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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 25.09.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 247/01
Rechtsgebiete: BGB, FGG, BtÄndG


Vorschriften:

BGB § 1836c
BGB § 1836d
BGB § 1836e
FGG § 56g
BtÄndG Art. 5 Abs. 2
Gegen die ablehnende Entscheidung des Vormundschaftsgerichts zur Festsetzung von Zahlungen des Betreuten an die Staatskasse im Rahmen einer Vergütungsentscheidung ist das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben.
Gründe:

I.

Das Vormundschaftsgericht bewilligte am 21.5.1999 dem Betreuer des Betroffenen eine Entschädigung aus der Staatskasse in Höhe von 1105,63 DM, wobei ein Teilbetrag von 295,18 DM auf die Zeit nach dem 1.1.1999 entfiel. Zugleich behielt es sich vor, Zahlungen festzusetzen, die der Betreute an die Staatskasse zu leisten hat. Mit Beschluss vom 23.11.1999 lehnte es eine solche Festsetzung ab. Die Eltern des Betroffenen, beides Rechtsanwälte, hatten mit Schriftsätzen vom 8.6. und 3.8.1999 auf schriftliche Anfragen jegliche Barunterhaltspflicht in Abrede gestellt. Gegen die Entscheidung legte die Staatskasse sofortige Beschwerde ein, mit der sie begehrte, Zahlungen des Betroffenen, beschränkt auf seinen Unterhaltsanspruch gegen die Eltern, anzuordnen.

Das Landgericht hat das Rechtsmittel am 19.4.2001 zurückgewiesen. mit der zugelassenen sofortigen weiteren Beschwerde verfolgt die Staatskasse ihren ursprünglichen Antrag weiter.

II.

Das Rechtsmittel ist statthaft, da es durch das Landgericht zugelassen worden ist (§ 56g Abs. 5 Satz 2 FGG). Es handelt sich um eine sofortige weitere Beschwerde(§ 29 Abs. 2 FGG). Denn nach § 56g Abs. 5 Satz 1 FGG findet gegen Entscheidungen nach § 56g Abs. 1 Satz 2 FGG die sofortige Beschwerde statt. Eine solche Entscheidung liegt auch dann vor, wenn das Vormundschaftsgericht die Anordnung von Zahlungen des Betreuten an die Staatskasse ablehnt. Dies ergibt sich unter anderem daraus, dass § 56g Abs. 5 Satz 1 FGG auch die einen solchen Rückgriff ablehnenden Entscheidungen des Gerichts nach § 56g Abs. 2 Satz 3 FGG der sofortigen Beschwerde unterstellt. Daraus folgt, dass § 56g Abs. 5 Satz 1 FGG im Interesse einer raschen abschließenden Klärung der Entschädigungsfrage alle im Rahmen der Absätze 1 bis 3 dieser Vorschrift zu treffenden Entscheidungen, auch solche, die ablehnenden Charakter haben, erfasst. Die Beschwerdefrist ist hier jedoch gewahrt, da die landgerichtliche Entscheidung der Staatskasse nicht zugestellt worden ist.

III.

Das Rechtsmittel hat in der Sache teilweise Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt, ein Rückgriff der Staatskasse für Tätigkeiten und Aufwendungen im Zeitraum bis 31.12.1998 komme schon deshalb nicht in Betracht, da § 1836e BGB nur auf spätere Sachverhalte Anwendung finde. Auch für die Zeit ab 1.1.1999 seien Rückgriffsansprüche ausgeschlossen, da Unterhaltsansprüche des Betroffenen gegen dessen Eltern aus Rechtsgründen nicht in Betracht kämen. Die Eltern seien auf jeden Fall nicht im Sinne von § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB rechtzeitig in Verzug gesetzt worden wären. Eine ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung gegenüber dem Betroffenen liege nicht vor.

2. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) nicht in vollem Umfang stand.

a) Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei einen Regress abgelehnt, soweit die Ansprüche des Betreuers auf Vergütung und Aufwendungsersatz das Jahr 1998 betreffen. Der gesetzliche Forderungsübergang des § 1836e Abs. 1 Satz 1 BGB gilt nur hinsichtlich solcher Tätigkeiten oder Aufwendungen, die nach dem Inkrafttreten des Betreuungsänderungsgesetzes zum 1.1.1999 (vgl. Art. 5 Abs. 2 BtÄndG) erbracht oder gemacht worden sind (OLG Schleswig FamRZ 2000, 562; OLG Zweibrücken BTPrax 2000, 40; Jürgens/Winterstein Betreuungsrecht 2. Aufl. § 1836e Rn. 1; Palandt/Diederichsen BGB 60. Aufl. § 1836e Rn. 1; Zimmermann FamRZ 1999, 630/636; vgl. auch BayObLGZ 1999, 21/23). Dies entspricht den allgemeinen Grundsätzen des auf Pflegschaften und Betreuungen anwendbaren intertemporalen Rechts (vgl. BayObLGZ 2000, 26/31). Eine klarstellende Übergangsregelung wurde im Gesetzgebungsverfahren als überflüssig angesehen (vgl. BT-Drucks. 13/7158 S. 58).

b) Dagegen ist es nicht rechtsfehlerfrei, dass die Kammer einen Rückgriff auch abgelehnt hat für Ansprüche, die das Jahr 1999 betreffen. Der Regress gemäß § 1908i Abs. 1 i.V.m. H 1836c, 1836e BGB setzt zwar die nach § 1836c BGB zu bestimmende Leistungsfähigkeit des Betreuten voraus, die vor einer entsprechenden Entscheidung festzustellen ist (vgl. BayObLGZ 1999, 362; OLG Düsseldorf FGPrax 2001, 110/111).

Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht uneingeschränkt auch für die Fälle, in denen die Mittellosigkeit des Betroffenen allein wegen der ihm zustehenden Unterhaltsansprüche verneint wird. Hier ist das Vormundschaftsgericht grundsätzlich nicht zu der Prüfung verpflichtet, ob derartige Ansprüche tatsächlich bestehen (vgl. BayObLGZ 2001 Nr. 53).

Durch das Betreuungsrechtsänderungsgesetz (vgl. zum Gesetzgebungsverfahren BT-Drucks. 13/7158 S. 47 ff.) sind spezielle Vorschriften in das Gesetz eingefügt worden, die regeln, wie Unterhaltsansprüche des Betroffenen bei der Festsetzung der Entschädigung des Betreuers zu berücksichtigen sind. Gemäß § 1836c Nr. 1 Satz 2 BGB gelten diese Ansprüche als anzusetzendes Einkommen; sie werden so behandelt, als stünden die auf ihrer Grundlage zu erbringenden Unterhaltsleistungen dem Betroffenen tatsächlich zur Verfügung (vgl. Jürgens/Winterstein § 1836C BGB Rn. 5). § 1836d Nr. 2 BGB sieht allerdings zugunsten des Betroffenen eine Ausnahme vor. Nach dieser Vorschrift ist gleichwohl von Mittellosigkeit des Betroffenen auszugehen, wenn dieser die Entschädigungszahlungen an den Betreuer nur im Wege gerichtlicher Geltendmachung der Unterhaltsansprüche aufbringen kann. § 1836e Abs. 2 BGB wiederum mildert die Folgen dieser Ausnahme für die dann verpflichtete Staatskasse. Die Bestimmung beseitigt zu deren Gunsten die an sich bestehende Unpfändbarkeit der Unterhaltsansprüche (§ 850b ZPO) und ermöglicht der Staatskasse so den Zugriff auf die Ansprüche, der ihr ansonsten aus Rechtsgründen verschlossen wäre. Nach den im Gesetzgebungsverfahren klar zum Ausdruck gekommenen Überlegungen (vgl. BT-Drucks. 13/7158 S. 49 1. Sp.) soll die Staatskasse, die mit der Festsetzung des Rückgriffsbetrages einen Titel gegen den Betroffenen erlangt (§ 1 Abs. 1 Nr. 4b JBeitrO), so in die Lage versetzt werden, den (möglichen) Unterhaltsanspruch im Wege der Pfändung und Überweisung (§§ 829, 835 ZPO) einzuziehen. Für die dann gebotene Durchsetzung des Anspruchs wird allerdings regelmäßig ein weiteres Gerichtsverfahren erforderlich sein, da es sich nach den gesetzlichen Vorgaben gerade um einen Anspruch handelt, der ohne gerichtliche Geltendmachung nicht beglichen wird. Im Ergebnis werden dadurch der Aufwand und das Risiko der Durchsetzung des Anspruchs auf die Staatskasse verlagert (vgl. Wagenitz/Engers FamRZ 1998, 1273/1279).

