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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 24.08.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 231/01
Rechtsgebiete: FGG, FreihEntzG


Vorschriften:

FGG § 21 Abs. 1
FGG § 19
FreihEntzG § 7 Abs. 4
Zur Frage der Wahrung der Rechtsmittelfrist beim Eingang der Beschwerdeschrift bei der gemeinsamen Einlaufstelle mehrerer Gerichte, wenn das Rechtsmittel nicht an das zuständige sondern an ein unzuständiges zu diesen Gerichten zählendes Gericht adressiert ist.
Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung der Richter Dr. Schreieder, Dr. Plößl und Dr. Denk

am 24. August 2001

in der Abschiebungshaftsache

auf die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 23. Mai 2001 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hersbruck vom 21. März 2001 als unzulässig verworfen wird.

Gründe:

I.

Die Ausländerbehörde betrieb die Abschiebung des Betroffenen, eines angolanischen Staatsangehörigen.

Mit Beschluss vom 21.3.2001 ordnete das Amtsgericht gegen ihn zur Sicherung seiner Abschiebung mit sofortiger Wirksamkeit Abschiebungshaft bis längstens 21.6.2001 an. Eine Ausfertigung des Beschlusses mit einer Rechtsmittelbelehrung wurde dem Betroffenen nach Erlass übergeben.

Die vom Betroffenen hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde, die am 10.4.2001 bei dem Amtsgericht einging, hat das Landgericht mit Beschluss vom 23.5.2001 zurückgewiesen. Dagegen wandte sich der Betroffene mit der am 11.6.2001 eingegangenen sofortigen weiteren Beschwerde.

Der Betroffene erklärte nach Ablauf der angeordneten Haftdauer die Hauptsache für erledigt und beantragte, die Kosten der Ausländerbehörde aufzuerlegen.

II.

1. Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.

Zwar ist nach ihrer Einlegung die angeordnete Haftdauer abgelaufen, was grundsätzlich zur Erledigung der Hauptsache führt (vgl. BayObLGZ 1989, 227/228 ff.). Für eine Hauptsacheerledigung mit der Möglichkeit für den Betroffenen, sein Rechtsmittel auf den Kostenpunkt zu beschränken, ist jedoch kein Raum, wenn die Haftanordnung des Amtsgerichts vor dem erledigenden Ereignis rechtskräftig geworden ist. Im Zivilprozess kann die Hauptsacheerledigung nur festgestellt werden, wenn die Klage vor Eintritt des erledigenden Ereignisses zulässig war (vgl. BGH NJW 1986, 588/589; 1992, 2235J2236 m.w.N.). Auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit liegt eine Hauptsacheerledigung nur dann vor, wenn durch Eintritt des erledigenden Ereignisses die Voraussetzungen für eine gerichtliche Entscheidung über den Verfahrensgegenstand nicht mehr gegeben sind (vgl. BayObLGZ 1990, 130/131; Keidel/Kahl, FGG 14, Aufl. § 19 Rn. 85). Ist eine Sachentscheidung bereits vor Eintritt des erledigenden Ereignisses nicht mehr möglich, kommen die Regeln zur Hauptsacheerklärung nicht zur Anwendung.

2. Die weitere sofortige Beschwerde ist unbegründet, weil die Erstbeschwerde, was das Landgericht verkannte, unzulässig ist. Die sofortige Beschwerde gegen die Anordnung der Abschiebungshaft durch das Amtsgericht wurde nicht binnen einer Frist von zwei Wochen eingelegt (§ 22 Abs. 1 Satz 1 FGG; § 3 Satz 2, § 7 Abs. 1 FreihEntzG; § 103 Abs. 2 Satz 1 AuslG). Die Frist begann mit der Übergabe einer mit einer Rechtsmittelbeiehrung versehenen Beschlussausfertigung an den Betroffenen (§ 16 Abs. 2 Satz 1 FGG; § 170 ZPO) am 21.3.2001 (§ 22 Abs. 1 Satz 2 FGG). Sie endete somit mit Ablauf des 4.4.2001 (§ 17 Abs. 1 FGG; § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB). Die Frist ist gewahrt, wenn das Rechtsmittel rechtzeitig am richtigen Ort eingelegt wird (§ 21 Abs. 1 FGG). Das ist hier nicht der Fall, da die Beschwerdeschrift innerhalb der Frist weder bei dem Amtsgericht H., das die Abschiebungshaft angeordnet hatte, noch bei dem Landgericht N.-F., das dem Amtsgericht H. als Beschwerdegericht vorgeordnet ist, eingegangen ist.

