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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 21.01.2004
Aktenzeichen: 3Z BR 239/03
Rechtsgebiete: KostO


Vorschriften:

KostO § 92 Abs. 1
KostO § 27 Abs. 1
KostO § 31 Abs. 3
1. Die Festsetzung des Geschäftswerts für eine Jahresgebühr in Betreuungssachen wirkt sich rechtlich auf die Folgejahre grundsätzlich nicht aus. Der Umstand, dass das Amtsgericht auch in den Folgejahren an den Grundsätzen seiner Bewertung festhält, führt nicht zu einer Erhöhung des Beschwerdewerts, wenn die Staatskasse die ursprüngliche Festsetzung des Geschäftswerts anficht.

2. Zur Ermittlung der Jahresgebühr und des hierfür maßgeblichen Geschäftswerts in Betreuungssachen.

3. Zur Behandlung doppelrelevanter Tatsachen (hier Nichterreichung des für Erst- und weitere Beschwerde gleichen Beschwerdewerts).


Gründe:

I.

Für die 81 Jahre alte Betroffene wurde am 9.5.2000 Betreuung mit einem weitreichenden Aufgabenkreis, der unter anderem die Vermögenssorge enthält, angeordnet. Am 3.11.2000 bewertete das Vormundschaftsgericht das für die Jahresgebühr 2000/2001 maßgebliche Vermögen der Betroffenen mit 662.915,74 DM und erhob eine daraus folgende Gebühr von 620 DM. Es berücksichtigte dabei Bankkonten mit 13.581,14 DM, landwirtschaftliche Grundstücke im Grundbuchbezirk M. mit 241.605 DM und ein Dreifamilienhaus in V. mit 407.729,60 DM. Auf Prüfungsbericht des Rechnungsbeamten vom 21.2.2001 hin wurden zwei weitere Bankkonten und ein Bausparvertrag zusätzlich berücksichtigt, so dass am 26.2.2001, nunmehr ausgehend von einem Vermögen von 688.855,70 DM, 20 DM Gebühr (zuzüglich Rechnungsgebühren) nacherhoben wurden.

Mit Schreiben vom 22.1.2003 beantragte die Staatskasse die Durchführung eines Wertermittlungsverfahrens, da nach ihrer Auffassung dem für die Jahresgebühr maßgeblichen Vermögen zusätzlich zu den genannten Werten der Wert eines Leibgedings, das der Betroffenen und ihrem zwischenzeitlich verstorbenen Ehemann bei Hofübergabe 1985 bestellt worden war, und der Wert eines Nießbrauchs an einem 12.061 m² großen Waldstück mit rund 60-jährigem Holzbestand hinzugerechnet werden müsse. Dies wurde dem Betreuer durch Schreiben des Vormundschaftsgerichts vom 20.2.2003 mitgeteilt.

Nach einigen Erhebungen erließ das Vormundschaftsgericht am 20.6.2003 einen Beschluss, durch den es den Geschäftswert für das Betreuungsverfahren zum Beginn des Verfahrens am 24.5.2000 auf 688.855,70 DM entsprechend 352.206,32 EUR festsetzte. Den Nießbrauch am Wald bewertete es dabei mit Null, weil ein Kahlschlag nicht möglich sei, die Pflegekosten aber höher seien als der Ertrag. Das Leibgeding gewähre eine Rente, die als Einkommen, vergleichbar einer gesetzlichen Altersrente, nicht als Vermögen anzusehen sei. Daher sei das Leibgeding bei dem maßgeblichen Vermögen ebenfalls nicht zu berücksichtigen.

Die gegen diesen Beschluss eingelegte Beschwerde der Staatskasse hat das Landgericht am 8.10.2003 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Staatskasse.

II.

1. Die vom Landgericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassene weitere Beschwerde ist zulässig.

Zwar übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstands 50 EUR nicht (§ 14 Abs. 3 Satz 2, § 31 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz KostO, s. unter 2.). Da jedoch auch die Zulässigkeit der Erstbeschwerde von demselben Beschwerdewert abhängt (§ 31 Abs. 3 Satz 1 1. Halbsatz KostO), sind die hierfür maßgeblichen Tatsachen identisch mit den Tatsachen, von denen die Begründetheit der weiteren Beschwerde abhängt (sog. doppelrelevante Tatsachen). Ihre Prüfung ist daher in die Begründetheitsprüfung zu verlagern (vgl. BGHZ 124, 240/241; BayObLG FamRZ 1994, 1061; Keidel/Kahl FGG 15. Aufl. § 20 Rn. 18).

