Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 31.01.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 26/01
Rechtsgebiete: UnterbrG, FGG


Vorschriften:

UnterbrG Art.1
FGG § 27
FGG § 70h
Zur Frage, ob die sofortige weitere Beschwerde zulässig ist, wenn die auf sechs Wochen begrenzte vorläufige öffentlich-rechtliche Unterbringung des Betroffenen vor Einlegung des Rechtsmittels abgelaufen war.
Der 3.Zivilsenat des Bayerischen obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Dr. Plößl und Dr. Schreieder

am 31. Januar 2001

in der Unterbringungssache

auf die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Memmingen vom 2. Januar 2001 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Günzburg vom 26.November 2000 als unbegründet zurückgewiesen wird.

Gründe:

I.

Mit Beschluss vom 26.11.2000 ordnete das Amtsgericht auf der Grundlage des Gesetzes über die Unterbringung psychisch Kranker und deren Betreuung (UnterbrG) mit sofortiger Wirksamkeit die vorläufige Unterbringung des Betroffenen in einem psychiatrischen Krankenhaus bis längstens 5.1.2001 an.

Hiergegen legte der Betroffene sofortige Beschwerde ein.

Das Landgericht hat das Rechtsmittel mit Beschluss vom 2.1.2001 als unzulässig verworfen, da der Betroffene nunmehr aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts vom 15.12.2000 im Rahmen des Betreuungsverfahrens untergebracht sei, sich dadurch die Hauptsache erledigt habe und nicht erkennbar sei, dass es dem Betroffenen auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Unterbringungsmaßnahme ankomme.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Betroffene mit der sofortigen weiteren Beschwerde, mit der er die Feststellung anstrebt, dass die Unterbringungsmaßnahme rechtswidrig gewesen sei.

II.

1. Das Rechtsmittel ist zulässig.

Nach Erlaß der angefochtenen Entscheidung und vor Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde hat sich die Hauptsache erledigt, da mit dem 5.1.2001 die Dauer der angeordneten vorläufigen Unterbringung ablief (vgl. KG FamRZ 1993, 84/85; OLG Karlsruhe BtPrax 1998, 34). Dagegen war Hauptsacheerledigung nicht, wie vom Landgericht angenommen, bereits dadurch eingetreten, dass der Betreuer den Betroffenen mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts seinerseits geschlossen untergebracht hatte. Diese Maßnahme ließ den Beschluss vom 26.11.2000 nicht gegenstandslos (vgl. BayObLGZ 1993, 82/83) werden. Vielmehr blieb der Betroffene aufgrund richterlicher Anordnung weiterhin auch öffentlich-rechtlich untergebracht. Zwar tritt die Unterbringung nach dem Unterbringungsgesetz regelmäßig hinter die zivilrechtliche Unterbringung gemäß § 1906 BGB zurück, da diese das mildere Mittel darstellt (BayObLG FamRZ 1990, 1154/1155; vgl. auch Saage/Göppinger Freiheitsentziehung und Unterbringung 3.Aufl. Abschnitt 4.4 Rn. 157 ff.). Sie hat jedoch, ungeachtet der ebenfalls gegebenen fürsorgerischen Elemente, in erster Linie die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zum Ziel, während für die zivilrechtliche Unterbringung allein die Sorge um das persönliche wohl des Betroffenen maßgebend ist (BayObLG aaO). Solange die Unterbringung nach dem Unterbringungsgesetz angeordnet ist, kann daher die Entscheidung darüber, ob der Betroffene in einer geschlossenen Einrichtung verbleibt oder nicht, nicht in der Hand des für die zivilrechtliche Unterbringung verantwortlichen Betreuers liegen (vgl. auch Senatsbeschluß vom 21.2.1994 Az. 3Z BR 22/94 S.6). Auf die aus dem Unterbringungsgesetz abgeleitete eigenständige Bestimmung des Aufenthalts des Betroffenen durch das Gericht hat weder eine gleichgerichtete noch eine abweichende Bestimmung des Aufenthalts durch den Betreuer Einfluß.

Ungeachtet der Hauptsacheerledigung fehlt der sofortigen weiteren Beschwerde nicht das Rechtsschutzbedürfnis. In Fällen, in denen der durch die geschlossene Unterbringung bewirkte tiefgreifende Eingriff in das Grundrecht der Freiheit nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt ist, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Überprüfung in den nach der Rechtsordnung gegebenen Instanzen kaum erlangen kann, ist sein Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der beanstandeten Maßnahme auch bei zwischenzeitlichem Wegfall der direkten Belastung schutzwürdig (Art.19 Abs. 4 GG; vgl. BVerfG NJW 1998, 2432). Ein solcher Fall liegt hier vor, da der Zeitraum für die verfahrensgegenständliche geschlossene Unterbringung des Betroffenen auf längstens sechs Wochen begrenzt war (vgl. BVerfG aaO; BayObLGZ 1999, 24; 2000, 220/221; OLG Karlsruhe FGPrax 2000, 165/166; OLG Zweibrücken FamRZ 2000, 303).

2. Die sofortige weitere Beschwerde bleibt im Ergebnis ohne Erfolg, führt jedoch in Abänderung der angefochtenen Entscheidung zur Zurückweisung der Erstbeschwerde des Betroffenen als unbegründet.

a) Die Verwerfung der Erstbeschwerde durch das Landgericht kann keinen Bestand haben. Das Rechtsmittel war zulässig eingelegt. Es war nicht, wie vom Landgericht fälschlich angenommen, durch Erledigung der Hauptsache unzulässig geworden.

b) Gleichwohl ist die Sache nicht an das Landgericht zurückzuverweisen. Vielmehr kann der Senat über die Rechtmäßigkeit der vom Betroffenen-beanstandeten Maßnahme selbst entscheiden, da er die erforderlichen Feststellungen, ohne dass es weiterer Ermittlungen bedarf (vgl. hierzu SchlHOLG SchlHA 1999, 314), aus den Akten treffen kann (vgl. BGH NJW 1996, 2581; BayObLGZ 1985, 63/66).

Danach waren die Voraussetzungen für die vorläufige öffentlich-rechtliche Unterbringung des Betroffenen gegeben (Art.1 Abs. 1 UnterbrG, § 70 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr.3, § 70h Abs. 1 Satz 1, § 69f Abs. 1 Satz 1, § 70h Abs. 2 Satz 1 FGG). Gemäß den von Sachkunde getragenen ärztlichen Gutachten vom 25.11. und 14.12.2000 litt der Betroffene seinerzeit an einem akuten Schub seiner langjährigen paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie. Sein Verfolgungs- und Vergiftungswahn war stark ausgeprägt. Der Betroffene war extrem angespannt und gereizt, hatte Selbsttötungsabsichten geäußert und mit Gewaltanwendung gegenüber Dritten gedroht. Diese akute und erhebliche Gefahr für das Leben des Betroffenen und für in hohem Maße schutzwürdige Rechtsgüter Dritter erforderte ein sofortiges Eingreifen, wobei sich die Gefahr in Anbetracht der Krankheitsuneinsichtigkeit des Betroffenen durch weniger einschneidende Mittel als durch die Unterbringung nicht hinreichend erfolgversprechend abwehren ließ.

Ende der Entscheidung

Zurück