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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 03.03.2004
Aktenzeichen: 3Z BR 268/03
Rechtsgebiete: FGG


Vorschriften:

FGG § 13
FGG § 66
1. Auch im Betreuungsverfahren setzt die Erteilung einer Vollmacht unbeschadet der Verfahrensfähigkeit des Betroffenen eine dem Vollmachtgeber zuzurechnende Willenserklärung voraus.

2. Kann ein im Rechtsbeschwerdeverfahren als Vertreter des Betroffenen auftretender Beteiligter den Nachweis der Vollmacht nicht erbringen oder etwaige Bedenken gegen die vorgelegte Vollmacht nicht beseitigten, so ist das Rechtsmittel des Betroffenen als unzulässig zu verwerfen.


Gründe:

I.

Das Amtsgericht ordnete mit Beschluss vom 22.5.2001 die Betreuung der Betroffenen in mehreren Aufgabenkreisen an und bestellte einen Berufsbetreuer. Mit Beschluss vom 15.11.2001 wurde die Betreuung noch um zusätzliche Aufgabenkreise erweitert. Der Beteiligte, ein Sohn der Betroffenen, hatte sich bereits mit Schreiben vom 23.7.2001 gegen eine Erweiterung der Betreuung hin auf eine "Vollbetreuung" der Betroffenen ausgesprochen und hilfsweise gebeten, ihn selbst insoweit als Betreuer einzusetzen. Mit Schreiben vom 18.2.2003 stellte der Beteiligte "auch in Namen und mit Wunsch" seiner Mutter den Antrag, die gesamte Betreuung auf ihn zu übertragen. Das Amtsgericht lehnte den Antrag des Beteiligten auf einen Betreuerwechsel und Einsetzung seiner Person als Betreuer mit Beschluss vom 20.6.2003 ab. Hiergegen legte der Beteiligte namens seiner Mutter Beschwerde ein, die das Landgericht mit Beschluss vom 17.10.2003 zurückgewiesen hat.

Gegen diese Entscheidung richtete sich zunächst die weitere Beschwerde des Beteiligten im eigenen Namen, die der Senat mit Beschluss vom 30.12.2003 mangels Beschwerdeberechtigung des Rechtsbeschwerdeführers verworfen hat. Unter Vorlage einer von der Betroffenen unterzeichneten, auf das Jahr 1998 datierten Vollmacht legt der Beteiligte nunmehr mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 22.12.2003 weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts vom 17.10.2003 auch namens der Betroffenen ein.

II.

Die weitere Beschwerde war als unzulässig zu verwerfen, weil der Senat die Behauptung des Beteiligten, zur Einlegung des Rechtsmittels namens der Betroffenen bevollmächtigt zu sein, nicht als erwiesen ansieht. Damit fehlt eine wesentliche Verfahrensvoraussetzung (vgl. Jansen FGG 2. Aufl. § 13 Rn. 40; Keidel/Zimmermann FGG 15. Aufl. § 13 Rn. 15).

1. Der Senat hat von Amts wegen zu prüfen, ob die vom Beteiligten behauptete Vollmacht tatsächlich erteilt worden ist (vgl. Jansen § 13 Rn. 38; Keidel/Zimmermann aaO).

a) Hierbei ist zunächst davon auszugehen, dass die Betroffene im vorliegenden Betreuungsverfahren ohne Rücksicht auf ihre Geschäftsfähigkeit als verfahrensfähig anzusehen ist (§ 66 FGG). Ihr stehen alle Befugnisse eines Geschäftsfähigen im Verfahren zur Verfügung; insbesondere kann die Betroffene jederzeit selbst einen Verfahrensbevollmächtigten bestellen (vgl. Keidel/Kayser § 66 Rn. 4; Bassenge/Herbst/Roth FGG/RPflG 9. Aufl. § 66 FGG Rn. 2).

b) Die Erteilung einer Vollmacht erfolgt mit dieser Maßgabe auch im Betreuungsverfahren nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts (vgl. Jansen § 13 Rn. 36). Hiernach wird die Vollmacht durch eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung des Vollmachtgebers begründet (vgl. Palandt/Heinrichs BGB 63. Aufl. § 167 Rn. 1). Willenserklärungen unterliegen der Auslegung; es ist bei der Auslegung der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen (§ 133 BGB).

2. Im vorliegenden Fall verweist der Beteiligte zum Beleg seiner Vollmacht auf eine von der Betroffenen unterschriebene Erklärung (Anlage zu Bl. 327 d.A.). Er behauptet, die Betroffene habe diese Erklärung nach einem Gespräch mit ihm am 21.12.2003 unterzeichnet; seines Erachtens habe die Betroffene den Inhalt der Erklärung auch verstanden. Ob dies tatsächlich der Fall war, erscheint dem Senat indessen sehr zweifelhaft. Der Beteiligte selbst gibt an, die Betroffene habe am 21.12.2003 "keinen guten Tag" gehabt; sie war also möglicherweise kaum oder gar nicht ansprechbar (dazu sogleich). Manches spricht deshalb auch dafür, dass die Betroffene am 21.12.2003 nicht das subjektive Wollen hatte, ihrem Sohn eine Vollmacht auszustellen oder ansonsten eine rechtlich relevante Erklärung abzugeben, und dass ihr Sohn die geleistete Unterschrift als Erklärungsempfänger, dem die näheren Umstände des Falles bekannt waren, nach Treu und Glauben auch nicht in dieser Weise deuten durfte. In diesem Falle aber läge eine der Betroffenen zurechenbare Vollmacht nicht vor (vgl. dazu Palandt/Heinrichs Einf. vor § 116 Rn. 2, 3).

