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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 08.03.2004
Aktenzeichen: 3Z BR 242/03
Rechtsgebiete: FGG
Vorschriften:
FGG § 20 Abs. 1 | |
FGG § 69g Abs. 1. Abs. 4 Nr. 3 |
Gründe:
I.
Für die Betroffene bestellte das Amtsgericht am 20.5.2003 einen Rechtsanwalt als Betreuer für die Aufgabenkreise Vermögenssorge und Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern. Der Aufgabenkreis wurde am 17.8.2003 um den Bereich Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post sowie Entscheidung über den Fernmeldeverkehr erweitert.
Der von der Betroffenen gegen den amtsgerichtlichen Beschluss eingelegten Beschwerde hat das Landgericht am 10.11.2003 stattgegeben und den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben.
Hiergegen wenden sich der ehemalige Betreuer und die weitere Beteiligte, eine Nichte der Betroffenen, mit ihren weiteren Beschwerden.
II.
1. Die weitere Beschwerde des ehemaligen Betreuers ist unzulässig. Ihm steht kein Beschwerderecht gegen die Entscheidung des Landgerichts zu, die Betreuerbestellung wieder aufzuheben.
a) Die Beschwerde in Betreuungssachen steht nach § 20 Abs. 1 FGG zunächst jedem zu, dessen Recht durch die getroffene Verfügung beeinträchtigt ist. Eine solche Rechtsbeeinträchtigung kann der ehemalige Betreuer hier aber nicht geltend machen. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens war die Frage, ob für die Betroffene eine Betreuung erforderlich ist. Dies hat das Landgericht verneint. Einen Anspruch auf die Stellung als Betreuer hat der Beschwerdeführer nicht eine Betreuung wird nicht in seinem Interesse, sondern ausschließlich im Interesse der Betroffenen angeordnet (vgl. Keidel/Kayser FGG 15. Aufl. § 69g Rn. 23). Es handelt sich hier nicht um eine Entlassung des Betreuers, gegen welche dem Betreuer, wenn er gegen seinen Willen entlassen wird, die sofortige Beschwerde wegen des Eingriffs in seine Rechtsstellung zusteht, vgl. § 69g Abs. 4 Nr. 3 FGG. Mit "Entlassung" spricht das Gesetz die "Auswechslung" des Betreuers nach § 1908b BGB bei weiterhin bestehender Betreuung an. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist aber nicht eine bloße Änderung der betreuenden Person, sondern die Frage, ob überhaupt die Voraussetzungen für eine Betreuung gegeben sind.
b) Eine Beschwerdebefugnis ergibt sich auch nicht aus § 69g Abs. 1 FGG. Zwar fällt die Aufhebung des amtsgerichtlichen Beschlusses durch das Landgericht unter die in § 69g Abs. 1 FGG aufgezählten Verfahrensgegenstände, weil in dem Beschluss die Bestellung eines Betreuers aufgehoben und im Grunde genommen für die Betroffene abgelehnt wird. Der Betreuer fällt aber nicht unter den in § 69g Abs. 1 FGG genannten Personenkreis.
2. Die weitere Beschwerde der weiteren Beteiligten ist zulässig, §§ 27, 29, 69g Abs. 1 Satz 1 FGG, aber nicht begründet. Die Entscheidung des Landgerichts hält rechtlicher Nachprüfung stand. Die Einschätzung des Landgerichts, zum jetzigen Zeitpunkt sei eine Betreuung für die Betroffene nicht erforderlich, ist nicht zu beanstanden.
a) Das Landgericht hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet.
Die Voraussetzungen für eine Betreuerbestellung lägen nicht vor. Gegen den Willen eines Betroffenen dürfe ein Betreuer nur bestellt werden, wenn der Betroffene aufgrund seiner psychischen Erkrankung seinen Willen nicht mehr frei bestimmen könne. Dies sei nach dem eingehenden und überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Dr. Sch., einem Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, nicht der Fall. Die hochbetagte Betroffene, die minimale kognitive Defizite aufweise, leide jedenfalls derzeit nicht an einer psychischen Krankheit, sie sei geschäftsfähig und in der Lage, ihren Willen frei zu bestimmen. Sie könne daher auch noch wirksame Vollmachten ausstellen. Dem stehe das Erstgutachten des Sachverständigen Dr. W., in welchem eine Betreuungsbedürftigkeit bejaht worden sei, nicht entgegen. Dieses Gutachten sei ungenügend gewesen. Während der Sachverständige Dr. Sch. zur Feststellung eines hirnorganischen Psychosyndroms verschiedene psychologische Tests durchgeführt habe, lasse das Gutachten des Dr. W. jegliche nähere nachvollziehbare Begründung dazu vermissen, warum die ausreichend orientierte, wache und bewusstseinsklare Betroffene außerstande sein solle, ihren Willen in Teilbereichen noch frei zu bestimmen.
b) Diese Feststellungen des Landgerichts sind verfahrensfehlerfrei getroffen, damit für den Senat bindend und führen zu dem Ergebnis, dass die Betroffene jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt nicht betreuungsbedürftig ist.
