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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 28.12.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 267/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1908i Abs. 1 Satz 1
BGB § 1632 Abs. 2
BGB § 1632 Abs. 3
Die Betreuerin hat das Recht, den Umgang der Betreuten mit Wirkung für und gegen Dritte zu bestimmen, auch wenn es sich um Verwandte handelt.
Gründe:

I.

Die Betroffene steht wegen einer inzwischen fortschreitenden senilen Demenz unter Betreuung. Die Betreuerin ist u.a. für den Aufgabenkreis "Bestimmung des Umgangs der Betreuten" bestellt. Entsprechend einem Antrag der Betreuerin verhängte das Amtsgericht am 21.5.2001 gegen die Beteiligte, die Schwester der Betroffenen, ein Umgangsverbot mit der Betroffenen. Für den Fall der Zuwiderhandlung wurde der Beteiligten ein Zwangsgeld bis zu einer Höhe von 50000 DM angedroht. Gegen die Anordnung des Umgangsverbotes legte die Beteiligte mit Schreiben vom 16.6.2001 Beschwerde ein, die das Landgericht mit Beschluss vom 4.7.2001 zurückgewiesen hat. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten.

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

1. Die Zulässigkeit der weiteren Beschwerde folgt ohne Rücksicht auf die Zulässigkeit der Erstbeschwerde daraus, dass die Erstbeschwerde der Beteiligten zurückgewiesen wurde (vgl. BayObLGZ 1993, 234; Bassenge/Herbst FGG/RPflG 8. Aufl. § 27 FGG Rn. 1; Jansen FGG 2. Aufl. § 27 Rn. 4).

2. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

a) Das Landgericht hat seine Entscheidung dahin begründet, dass die rechtlichen Voraussetzungen für die Verhängung eines Umgangsverbotes vorlägen. Die Betreuerin habe das Recht, den Umgang der Betreuten mit Wirkung für und gegen Dritte zu bestimmen. Die Beschwerdeführerin habe gegenüber diesem Recht der Betreuerin kein höherrangiges Umgangsrecht mit ihrer Schwester. Das Umgangsverbot widerspreche auch nicht dem Wohl der Betreuten; aus allen Stellungnahmen der übrigen Beteiligten gehe hervor, dass die Aktivitäten der Beschwerdeführerin bei der Betreuten in der Vergangenheit regelmäßig zu starker Verwirrung und großer Unruhe geführt hätten. Da die Beschwerdeführerin sich von Anfang an starrsinnig und unbelehrbar in die Angelegenheiten der Betreuerin eingemischt habe, könne dem nur mit einem umfassenden Umgangsverbot entgegengetreten werden.

b) Es kann dahinstehen, ob der Beteiligten ein Recht auf Umgang mit der Betroffenen zusteht (vgl. BayObLGZ 1993, 234), oder ob sie bereits alleine durch die Anordnung des Umgangsverbots in ihren Rechten beeinträchtigt ist und deshalb gegen die amtsgerichtliche Entscheidung Beschwerde einlegen konnte (§ 20 Abs. 1 FGG). Jedenfalls hat das Landgericht in der Sache das durch das Amtsgericht ausgesprochene Umgangsverbot rechtsfehlerfrei (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) bestätigt.

aa) Ist dem Betreuer der Aufgabenkreis übertragen, den Umgang des Betreuten zu bestimmen (BayObLG FamRZ 2000, 1524), so umfasst die Aufgabe das Recht, entsprechende Anordnungen auch mit Wirkung für und gegen Dritte zu treffen (§§ 1908i Abs. 1 Satz 1, 1632 Abs. 2 BGB). Beschränkungen des Umgangsbestimmungsrechts ergeben sich aus Umgangsrechten Dritter sowie immanent aus dem Betreuungsauftrag (vgl. Palandt/Diederichsen BGB 61. Aufl. § 1632 Rn. 23). Ein Umgangsverbot muss daher auf triftigen und sachlichen Gründen beruhen; es muss zum Wohle des Betreuten geboten sein (vgl. Palandt/Diederichsen aaO; § 1901 Abs. 2 Satz 1 BGB). Über Streitigkeiten entscheidet das Vormundschaftsgericht auf Antrag des Betreuers (§§ 1908i Abs. 1 Satz 1, 1632 Abs. 3 BGB).

bb) Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Beteiligten ein gegenüber dem Umgangsbestimmungsrecht der Betreuerin höherrangiges Umgangsrecht mit ihrer Schwester nicht zusteht.