2. Das Rechtsmittel ist jedoch unbegründet, da die Erstbeschwerde unzulässig war. Der Beschwerdewert überstieg 50 EUR nicht.

a) Maßgeblich für den Wert des Beschwerdegegenstands einer Geschäftswertbeschwerde der Staatskasse ist die Gebührenerhöhung, welche die Beschwerdeführerin mit der angestrebten Erhöhung des Geschäftswerts erreichen will (vgl. Korintenberg/Lappe KostO 15. Aufl. § 31 Rn. 58). Nach § 92 Abs. 1 Satz 1 und 2 KostO in der am 9.5.2000 geltenden und demnach hier maßgeblichen Fassung (§ 161 Satz 1, § 92 Abs. 1 Satz 4 KostO) wurde bei Dauerbetreuungen für jedes angefangene Kalenderjahr eine Gebühr in Höhe von 10 DM für jede angefangenen 10.000 DM erhoben, um die das Vermögen des Fürsorgebedürftigen nach Abzug der Verbindlichkeiten 50.000 DM übersteigt, wobei der Wert eines vom Betroffenen ganz oder teilweise bewohnten angemessenen Hausgrundstücks bei der Ermittlung des Vermögens nicht mitgerechnet wird (§ 92 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz KostO, § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG). Beträgt der angefochtene Geschäftswert, wie hier, 688.855,70 DM, müsste eine Geschäftswerterhöhung um 91.144,31 DM angestrebt werden, um eine Gebührenerhöhung um 100 DM entsprechend 51,13 EUR erlangen und damit den Beschwerdewert von mehr als 50 EUR erreichen zu können.

b) Eine Geschäftswerterhöhung um 91.144,31 DM oder mehr ist auch für den Fall, dass die Staatskasse mit ihrer Rechtsauffassung hinsichtlich der zusätzlich einzubeziehenden Vermögensgegenstände durchdringen sollte, nicht denkbar.

Die Beschwerdeführerin bewertet das Leibgeding mit monatlich 900 DM. Das ergäbe gemäß § 24 Abs. 2 KostO einen Wert von 54.000 DM, da die Betroffene bei Fälligkeit der Gebühr noch nicht über 80 Jahre alt war. Für den Nießbrauch soll nach Meinung der Staatskasse mindestens 3.500 EUR anzusetzen sein (Beschwerdeschriften vom 11.8.2003 und 4.11.2003). Auch unter Heranziehung von § 24 Abs. 5 KostO ergäbe sich kein höherer Wert (vgl. auch Jansen FGG 2. Aufl. Vorbem. § 19 Rn. 21). Zu einer Geschäftswerterhöhung im erforderlichen Maße führt somit auch bei großzügiger, noch vertretbarer Wertung im Sinne der Staatskasse kein Weg.

c) Eine Verdreifachung der angestrebten Erhöhung der Jahresgebühr, wie sie von der Staatskasse im Hinblick darauf vorgenommen wird, dass sich die Rechtsauffassung des Amts- und Landgerichts auch bei den Gebühren der Jahre 2002 und 2003 auswirkt, ist nicht statthaft. Der Beschluss des Amtsgerichts vom 20.6.2003 bezieht sich ausweislich seines Beschlusstenors nur auf den Geschäftswert für die Jahresgebühr 2000/2001. Dies entspricht dem Grundsatz, dass der Geschäftswert für jede Jahresgebühr entsprechend dem jeweiligen Vermögensstand des Betroffenen gesondert zu ermitteln ist (vgl. Korintenberg/Lappe § 92 Rn. 85 und 89, Rohs/Wedewer KostO 69. ErgLfg zur 2. Aufl. § 92 Rn. 18), und wird nach Aktenlage auch dadurch bestätigt, dass das Gericht bei der Festsetzung der einzelnen Gebühren für die Folgejahre jeweils unterschiedliche Werte zugrunde gelegt hat. Somit ist der Gegenstand der Verfahren der Beschwerde und der weiteren Beschwerde festgelegt. Eine nachträgliche Erweiterung ist nicht mehr möglich (vgl. Jansen § 27 Rn. 38).



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