vom 11.5.1994 stellte das Amtsgericht der Beteiligten bei Zugrundelegung eines Geschäftswerts von 11850 000 DM einen Betrag von 16434,50 DM in Rechnung, den die Beteiligte im Jahre 1994 bezahlte.

Mit Schreiben vom 15.12.1999 bat die Beteiligte unter Hinweis auf die Unvereinbarkeit der angesetzten Gebühren mit dem Europäischen Recht um Überprüfung und Berichtigung der Kostenrechnung sowie Rückerstattung des überzahlten Betrages. Das Amtsgericht behandelte das Schreiben als Erinnerung und wies diese am 22.2.2000 zurück, nachdem die Staatskasse gegen einen etwaigen Rückerstattungsanspruch die Einrede der Verjährung erhoben hatte. Die dagegen erhobene Beschwerde hat das Landgericht mit der Begründung zurückgewiesen, der Rückerstattungsanspruch sei verjährt. Der Anspruch sei gemäß § 17 Abs. 2 KostO bereits mit der Zahlung der angeforderten Kosten durch den Kostenschuldner entstanden. Zu diesem Zeitpunkt habe die Verjährungsfrist zu laufen begonnen. Europarechtliche Vorgaben stünden der Einrede der Verjährung nicht entgegen.

Dagegen wendet sich die Beteiligte mit der vom Landgericht zugelassenen weiteren Beschwerde.

II.

Das zulässige Rechtsmittel (§ 14 Abs. 3 Satz 2 KostO) hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Nach § 17 Abs. 2 KostO verjähren Ansprüche auf Rückerstattung von Kosten in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Nach überwiegender Auffassung in der Rechtsprechung (OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 296; OLG Hamm NJW-RR 1999, 1229/1230; OLG Bremen OLGR 2000, 209/210; LG Bielefeld Rpfleger 2000, 300; LG Hannover NdsRpfl 2000, 111/112; LG Frankenthal NJW-RR 1999, 1158; so auch Rohs/Wedewer KostO 3. Aufl. § 17 Rn. 6) entsteht der Rückerstattungsanspruch bereits mit der Zahlung der unberechtigt angeforderten Kosten. Nach anderer Ansicht beginnt die Verjährungsfrist erst mit der Aufhebung des Kostenansatzes zu laufen (OLG Köln Rpfleger 1992, 317; Korintenberg/Lappe KostO 14. Aufl. § 17 Rn. 17; Hartmann Kostengesetze 29. Aufl. § 17 KostO Rn. 5).

2. Der Senat folgt - wie das Landgericht - der ersten Auffassung.

a) Das Gesetz enthält keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Rückzahlungsanspruch von der Änderung des Kostenansatzes abhängig sein soll.

aa) Der Anspruch der Staatskasse auf Zahlung der Gebühren wird mit der Beendigung des gebührenpflichtigen Geschäfte fällig (§ 7 KostO). Damit beginnt nach § 17 Abs. 1 KostO der Lauf der Verjährungsfrist. Entstehen und Fälligkeit sind somit nicht von der Erstellung und Hinausgabe einer Kostenrechnung (Kostenansatz, § 4 Kostenverfügung) abhängig. Der Anspruch des Kostenschuldners auf Erstattung objektiv zu Unrecht erhobener Kosten hat seine Grundlage in demselben öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis; es handelt sich bei ihm um die Kehrseite des Kostenanspruchs der Staatskasse (BayObLGZ 1998, 340/343; OLG Hamm NJW-RR 1999, 1229/1230). Leistet der Schuldner, ohne verpflichtet zu sein, so erfolgt die Leistung ohne Rechtsgrund, und die Landeskasse hat die ohne Rechtsgrund erbrachte Leistung zurückzugewähren. Da sich die Höhe der geschuldeten Kosten unmittelbar aus dem Gesetz ergibt, entsteht der Rückzahlungsanspruch mit der Überzahlung.

bb) Bei dem Kostenansatz nach § 14 KostO, §§ 4 ff. Kostenverfügung handelt es sich um einen Justizverwaltungsakt (Korintenberg/Lappe § 14 Rn. 2). Dies bedeutet aber nicht, dass die Zahlungsverpflichtung des Kostenschuldners nach Grund und Höhe durch den Kostenansatz verbindlich festgelegt wird mit der Folge, dass der Kostenansatz, solange er besteht, einen Rechtsgrund für die Leistung des Schuldners bildet. Zwar entfaltet ein Verwaltungsakt seine Wirksamkeit grundsätzlich unabhängig davon, ob die getroffene Regelung mit dem materiellen Recht übereinstimmt. Er begründet dem Betroffenen gegenüber ein rechtlich selbständiges Rechtsverhältnis, aus dem sich Rechte und Pflichten ergeben können, und welches das materiell-rechtliche Rechtsverhältnis überlagert (vgl. Kopp/ Ramsauer VwVfG 7. Aufl. § 43 Rn. 8). Welches Maß an Verbindlichkeit einem Verwaltungsakt zukommt, hat aber der Gesetzgeber zu entscheiden (Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG 5. Aufl. § 43 Rn. 13). Dies ist eine Frage der Bestandskraft des Verwaltungsakts. Gegenstand und rechtliche Tragweite der Bestandskraft lassen sich nicht einheitlich für alle Rechtsgebiete und alle Arten von Verwaltungsakten beurteilen; vielmehr muß das jeweilige materielle Recht berücksichtigt werden (Badura in Erichsen/Martens Allgem. Verwaltungsrecht 11. Aufl. S. 541). Verwaltungsakte, auf die das Verwaltungsverfahrensgesetz Anwendung findet, genießen eine hohe Bestandskraft (vgl. §§ 43 ff. VwVfG, Art. 43 ff. BayVwVfG). Das Verwaltungsverfahrensgesetz findet aber auf Kostenerstattungsansprüche keine Anwendung (§ 2 Abs. 3 Nr. 1 VwVfG; Art. 2 Abs. 3 Nr. 1 BayVwVfG), da die Kostenordnung eine eigenständige Regelung enthält.

