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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 12.03.2003
Aktenzeichen: 3Z BR 26/03
Rechtsgebiete: FGG


Vorschriften:

FGG § 67 Abs. 1
Zur Frage, ob im Verfahren der Beschwerde gegen eine Betreuerbestellung für den Betroffenen ein Verfahrenspfleger zu bestellen ist.
Gründe:

I.

Für die Betroffene ist seit 14.11.2002 eine Berufsbetreuerin für die Aufgabenkreise Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge und Vertretung im Scheidungsverfahren bestellt.

Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Betroffenen hat das Landgericht am 9.1.2003 zurückgewiesen.

Mit ihrer weiteren Beschwerde verfolgt die Betroffene ihr Ziel weiter, eine Aufhebung der Betreuung und eine Entpflichtung der Berufsbetreuerin von deren Amt zu erreichen. Hilfsweise beantragt sie eine Überprüfung, ob eine Betreuung für alle angeordneten Aufgabenkreise notwendig ist.

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig und führt in der Sache zur Zurückverweisung an das Landgericht.

1. Das Landgericht hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:

Die Betroffene leide ausweislich eines fachärztlichen Gutachtens an einer chronifizierten paranoiden Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis. Sie könne ihren Willen in Folge von Beeinträchtigungsideen nicht mehr frei bestimmen; ihre Entscheidungen und Willensbildungen beruhten nicht mehr auf einer der allgemeinen Verkehrsauffassung entsprechenden Würdigung der Außendinge, sondern auf ihren Wahnideen. Krankheitsbedingt lehne sie eine nervenärztliche Behandlung ab und sei nicht mehr in der Lage, ihre Angelegenheiten in den angeordneten Aufgabenkreisen zu besorgen. Andere Hilfsmöglichkeiten, die eine Betreuung ganz oder teilweise entbehrlich machen könnten, bestünden nicht. Der Erholung eines weiteren nervenärztlichen Gutachtens habe es wegen nicht ersichtlicher Mängel des vorliegenden Gutachtens, einer erneuten Anhörung der Betroffenen wegen nicht zu erwartender neuer Erkenntnisse und der Bestellung eines Verfahrenspflegers für die Betroffene deshalb nicht bedurft, weil diese in der Lage sei, ihre Interessen selbst zu vertreten.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Sache war an das Landgericht zurückzuverweisen, weil der entscheidungserhebliche Sachverhalt nicht verfahrensfehlerfrei festgestellt worden ist. Das Landgericht hat der Betroffenen keinen Verfahrenspfleger bestellt.

a) Gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 FGG bestellt das Gericht dem Betroffenen einen Pfleger für das Verfahren, soweit dies zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen erforderlich ist. Auch wenn ein Regelfall nach § 67 Abs. 1 Satz 2 FGG oder ein zwingender Fall nach § 67 Abs. 1 Satz 5 FGG nicht vorliegt, ist ein Verfahrenspfleger dann zu bestellen, wenn der Betroffene seine Interessen nicht mehr in ausreichendem Umfang selbst wahrnehmen kann. Dies hängt vom Grad der Krankheit oder Behinderung sowie der Bedeutung des jeweiligen Verfahrensgegenstandes ab (vgl. OLG Hamm FamRZ 1993, 988; Jürgens Betreuungsrecht 2. Aufl. § 67 FGG Rn. 2; Keidel/Kayser FGG 15. Aufl. § 67 Rn. 4). Auch einem Betroffenen, der auf Grund seiner psychischen Erkrankung nur vordergründig in der Lage ist, seine Rechte im verfahren wahrzunehmen, seine Einwendungen aber nicht artikulieren und mit einer differenzierten Begründung dem Gericht nahe bringen kann, ist ein Verfahrenspfleger zu bestellen (vgl. OLG Zweibrücken FGPrax 1998, 57; OLG Hamm DAV 1997, 135; Keidel/Kayser aaO). Anhaltspunkte hierfür können sich aus den Eingaben zu den Akten ergeben (vgl. Jürgens aaO).

Diese Grundsätze hat das Landgericht nicht hinreichend beachtet. Aus den eingereichten Schriftstücken der Betroffenen, vor allem ihrem Schreiben an das Landgericht, ergibt sich augenfällig, dass sie psychisch krank und deshalb zu einem differenzierten Vortrag nicht in der Lage ist. Der Gutachter hat ausgeführt, es sei offensichtlich, dass sich die Betroffene in keiner Weise selbst adäquat vertreten könne. Außerdem beinhaltet die angegriffene Betreuerbestellung den Aufgabenkreis "Vertretung im Scheidungsverfahren" und damit die Feststellung, dass die Betroffene in einem sie höchst persönlich betreffenden gerichtlichen Verfahren ihre Interessen nicht selbst wahrnehmen kann. Es liegt nahe, dass dies erst recht für ein Betreuungsverfahren gilt, welches gegen ihren Willen durchgeführt wird. Zudem wäre es in dieser Situation angebracht gewesen, der Betroffenen auf ihre Anfrage, ob ein Rechtsanwalt benötigt werde, eine Antwort zu erteilen, bevor der Beschluss erlassen und der Betroffenen eine rechtzeitige Mandatierung eines Rechtsanwalts und damit eine effektive Vertretung im Beschwerdeverfahren oder zumindest eine eigene Stellungnahme nicht mehr möglich war.

b) Dass die Betroffene im Verfahren der weiteren Beschwerde durch eine Verfahrensbevollmächtigte vertreten wird, so dass jetzt eine Verfahrenspflegerbestellung nach § 67 Abs. 1 Satz 6 FGG nicht mehr erforderlich ist, kann den Verfahrensmangel im Beschwerdeverfahren nicht heilen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist keine Tatsacheninstanz. Der Tatsachenvortrag, den ein Verfahrenspfleger im Beschwerdeverfahren hätte vortragen können, kann grundsätzlich im Rahmen der weiteren Beschwerde keine Berücksichtigung mehr finden. Nachdem die Betroffene, wie die Anfrage an das Beschwerdegericht und die Mandatierung einer Verfahrensbevollmächtigten zeigt, auch ein Interesse an einer anwaltlichen Vertretung hat, liegt der Ausnahmefall des § 67 Abs. 1 Satz 3 FGG nicht vor.

c) Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass nach § 1896 Abs. 2 BGB ein Betreuer nur für Aufgabenkreise bestellt werden darf, in denen die Betreuung erforderlich ist; dies bedarf für jeden Aufgabenkreis der Konkretisierung (vgl. BayObLGZ 1994, 209/212). Erforderlich ist eine Betreuung nur dann, wenn weder der Betroffene selbst noch andere Personen die Aufgabenkreise, für die Handlungsbedarf besteht, wahrnehmen können; auch ein psychisch kranker Betroffener kann durchaus zur Erledigung einzelner Aufgabenkreise in der Lage sein. Hier fehlen bisher hinreichende Feststellungen des Beschwerdegerichts. Soweit sich die Kammer auf das Sachverständigengutachten stützt, ergibt sich aus diesem, dass die Betroffene geschäftsunfähig und zur Besorgung aller Angelegenheiten nicht in der Lage sein soll. Das Landgericht hat dies offensichtlich nicht so gesehen. Es hat aber auch nicht begründet, warum zum Beispiel im Bereich der Vermögenssorge konkreter Handlungsbedarf besteht, obwohl sich hierfür aus den Akten bisher keine Anhaltspunkte ergeben.

Ende der Entscheidung

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