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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 30.12.2003
Aktenzeichen: 3Z BR 244/03
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 1908b
FGG § 69g Abs. 1
FGG § 69i Abs. 7, 8
Lehnt das Vormundschaftsgericht das Begehren des Sohnes eines Betroffenen ab, den bestellten Betreuer zu entlassen und ihn selbst zum Betreuer zu bestellen, so steht dem Sohn gegen eine solche Entscheidung ein Beschwerderecht nicht zu.
Gründe:

I.

Das Amtsgericht ordnete mit Beschluss vom 22.5.2001 die Betreuung der Betroffenen in mehreren Aufgabenkreisen an und bestellte einen Berufsbetreuer. Mit Beschluss vom 15.11.2001 wurde die Betreuung noch um zusätzliche Aufgabenkreise erweitert.

Der Beteiligte, ein Sohn der Betroffenen, hatte sich bereits mit Schreiben vom 23.7.2001 gegen eine Erweiterung der Betreuung hin auf eine "Vollbetreuung" der Betroffenen ausgesprochen und hilfsweise gebeten, ihn selbst insoweit als Betreuer einzusetzen. Es gehe ihm, wie der Beteiligte betonte, "nicht um ein Misstrauen" gegen den bestellten Betreuer. Mit Schreiben vom 18.2.2003 stellte der Beteiligte "auch im Namen und mit Wunsch" seiner Mutter den Antrag, die gesamte Betreuung auf ihn zu übertragen. Er betonte dabei nochmals, die Einsetzung eines "neutralen Berufsbetreuers" anfangs begrüßt zu haben, meinte aber, dass nunmehr der "vom Gesetz vorgesehene Normalzustand" herbeizuführen sei.

Das Amtsgericht lehnte den Antrag des Beteiligten auf einen Betreuerwechsel und Einsetzung seiner Person als Betreuer mit Beschluss vom 20.6.2003 ab. Hiergegen legte der Beteiligte namens seiner Mutter Beschwerde ein, die das Landgericht mit Beschluss vom 17.10.2003 zurückgewiesen hat. Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten im eigenen Namen.

II.

Die weitere Beschwerde des Beteiligten war mangels Beschwerdeberechtigung als unzulässig zu verwerfen.

1. Im Falle der erfolglosen Erstbeschwerde ist der Erstbeschwerdeführer unabhängig von der Zulässigkeit seiner Erstbeschwerde beschwerdeberechtigt (vgl. Bassenge/Herbst/Roth FGG/ RPflG 9. Aufl. § 27 FGG Rn. 7). Andere Beteiligte sind beschwerdeberechtigt, wenn für sie die einfache Erstbeschwerde zulässig war (vgl. Bassenge § 27 FGG Rn. 8; BayObLG FamRZ 2000, 1231/1232). Besondere Regularien gelten im Falle der sofortigen weiteren Beschwerde.

2. Vorliegend ist über eine nicht fristgebundene weitere Beschwerde zu entscheiden, die vom Beteiligten nicht als Erstbeschwerdeführer, sondern als Dritter eingelegt wurde. Der Beteiligte hat zwar die Erstbeschwerde dem Amtsgericht unter eigenem Briefkopf übersandt, gleichzeitig aber klargestellt, dass er namens und im Auftrag seiner Mutter handele; lediglich "falls es die Rechtsformalien erfordern" lege er die Beschwerde auch im eigenen Namen ein. Das Landgericht hat jedoch keine Veranlassung gesehen, auf diesen Hilfsantrag zurückzukommen, sondern, wie sich aus dem Rubrum des Beschlusses ergibt, antragsgemäß über das Rechtsmittel der Betroffenen entschieden. Diese Entscheidung ist Gegenstand des Verfahrens der weiteren Beschwerde.

3. Der Beteiligte wäre im Beschwerdeverfahren nicht beschwerdeberechtigt gewesen; hieran scheitert entsprechend den zuvor dargestellten Grundsätzen die Zulässigkeit seiner weiteren Beschwerde.

a) Die Beschwerde in Betreuungssachen steht nach § 20 Abs. 1 FGG zunächst jedem zu, dessen Recht durch die getroffene Verfügung beeinträchtigt ist. Eine solche eigene Rechtsbeeinträchtigung kann der Beteiligte hier aber nicht geltend machen; das sog. Angehörigenprivileg nach § 1897 Abs. 5 BGB begründet kein selbständiges Beschwerderecht des übergangenen Verwandten (vgl. BayObLG FamRZ 1998, 1186 = MDR 1998, 227 m.w.N.; Palandt/Diederichsen BGB 63. Aufl. § 1897 Rn. 22).