Bei dem Amtsgericht H. ging die Beschwerdeschrift der damaligen Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen vom 30.3.2001 am 10.4.2001 ein. Der Eingang am 3.4.2001 bei der gemeinsamen Einlaufstelle der Gerichte und Staatsanwaltschaften in N., von wo aus die Beschwerdeschrift an das Amtsgericht H. weitergeleitet wurde, wahrte die Frist nicht. Die gemeinsame Einlaufstelle ist nach dem mit ihrer Einrichtung verfolgten Sinn und Zweck nur eine Durchgangsstelle für die bei ihr eingehenden und an den Adressaten weiterzuleitenden Schriftstücke. Sie kann daher Schriftstücke grundsätzlich nur für den Adressaten in Empfang nehmen. Dessen Bestimmung ist Sache des Einsenders, nicht der gemeinsamen Einlaufstelle. Wird demnach bei einer gemeinsamen Einlaufstelle mehrerer Gerichte eine Beschwerdeschrift unter der Anschrift eines bestimmten Gerichts abgegeben, so gilt sie bei diesem Gericht als eingereicht, nicht aber ohne weiteres bei einem zuständigen anderen Gericht, das sich derselben Einlaufstelle bedient. Dies gilt jedenfalls dann, wenn nicht lediglich ein Schreibfehler in der Angabe des Empfängers vorliegt, sowie dann, wenn eine unrichtige Bezeichnung des Gerichts gewählt ist und die Einlaufstelle die Beschwerdeschrift mangels erkennbaren anderen willens des Absenders an den angegebenen Adressaten, nicht an die wirklich zuständige Stelle, weiter gibt (vgl. BayObLGZ 1953, 336/339; 1966, 428/430; BayObLG Beschluss vom 7.7.1982 Gz. 1Z 13/82 - redaktioneller Leitsatz bei Goerke Rpfleger 1983, 9110).

Das Amtsgericht H. gehört nicht zu den Gerichten in N., für die die gemeinsame Einlaufstelle eingerichtet ist. An das Landgericht N.-F., das zu den Gerichten in N. zählt, war hingegen die Beschwerdeschrift nicht adressiert. Die Beschwerdeschrift war vielmehr an das nicht mit der Sache befasste Amtsgericht N. gerichtet, was durch den in ihr enthaltenen Antrag, "die Haftanordnung des Amtsgerichts N. aufzuheben", noch untermauert wird. Bei diesem Gericht konnte das Rechtsmittel nicht angebracht werden, auch wenn sich der Betroffene zu dieser Zeit im Bereich dieses Gerichts in Haft befand; § 7 Abs. 4 FreihEntzG gilt nur für die weitere Beschwerde, nicht aber für die Erstbeschwerde.

Die Beschwerdeschrift wurde zwar an das Amtsgericht H. weitergeleitet, ging dort aber, wie bereits ausgeführt, verspätet ein. Bei dem Landgericht N.-F. ging sie erst anschließend durch die vom Amtsgericht H- veranlasste Aktenvorlage am 18.4.2001 ein.

Die vom Betroffenen abgegebene Erledigungserklärung, verbunden mit der Beschränkung des Rechtsmittels auf die Kosten, kommt wegen der Unzulässigkeit der Erstbeschwerde nicht zum Tragen (vgl. auch BGHZ 50, 197/198; Beschluss des Senats vom 17.8.2000 Gz. 3Z BR 243/2000).

Ende der Entscheidung

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