Ein solches Recht ergibt sich nicht aus § 1685 Abs. 1 BGB. Diese Vorschrift erkennt zwar Geschwistern ein subjektives Recht auf Umgang mit einem Kind zu (vgl. Palandt/Diederichsen § 1685 Rn. 1). Sie ist jedoch in § 1908i BGB für das Betreuungsrecht nicht in Bezug genommen. Dies schließt im Grundsatz eine entsprechende Anwendung der Vorschrift auch im Betreuungsrecht nicht schlechthin aus (vgl. dazu Palandt/Diederichsen § 1908i Rn. 1). Sie ist nach Sinn und Zweck von § 1685 BGB aber nicht geboten: Die Vorschrift ergänzt § 1626 Abs. 3 BGB, der dem Umgang eines Kindes mit Bezugspersonen konstitutiven Charakter für das Kindeswohl beimisst (vgl. Palandt/Diederichsen § 1685 Rn. 1). Gleiches stellt das Gesetz für den Umgang des Betreuten mit seinen Bezugspersonen in dieser Weise nicht fest. Für ein subjektives Recht auf Umgang von Bezugspersonen mit dem Betreuten fehlt daher die Grundlage.

Ein subjektives Recht kann die Beteiligte als Schwester der Betroffenen im vorliegenden Fall auch nicht aus Art. 2 Abs. 1, 6 Abs. 1 GG ableiten. Besuchs- und Umgangsrechte von Verwandten werden bislang von der Rechtsprechung allenfalls unter § 57 Abs. 1 Nr. 9 FGG (berechtigtes Interesse) eingeordnet; die Zuerkennung eines subjektiven Rechtes wird weitgehend abgelehnt (vgl. BayObLGZ 1993, 234/236 m. w. N.; zweifelnd Damrau/Zimmermann Betreuungsrecht 3. Aufl. § 1632 BGB Rn. 5; a.A. Jürgens Betreuungsrecht 2. Aufl. § 1632 BGB Rn. 8 unter Hinweis auf KG FamRZ 1988, 1044). Der Senat hält an dieser Auffassung fest. Der Entscheidung des Kammergerichts lag eine vom vorliegenden Fall abweichende Fallgestaltung zugrunde. Es ging um die Rechtsbeziehungen eines Sohnes zu seinem Vater. Das Kammergericht konnte dabei maßgeblich auf § 1618a BGB (gegenseitige Beistands- und Rücksichtspflicht zwischen Eltern und Kindern) abstellen, der - so das Kammergericht - auch verfassungsrechtlich verbürgt sei. Auf § 1618a BGB oder eine entsprechende Vorschrift des bürgerlichen Rechts kann sich die Beteiligte im vorliegenden Fall indessen nicht berufen. Im übrigen hat der Gesetzgeber im Betreuungsrecht grundsätzlich anerkannt, dass bei Ehegatten, Eltern und Kindern eigene Rechte aus Art. 6 Abs. 1 GG ins Gewicht fallen, die durch Betreuungsmaßnahmen empfindlich betroffen werden können. Diese Rechte müssten mit den Belangen des Betroffenen in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht werden. Art. 6 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG ließen Raum für die Erwägung, dass das Interesse auch enger Familienangehöriger an einer Beteiligung im Betreuungsverfahren dann zurücktreten müsse, wenn dies die Belange des Betroffenen beeinträchtige (vgl. BT-Drucks. 11/4528 S. 174 li. Sp.; BGH NJW 1996, 1825/1826). Auf dieser Abwägung beruht letztlich die Regelung, dass in dem die Verhängung eines Umgangsverbotes betreffenden Verfahren eine Anhörung naher Angehöriger des Betroffenen nicht vorgesehen ist. Daraus kann weiter. abgeleitet werden, dass der Gesetzgeber nahen Angehörigen des Betroffenen auch subjektive Rechte in Bezug auf die Verhängung eines Umgangsverbotes nicht zubilligen wollte, und zwar aus Gründen des Wohles des Betroffenen (vgl. BGH aaO). Der Senat sieht keine Veranlassung, daran zu zweifeln, dass diese vom Gesetzgeber vorgenommene Abwägung der Belange aller Beteiligten auch verfassungsrechtlichen Kriterien standhält. Einem verfassungsrechtlich allenfalls relevanten "Kontaktinteresse" des Verwandten steht das Abwehrrecht des Betreuten gegenüber, das im Falle der Übertragung des entsprechenden Aufgabenkreises vom Betreuer wahrgenommen wird. In jedem Falle überwiegt dieses Recht alle denkbaren Rechtspositionen der Kontaktpersonen.

cc) Das Landgericht hat ohne Verfahrensfehler und damit für den Senat bindend (§ 27 Abs. 1 FGG, § 561 Abs. 2 ZPO) Feststellungen getroffen, die die Verhängung eines Umgangsverbotes unter dem Gesichtspunkt des Wohls der Betroffenen sachlich tragen. Danach führen die Aktivitäten und Besuche der Beteiligten bei der Betroffenen regelmäßig zu einer starken Verwirrung und großen Unruhe und beeinträchtigen damit deren Wohlbefinden. Auch unter Berücksichtigung des Interesses der Betroffenen an der Aufrechterhaltung verwandtschaftlicher Kontakte durften die Vorinstanzen daher zu dem Ergebnis kommen, dass ein Umgangsverbot gerechtfertigt ist.

Ende der Entscheidung

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