Diese Regelung führt, wie allgemein bei der Vollstreckung in Zahlungsansprüche, dazu, dass das Bestehen des Unterhaltsanspruchs letztlich erst in dem gerichtlichen Verfahren der Staatskasse gegen den Unterhaltsschuldner abschließend geprüft und rechtskräftig festgestellt werden kann. Eine eingehende Prüfung der Unterhaltsansprüche bereits im betreuungsrechtlichen Festsetzungsverfahren, womöglich in drei Instanzen, wäre ein beträchtlicher und letztlich unnötiger zusätzlicher Aufwand, da damit eine verbindliche Klärung des Bestehens des Anspruchs nicht erreicht werden kann. Die Absicht des Gesetzgebers, der Staatskasse eine einfache und praxisgerechte Möglichkeit (vgl. BT-Drucks. 13/7158 S. 49 1. Sp.) zur Einziehung etwaiger Unterhaltsansprüche an die Hand zu geben, würde verfehlt. Ein solcher Aufwand liefe auch dem Anliegen zuwider, das der Neuregelung des § 56g Abs. 2 Satz 3 FGG zugrunde liegt.

Die dargestellte Auffassung entspricht im übrigen der Risikoverteilung, die der Gesetzgeber in vergleichbaren Fällen vorgenommen hat, in denen ebenfalls der Nachrang staatlicher Leistungen im Verhältnis zu Unterhaltsansprüchen des Leistungsempfängers sichergestellt werden soll. Häufig sieht das Gesetz hierfür etwa einen gesetzlichen Forderungsübergang (§ 91 BSHG) oder eine Überleitung der Ansprüche durch Überleitungsanzeige (§ 90 BSHG) vor. Die Rechtmäßigkeit einer solchen Anzeige hängt nach einhelliger Auffassung nicht vom Bestehen der übergeleiteten Forderung ab (BVerwGE 58, 208/214), solange nicht der Anspruch offensichtlich ausgeschlossen und damit die Überleitungsanzeige erkennbar sinnlos ist (BVerwGE 92, 281/283 f.). Es erscheint daher sachgerecht, auch bei der Behandlung von Unterhaltsansprüchen im Rahmen des Verfahrens zur Festsetzung der Betreuerentschädigung die Festsetzung des Rückgriffsbetrages gegen den Betroffenen ohne nähere Prüfung des Bestehens solcher Ansprüche auszusprechen und durch einen geeigneten Zusatz kenntlich zu machen, dass der Titel nur die Grundlage für Pfändung möglicher Unterhaltsansprüche zur Einziehung und Überweisung sein soll. Der Titel wird damit auch nicht zu unbestimmt oder widerspruchsvoll, da der Anspruch gegen den Betroffenen betragsmäßig ausgewiesen und so ohne weiteres durch Auslegung eine mit Zwangsvollstreckung durchsetzbare bestimmte Verpflichtung festgestellt werden kann.

Diese Grundsätze verkennt das Landgericht zwar nicht. Es versagt jedoch eine Festsetzung, da es Unterhaltsansprüche des Betreuten gegen die Eltern aus Rechtsgründen für ausgeschlossen hält. Es bedarf jedoch im vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob das Vormundschaftsgericht, wofür vieles spricht, die Festsetzung des Rückgriffs ausnahmsweise ablehnen kann, wenn ein Unterhaltsanspruch offensichtlich nicht besteht. Ein derartiger Fall der Evidenz liegt hier nicht vor.

Die Eltern des Betroffenen, beides Rechtsanwälte, haben gegenüber dem Vormundschaftsgericht auf dessen Anfragen wiederholt schriftsätzlich jede Barunterhaltspflicht in Abrede gestellt. Eine solche endgültige und ernsthafte Erfüllungsverweigerung wäre geeignet, Verzug eintreten zu lassen (vgl. RGZ 119, 1/5; BGH NJW 1964, 820). Die Ablehnungserklärung muss nicht notwendig gegenüber dem Anspruchsinhaber erfolgen, wie das Beschwerdegericht meint. Vielmehr könnte im vorliegenden Fall einer Erklärung gegenüber dem Vormundschaftsgericht eine spätere Berufung der Schuldner auf ein Unterbleiben der Mahnung als widersprüchliches Verhalten (vgl. Staudinger/Löwisch BGB [20011 § 284 Rn. 75) unbeachtlich sein. Auch diese Frage kann verbindlich nur in einem etwaigen Unterhaltsprozess geklärt werden.



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