cc) Aus § 14 Abs. 6 KostO folgt, dass der Kostenansatz nicht in Bestandskraft erwächst (OLG Hamm NJW-RR 1999, 1229/1230). Nach dieser Bestimmung tritt eine Bindungswirkung nur ein, wenn im Verfahren über die Kostenerinnerung eine Entscheidung des Gerichts ergangen ist. Ohne gerichtliche Entscheidung kann der Kostenansatz im Verwaltungsweg ohne weitere Voraussetzungen, auch zu Lasten des Kostenschuldners, geändert werden. Eine Nachforderung ist lediglich durch die Fristbestimmung des § 15 KostO beschränkt. Dies bedeutet, dass der Kostenansatz die materielle Rechtslage nicht bindend gestaltet (OLG Hamm aaO).

b) Die Gegenauffassung hätte, worauf das Landgericht zutreffend hinweist, zur Folge, dass die Verjährungsvorschrift des § 17 Abs. 2 KostO weitgehend leer liefe.

aa) Kommt es zu einer Berichtigung des Kostenansatzes, so hat der Kostenbeamte nach § 36 Abs. 3 Satz 1 Kostenverfügung durch Kassenanordnung die Rückzahlung bereits geleisteter Gebühren anzuordnen. Mit der Aufhebung des Kostenansatzes wird somit von Amts wegen die Rückzahlung der zu Unrecht vereinnahmten Kosten veranlaßt. Der Kostenschuldner braucht seinen Rückerstattungsanspruch nicht gesondert geltend zu machen und läuft deshalb nicht Gefahr, dass sein Anspruch an der Verjährungsfrist des § 17 Abs. 2 KostO scheitert (OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 296).

bb) Verlangt der Kostenschuldner mehr als vier Jahre nach Kostenansatz und Zahlung der mit ihm geforderten Gebühren die Rückzahlung von Gebühren und verbindet er sein Rückzahlungsverlangen mit einer Erinnerung gegen den Kostenansatz, bleibt nach der Gegenansicht die Verjährungsvorschrift des § 17 Abs. 2 KostO weitgehend wirkungslos. Da die Verjährungsfrist dann erst mit Aufhebung des Kostenansatzes zu laufen beginnen würde, wäre es ohne Bedeutung, welcher Zeitraum seit Erlaß des Kostenansatzes und erfolgter Zahlung verstrichen ist. Der Kostenschuldner könnte - in den Grenzen der Verwirkung - seinen Rückerstattungsanspruch auch noch nach Ablauf eines Zeitraumes, der ein Mehrfaches der Verjährungsfrist des § 17 Abs. 2 KostO ausmacht, durchsetzen. Ein solches Ergebnis wäre mit dem Zweck der in § 17 Abs. 2 KostO getroffenen Verjährungsregelung unvereinbar (OLG Düsseldorf aaO), die, wie jede Verjährung, nach Ablauf einer bestimmten Zeit Rechtsfrieden schaffen soll (vgl. BGHZ,128, 74/82; Palandt/Heinrichs BGB 59. Aufl. Überbl v § 194 Rn. 4). Denn anders als für die Inanspruchnahme des Kostenschuldners (vgl. § 15 KostO), kennt die Kostenordnung für den Rückerstattungsanspruch neben der Verjährungsfrist keine zeitliche Grenze für eine Berichtigung des Kostenansatzes zu Lasten der Staatskasse.

c) Europäische Rechtsvorschriften stehen der Einrede der Verjährung nicht entgegen. Zu Recht geht das Landgericht davon aus, dass das Gemeinschaftsrecht es den Mitgliedsstaaten nicht verwehrt, sich gegenüber Klagen auf Erstattung richtlinienwidrig erhobener Abgaben auf eine nationale Verjährungsfrist zu berufen, die vom Zeitpunkt der Fälligkeit der betreffenden Forderung an läuft. Der Europäische Gerichtshof läßt dies zu, sofern diese Frist für die Geltendmachung auf Gemeinschaftsrecht gestützter Ansprüche nicht ungünstiger ist als für die Geldmachtung auf nationales Recht gestützter Ansprüche und die Ausübung der durch die Gemeinschaftsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird (EuGH ZIP 1998, 206/211). Die Berufung auf die Verjährung stellt auch keine unzulässige Rechtsausübung dar. Insoweit ist ein strenger Maßstab anzuwenden (Palandt/Heinrichs Überbl v § 194 Rn. 10). Unzulässig ist die Verjährungseinrede nur bei wirklich schweren Verstößen gegen Treu und Glauben, so, wenn der Schuldner den Gläubiger durch sein Verhalten von der rechtzeitigen gerichtlichen Geltendmachung abgehalten hat oder wenn der Gläubiger nach objektiven Maßstäben darauf vertrauen durfte, sein Anspruch werde ohne Rechtsstreit befriedigt oder vom Schuldner nur mit Einwendungen in der Sache bekämpft (BGHZ 93, 64/66; NJW 1988, 265/266; 2245/2247). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt (§ 14 Abs. 5 KostO).

Ende der Entscheidung

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