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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 20.08.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 250/01
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

FGG § 70 b
Der für den Betroffenen in einer Unterbringungsgenehmigungssache bestellte Verfahrenspfleger ist zu der persönlichen Anhörung des Betroffenen zu laden.
Der 3.Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung der Richter Dr. Schreieder, Dr. Plößl und Dr. Denk

am 20.August 2001

in der Unterbringungsgenehmigungssache

auf die sofortige weitere Beschwerde der Verfahrenspflegerin

beschlossen:

Tenor:

I. Der Beschluss des Landgerichts Traunstein vom 30.März 2001 wird aufgehoben.

II. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht Traunstein zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Mit für sofort wirksam erklärtem Beschluss vom 16.2.2001 genehmigte das Amtsgericht dem Betreuer des Betroffenen bis zum 1.6.2002 dessen Unterbringung in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses bzw. in der beschützenden Abteilung eines Alten-/Pflegeheims. Gleichzeitig bestellte es dem Betroffenen eine Verfahrenspflegerin.

Die vom Betroffenen gegen die Unterbringungsmaßnahme eingelegte sofortige Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluss vom 30.3.2001 zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Verfahrenspflegerin.

II.

Das zulässige Rechtsmittel führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht, da dessen Entscheidung Verstöße gegen Verfahrensvorschriften zugrunde liegen.

1. In Unterbringungssachen gelten für Beschwerdeverfahren die Vorschriften über den ersten Rechtszug entsprechend (§ 70m Abs. 3 i.V.m. § 69g Abs. 5 Satz 1 FGG).

Dem entgegen hat das Landgericht die von ihm verwerteten Sachverständigengutachten vom 13. und 16.2.2001 dem Betroffenen nicht zugeleitet, obwohl dessen Anspruch auf rechtliches Gehör in der Regel beinhaltet, ihm ein zu den Unterbringungsvoraussetzungen eingeholtes schriftliches Gutachten rechtzeitig vor der persönlichen Anhörung in vollem Umfang zur Verfügung zu stellen (vgl. BayObLG BtPrax 1993, 208; OLG Düsseldorf BtPrax 1996, 188).

Ferner hat es entgegen der zwingenden Vorschrift des § 70d Abs. 1 Satz 1 Nr.6 FGG (vgl. OLG Düsseldorf BtPrax 1995, 29) der zuständigen Behörde keine Gelegenheit gegeben, sich zu dem Unterbringungsgenehmigungsantrag des Betreuers zu äußern. Von beiden Verfahrenshandlungen durfte das Landgericht schon deshalb nicht absehen, weil sie auch vom Amtsgericht pflichtwidrig nicht vorgenommen worden waren (§ 69g Abs. 5 Satz 3 FGG).

2. Die Verfahrenspflegerin hatte keine ausreichende Gelegenheit zur Mitwirkung am Beschwerdeverfahren.

Die Bestellung eines Verfahrenspflegers in einer Unterbringungssache (§ 70b FGG) soll die Wahrung der Belange des Betroffenen in dem Verfahren gewährleisten (vgl. BT-Drucks.11/ 4528 S.89, 171; Keidel/Kayser FGG 14.Aufl. § 70b Rn. 1). Der Betroffene soll bei den besonders schwerwiegenden Eingriffen in das Grundrecht der Freiheit der Person (Art.2 Abs. 2 Satz 2 GG) nicht allein stehen, sondern fachkundig beraten und vertreten werden (vgl. BT-Drucks.11/4528 S.93; Keidel/Kayser aaO; Knittel BtG § 70b FGG Rn. 2). Zu diesem Zweck ist der Verfahrenspfleger vom Gericht im selben Umfang wie der Betroffene (vgl. BT-Drucks.11/4528 S.171; Schmidt Handbuch der Freiwilligen Gerichtsbarkeit 2.Aufl. Kap. 2 Rn. 526) an den Verfahrenshandlungen zu beteiligen (vgl. Bauer in HK-BUR Vor § 67 FGG Rn. 14 und § 67 FGG Rn.99; Bienwald Betreuungsrecht 3.Aufl. § 67 FGG Rn. 14; Bumiller/Winkler FGG 7.Aufl. 9 67 Rn. 1). Er hat insbesondere ein Recht auf Teilnahme an der persönlichen Anhörung des Betroffenen (vgl. Jürgens/Mertens BtR 2.Aufl. § 68 FGG Rn. 12) und ist zu dieser zu laden (vgl. BayObLGZ 1987, 236/238). Bei unfreiwilliger Abwesenheit ist die Anhörung zu vertagen oder auf Verlangen zu wiederholen (vgl. Bassenge/Herbst FGG/RPfIGS.Aufl. § 70c FG G Rn. 5 i.V.m. § 68 FGG Rn. 15). Ferner muss dem Verfahrenspfleger Gelegenheit gegeben werden, sich zu Beweismitteln, die der Entscheidung zugrunde gelegt werden sollen, zu äußern (vgl. BayObLGZ 1987, 236/238). Dies gilt namentlich für Sachverständigengutachten (vgl. Bauer § 67 FGG Rn.99; Bienwald § 67 FGG Rn. 14; Jürgens/ Mertens § 67 FGG Rn. 12; Knittel § 67 FGG Rn. 2).

Dem entgegen hat das Landgericht zu der auf Montag, den 19.3.2001 terminierten persönlichen Anhörung des Betroffenen die Verfahrenspflegerin nicht geladen. Als diese dem Landgericht am Terminstag per Telefax mitteilte, dass sie von dem Termin erst am vergangenen Freitag durch den Betroffenen Kenntnis erlangt habe, und wegen ihrer durch andere Termine bedingten Verhinderung um Verlegung der Anhörung bat, ist ihr telefonisch mitgeteilt worden, dass die Anhörung durchgeführt werde. Vor der elf Tage später erfolgten Zurückweisung der sofortigen Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht der Verfahrenspflegerin lediglich den über die Anhörung angefertigten Vermerk zugeleitet. Die der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverständigengutachten vom 13. und 16.2.2001 hat es der Verfahrenspflegerin nicht zugänglich gemacht. Durch die nach Erlass der Beschwerdeentscheidung gewährte Akteneinsicht konnte dieser Verfahrensfehler nicht geheilt werden.

3. Schließlich ermangelt die angefochtene Entscheidung auch einer ausreichenden Begründung, weshalb die Unterbringung des Betroffenen für 15 1/2 Monate genehmigt wurde, obwohl eine solche Unterbringungsmaßnahme gemäß § 70f Abs. 1 Nr.3 FGG grundsätzlich auf höchstens ein Jahr zu befristen ist.

4. Auf den angeführten Mängeln beruht die angefochtene Entscheidung. Es lässt sich insbesondere nicht ausschließen, dass die Kammer, hätte sie die Verfahrenspflegerin ordnungsgemäß am Beschwerdeverfahren beteiligt und die Betreuungsstelle angehört, über das Rechtsmittel des Betroffenen anders befunden hätte. Die Einwendungen der Verfahrenspflegerin gegen das Vorliegen der Voraussetzungen für eine geschlossene Unterbringung des Betroffenen auf der Grundlage von § 1906 BGB sind nicht von vornherein von der Hand zu weisen, zumal das Amtsgericht mit Beschluss vom 15.2.2001 dem Genehmigungsantrag des Betreuers zunächst nicht entsprochen hatte.

Ende der Entscheidung

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