Das Vormundschaftsgericht darf nur dann für einen Betroffenen einen Betreuer bestellen, wenn dieser aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer geistigen, seelischen oder körperlichen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht zu besorgen vermag (§ 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Bestellung eines Betreuers von Amts wegen, also ohne Antrag des Betroffenen und gegen seinen Willen, setzt weiter voraus, dass der Betroffene aufgrund seiner Krankheit oder Behinderung seinen Willen nicht frei bestimmen kann (vgl. BayObLG FamRZ 2000, 189; 2002, 1145).
Das Landgericht durfte aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Sch. den Schluss ziehen, dass die Betroffene trotz ihres hohen Alters nicht an einer psychischen Krankheit oder an einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung leidet. Die Würdigung von Sachverständigengutachten ist Teil der Tatsachenfeststellung durch den Tatrichter. Diese darf vom Rechtsbeschwerdegericht nur auf Rechtsfehler nachgeprüft werden, also darauf, ob das Beschwerdegericht den maßgeblichen Sachverhalt ausreichend erforscht und alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat, nicht gegen gesetzliche Beweisregeln, gegen Denkgesetze oder feststehende Erfahrungssätze verstoßen hat und ob es die Beweisanforderungen zu hoch oder zu niedrig angesetzt hat (BayObLG FamRZ 1999, 817/818). Die Würdigung eines Sachverständigengutachtens ist insbesondere auch darauf zu überprüfen, ob der Tatrichter das Ergebnis des Gutachtens kritiklos hingenommen oder unter Nachvollziehung der Argumentation des Sachverständigen dessen Feststellungen und Schlussfolgerungen selbständig auf ihre Tragfähigkeit geprüft und sich eine eigene Überzeugung gebildet hat (vgl. BayObLG FamRZ 1999, 817/818 m.w.N.; Keidel/Meyer-Holz § 27 Rn. 43).
Ein derartiger Rechtsfehler ist nicht erkennbar. Das Landgericht hat sich nicht nur eingehend mit dem Gutachten selbst, sondern auch mit den Widersprüchen zu einem kurz zuvor eingeholten Gutachten auseinandergesetzt, welches zu dem gegenteiligen Ergebnis gelangt ist. Die Beurteilung, das Gutachten des Dr. Sch. sei aussagekräftiger, weil seine Schlussfolgerungen auf verschiedenen psychologischen Tests beruhten, während der Gutachter Dr. W. seine Schlussfolgerungen nicht derart untermauert habe und auch eine Begründung dafür schuldig geblieben sei, warum die bewusstseinsklare und wache Betroffene zu einer freien Willensbildung nicht mehr in der Lage sei, weist keine Fehler auf. Wegen der unterschiedlichen Wertigkeit der beiden Sachverständigengutachten bestand für das Landgericht auch keine Veranlassung dazu, ein weiteres Gutachten einzuholen.
3. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 KostO. Hiernach ist der Geschäftswert regelmäßig auf 3.000 EUR, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 500.000 EUR festzusetzen. "Nach Lage des Falles" bedeutet, dass das wirtschaftliche Gewicht des Geschäfts für die Beteiligten, die Vermögenslage der Beteiligten sowie die Mühewaltung des Gerichts daraufhin abzuwägen sind, ob und inwieweit eine Abweichung vom Regelwert angebracht erscheint (vgl. BayObLG FamRZ 2003, 1128). Hier hat die gerichtliche Bearbeitung des Falles zwar keine außergewöhnliche Mühe erfordert, doch war in Anbetracht des erheblichen Vermögens der Betroffenen die wirtschaftliche Auswirkung einer möglichen Betreuung hoch anzusetzen. Der Senat hält daher einen Geschäftswert von 10.000 EUR für angemessen, aber auch ausreichend.
Ende der Entscheidung
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