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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 02.08.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 237/01
Rechtsgebiete: FGG, AuslG, FreihEntzG


Vorschriften:

FGG § 12
AuslG § 57 Abs. 2 Satz 4
FreihEntzG § 5 Abs. 1 Satz 1
Zur Frage, inwieweit das Beschwerdegericht verpflichtet ist, den Ausländer wegen der ungeklärten Staatsangehörigkeit erneut anzuhören, wenn die Abschiebungshaft unzulässig sein könnte.
Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung der Richter Dr. Schreieder, Dr. Plößl und Dr. Denk

am 2. August 2001

in der Abschiebungshaftsache

auf die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen

beschlossen:

Tenor:

I. Der Beschluss des Landgerichts Amberg vom 28. Juni 2001 wird aufgehoben.

II. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht Amberg zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Die Ausländerbehörde betreibt die Abschiebung des Betroffenen, eines Ausländers ungeklärter Staatsangehörigkeit.

Mit Beschluss vom 26.6.2001 ordnete das Amtsgericht gegen ihn zur Sicherung seiner Abschiebung mit sofortiger Wirksamkeit Abschiebungshaft bis längstens sechs Wochen im Anschluss an die bestehende Untersuchungshaft an.

Die vom Betroffenen hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde hat das Landgericht am 28.6.2001 zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Betroffene mit der sofortigen weiteren Beschwerde.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg. Die angefochtene Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand (§ 103 Abs. 2 Satz 1 AuslG, § 3 Satz 2 FreihEntzG, § 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO). Das Landgericht hat den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht verfahrensfehlerfrei festgestellt. Die Sache war daher unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses an das Landgericht zurückzuverweisen.

1. Die Begründung der Beschwerdeentscheidung zum Haftgrund des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AuslG ist rechtlich nicht zu beanstanden. Nach den Feststellungen des Landgerichts hat sich der Betroffene mit einem für eine andere Person ausgestellten litauischen Pass ausgewiesen. Dies rechtfertigt die Annahme des begründeten Verdachts, der Betroffene wolle sich der Abschiebung entziehen (vgl. BayObLGZ 1993, 127 f.; OLG Düsseldorf InfAus1R 1995, 233/234; OLG Ham NVWZ 1995, 826).

2. Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Anordnung von Abschiebungshaft im Anschluss an die bestehende Untersuchungshaft (vgl. BGHZ 129, 98/101). Die derzeitige Verweigerung der Zustimmung der Staatsanwaltschaft zur Durchführung der Abschiebung (§ 64 Abs. 3 AuslG) bildet kein Hindernis für diese Anordnung, da der staatliche Strafanspruch innerhalb von drei Monaten (§ 57 Abs. 2 Satz 4 AuslG) etwa durch Verurteilung zu freiheitsentziehenden Maßnahmen, die durch Anrechnung der Untersuchungshaft möglicherweise als vollständig verbüßt gelten könnten, oder durch rechtskräftigen Freispruch erledigt sein kann (vgl. OLG Düsseldorf FGPrax 2001, 130).

3. Das Landgericht ist jedoch seiner Pflicht zu umfassender Sachaufklärung (§ 12 FGG) nicht nachgekommen. Es hätte insbesondere nicht davon absehen dürfen, den Betroffenen mündlich zu hören.

Das Landgericht hat angenommen, der Betroffene sei nach eigenen Angaben weißrussischer Staatsangehöriger. Zwar geht das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in seinen Bescheiden vom 8.6.2000 und vom 25.1.2001 von der weißrussischen Staatsangehörigkeit des Betroffenen aus. Der Betroffene selbst gab sich jedoch bei seiner Anhörung am 26.6.2001 als staatenlos aus, während die Ausländerbehörde in ihrem Ausweisungsbeschluss vom 23.5.2001 von der litauischen Staatsangehörigkeit des Betroffenen ausgeht, obwohl dieser vorgebracht hat, der von ihm gebrauchte litauische Pass gehöre nicht ihm. Unter diesen Umständen, insbesondere im Hinblick auf die vom Betroffenen behauptete Staatenlosigkeit, hätte das Landgericht der Frage nachgehen müssen, ob die Abschiebung des Betroffenen innerhalb von drei Monaten durchgeführt werden kann (§ 57 Abs. 2 Satz 4 AuslG). Es kam in Betracht, dass die Anhörung des Betroffenen durch das Landgericht insoweit sachdienliche Erkenntnisse erbringen konnte, nicht zuletzt zur Verwendbarkeit des litauischen Passes für die Abschiebung des Betroffenen.

Ende der Entscheidung

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