b) Für die Beschwerdebefugnis in Betreuungssachen gelten daneben die Sonderregeln der §§ 69g, 69i FGG, aus denen der Beteiligte vorliegend aber ebenfalls keine solche Befugnis ableiten kann.

aa) § 69g Abs. 1 FGG spricht einem privilegierten Personenkreis die Beschwerdebefugnis gegen bestimmte Entscheidungen des Vormundschaftsgerichtes unbeschadet einer eigenen Rechtsbeeinträchtigung zu. Der Beteiligte gehört als Sohn der Betroffenen zum privilegierten Personenkreis.

bb) Die im Beschwerdeverfahren vorliegend angefochtene Entscheidung des Amtsgerichts fällt aber nicht unter den abschließenden Katalog der nach § 69g Abs. 1 FGG anfechtbaren Entscheidungen. Dieser umfasst lediglich die Bestellung eines Betreuers von Amts wegen, die Anordnung eines Einwilligungsvorbehaltes und die ablehnenden Entscheidungen in diesem Rahmen (BGH NJW 1996, 1825; BayObLG aaO). Vorliegend geht es aber nicht um eine solche Entscheidung, insbesondere auch nicht um die Bestellung eines Betreuers, sondern um die Ablehnung der Entlassung des bestellten Betreuers und die daran anknüpfende Bestellung eines neuen Betreuers nach §§ 1908b, 1908c BGB.

(1) Richtig ist in diesem Zusammenhang, dass der Betroffene wie auch nahe Angehörige im Falle einer Betreuerbestellung rechtlich durchaus die Möglichkeit haben, auch noch nach längerer Frist die Bestellung des Betreuers im Wege der Beschwerde u.a. auch mit dem Ziel anzugreifen, eine andere Person an die Stelle des ausgewählten Betreuers setzen zu lassen; insoweit handelt es sich um eine zulässige Teilanfechtung einer Einheitsentscheidung, die auch die Bestellung und Auswahl des Betreuers umfasst. Daneben besteht aber auch die Möglichkeit, die Entlassung des bestellten Betreuers und die Bestellung eines neuen Betreuers gemäß §§ 1908b, 1908c BGB anzuregen (vgl. BGH aaO, BayObLG aaO). Was jeweils gewollt ist, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. Hierbei ist zunächst vom Wortlaut des gestellten Antrages auszugehen. Auch dem Zeitfaktor, d.h. der Frage, wie lange nach Bekanntgabe der Ausgangsentscheidung der Antrag gestellt wird, wird Bedeutung zuzumessen sein. Entscheidend aber kommt es darauf an, ob der Antragsteller bei verständiger Würdigung seines Anliegens eine Korrektur der Ausgangsentscheidung oder lediglich eine isolierte Entscheidung über die Entlassung des Betreuers aus laufender Betreuung anstrebt. Als Indiz hierfür bietet sich die Feststellung an, ob der Antragsteller bereits vor der Ausgangsentscheidung seinen Wunsch nach einem anderen Betreuer zum Ausdruck gebracht hat, oder ob er mit diesem Anliegen erst später an das Gericht herangetreten ist. Obwohl verfahrensrechtlich gesehen auch im Beschwerdeverfahren neue Tatsachen vorgetragen werden können (§ 23 FGG), spricht neuer Sachvortrag in Fällen der vorliegenden Art doch eher dafür, dass der Antragsteller auch eine neue Sachentscheidung, nicht aber die Korrektur einer früheren Entscheidung erstrebt (vgl. BayObLG FamRZ 2003, 784/785).

(2) Im vorliegenden Fall hat der Beteiligte, auch namens der Betroffenen, immer wieder klargestellt, dass er mit der Einsetzung eines "neutralen" Berufsbetreuers, wenn auch mit beschränktem Aufgabenkreis, zunächst durchaus einverstanden war. Erstmals mit Schreiben vom 18.2.2003 hat er den Antrag gestellt, die angeordnete Betreuung der Mutter insgesamt auf ihn selbst zu übertragen. Selbst in diesem Schreiben aber bescheinigt der Beteiligte dem bestellten Betreuer noch, die Betreuung der Mutter in den vergangenen Jahren sorgfältig und seriös wahrgenommen zu haben. Er stelle (lediglich) den Antrag, "jetzt den vom Gesetz vorgesehenen Normalzustand herbeizuführen" und ihm selbst zu gestatten, seine Mutter zu betreuen. Hiernach ist eindeutig, dass Ziel des Antrages, über den das Amtsgericht zu entscheiden hatte, eine neue, der Ausgangsentscheidung nachfolgende Sachentscheidung war, nicht aber die Korrektur der für falsch gehaltenen Ausgangsentscheidung vom 22.5.2001. Gegen die Ablehnung der neuen Sachentscheidung über die Entlassung des Betreuers richtete sich die namens der Betroffenen eingelegte Beschwerde, mit der ausdrücklich auf den Beschluss des Amtsgerichts vom 20.6.2003 Bezug genommen wurde. An keiner Stelle lässt die Beschwerdeschrift auch nur ansatzweise erkennen, dass Gegenstand der Beschwerde ein anderer Beschluss des Amtsgerichts, nämlich die ursprünglich ergangene Entscheidung sein sollte. Dementsprechend hat dann auch das Landgericht über die Beschwerde der Betroffenen "gegen den Beschluss des Amtsgerichts ... vom 20.6.2003" entschieden. Noch die Begründung der weiteren Beschwerde des Beteiligten lässt dies unbeanstandet; es wird beantragt, den Beschluss des Landgerichts aufzuheben und den Anträgen des Beteiligten auf Betreuerwechsel und Einsetzung seiner Person als Betreuer stattzugeben. Erst nach Hinweis des Berichterstatters im Rechtsbeschwerdeverfahren auf die möglicherweise mangelnde Beschwerdebefugnis des Beteiligten folgte die nicht näher belegte Behauptung, es gehe im vorliegenden Falle nicht um die Ablehnung einer Entlassung des Betreuers, sondern um die Anfechtung der erstmaligen Bestellung mit dem Ziel, die eigene Person an die Stelle des ausgewählten Betreuers zu setzen. Diese Erklärung allein kann aber nicht dazu führen, den bislang völlig eindeutig definierten Verfahrensgegenstand quasi rückwirkend auszuwechseln.

cc) Die Beschwerdebefugnis hinsichtlich nachfolgender Entscheidungen der hier vorliegenden Art regelt - jedenfalls teilweise - § 69i FGG. Durch die Verweisung in Abs. 8 der Vorschrift auf § 69g Abs. 1 FGG ergibt sich, dass dem in Bezug genommenen Personenkreis dann ein Beschwerderecht zustehen soll, wenn das Amtsgericht einen bestellten Betreuer aus wichtigem Grunde entlassen, bei der Auswahl des neuen Betreuers aber den Beschwerdeführer übergangen hat. Dabei macht die ausdrückliche Anführung des § 1908c BGB deutlich, dass die Entlassung ausgesprochen sein muss und nicht, wie im vorliegenden Falle, abgelehnt wurde. § 1908b BGB, der die Voraussetzungen einer Entlassung des Betreuers regelt, wird in § 69i Abs. 7 FGG genannt, ohne dass hier aber ausdrücklich oder durch eine Verweisung die Beschwerdebefugnis geregelt würde. Daraus wird zutreffend geschlossen, dass gegen die Ablehnung einer Entlassung des Betreuers sich die Beschwerdeberechtigung allein nach § 20 FGG richtet (vgl. BGH NJW 1996, 1825; BayObLG MDR 1998, 227; Keidel/Kayser FGG 15. Aufl. § 69g Rn. 13). Nach dieser Bestimmung aber ist der Beteiligte im vorliegenden Falle nicht beschwerdeberechtigt (s.o.).

4. Der Senat weist im Übrigen darauf hin, dass die weitere Beschwerde auch dann keinen Erfolg haben könnte, wenn das Landgericht über die Beschwerde des Beteiligten selbst mitentschieden hätte. In diesem Fall wäre die weitere Beschwerde insoweit zwar zulässig (vgl. oben 1), jedoch im Ergebnis unbegründet. Denn die Erstbeschwerde des Beteiligten wäre aus den unter 3. dargelegten Gründen mangels Beschwerdeberechtigung zu verwerfen gewesen.

5. Über die durch den Beteiligten im Namen der Betroffenen eingelegte weitere Beschwerde vom 22.12.2003 wird der Senat gesondert entscheiden.



Ende der Entscheidung

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