Bei näherer Betrachtung fällt darüber hinaus auch noch auf, dass die Unterschrift der Betroffenen unter der vorgelegten Vollmachtsurkunde auf den 6.7.(?)1998 datiert ist. Dies könnte als weiteres Indiz darauf hindeuten, dass die Betroffene am 21.12.2003 völlig desorientiert war und schlicht "ein Stück Papier" unterschrieb, ohne damit irgendetwas zum Ausdruck bringen zu wollen.

3. Der Senat hat sich deshalb veranlasst gesehen, die Umstände, unter denen die ihm vorgelegte Vollmacht zustande gekommen ist, näher aufzuklären und einen Versuch zu unternehmen, die Betroffene zur Genese der Vollmachtsurkunde zu befragen. Leider ist der Versuch fehlgeschlagen; bei dem Termin zur mündlichen Anhörung am 5.2.2004 lag die Betroffene vollkommen apathisch in ihrem Bett und zeigte auf Kontaktversuche der unterzeichnenden Richter wie auch der zur Kontaktaufnahme beigezogenen Pflegerin keine erkennbare Reaktion. Sie hatte nach allgemeinem Bekunden der Beteiligten wiederum einen "schlechten Tag", was in den Augen des Senats ein Licht auch auf ihre Verfassung am 21.12.2003 wirft, dem Tag der Unterzeichnung der Vollmachtsurkunde. Zur Überzeugung des Senats wäre die Betroffene jedenfalls zum Zeitpunkt des mündlichen Termins am 5.2.2004 nicht in der Lage gewesen, eine ihr zurechenbare Willensbekundung deutlich werden zu lassen.

Von weiteren Aufklärungsversuchen sieht der Senat ab, weil die Umstände nicht dafür sprechen, dass von der Betroffenen noch eine irgendwie geartete Willensäußerung zu der hier maßgeblichen Frage zu erlangen ist. Nach insoweit übereinstimmenden Erklärungen des Beteiligten, des Betreuers und der Pflegerin, die die Betroffene am 5.2.2004 versorgt hat, ist die Betroffene zwar noch immer gelegentlich ansprechbar, doch werden solche Momente immer seltener, insbesondere nachdem die Betroffene gegen Ende des vergangenen Jahres auch noch einen Oberschenkelhalsbruch erlitten hat. Die Wahrscheinlichkeit spricht deshalb dafür, dass es nicht mehr gelingen kann, eine weitere Anhörung so zu terminieren, dass die Betroffene dann in der Lage wäre, ihren Willen in der Vollmachtsfrage deutlich zu machen. Um dennoch jede Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung zu nutzen, hat der Senat die Entscheidung in vorliegender Sache nach dem Termin vom 5.2.2004 noch weiter zurückgestellt in der Hoffnung, über die Beteiligten vielleicht doch noch eine ergänzende Erklärung der Betroffenen in der Vollmachtsfrage zu erhalten. Auch diese Frist ist aber ergebnislos verstrichen.

Die vom Beteiligten vorgelegten Video- und Audiokassetten können zur Überzeugung des Senats zu einer Aufklärung hier relevanter Umstände nichts beitragen. Das verfahrensrelevante "Gespräch" am 21.12.2003 ist offensichtlich nicht aufgezeichnet worden. Der Senat unterstellt, dass sich die Betroffene bei früherer Gelegenheit ihrem Sohn gegenüber positiv zu einer Übernahme der Betreuung durch ihn geäußert hat, doch sind auch andere Äußerungen der Betroffenen dokumentiert. So hat die Betroffene anlässlich eines Gesprächs mit der Verfahrenspflegerin auf Vorhalt einer von ihr unterzeichneten Beschwerdeschrift am 5.8.2003 erklärt, eine solche Willenserklärung sei ihr nicht erinnerlich; sie wünsche auch nicht, dass ihr Sohn für sie sorge und ihr Betreuer werde. Auch die zu den Akten gelangten Aufzeichnungen des Beteiligten können daher nichts anderes belegen als die Tatsache, dass die Betroffene allem Anschein nach geneigt war, es sich mit keinem der in ihrer Umgebung verkehrenden Beteiligten zu "verderben".

4. Eine andere als die ihrem Inhalt nach zweifelhafte Erklärung der Betroffenen vom 21.12.2003, auf die sich der Beteiligte zum Beleg seiner Vollmacht für das Rechtsbeschwerdeverfahren stützen könnte, ist weder vorgelegt noch ersichtlich; insbesondere deckt auch die im Beschwerdeverfahren vorgelegte Erklärung der Betroffenen vom 3.7.2003, die ausdrücklich als "Beschwerde" betitelt ist, die Erhebung der weiteren Beschwerde durch den Beteiligten namens der Betroffenen nicht mit ab.

5. Im Ergebnis bleiben somit Zweifel offen, ob die Betroffene tatsächlich ihren Sohn zur Erhebung der Rechtsbeschwerde in vorliegender Sache bevollmächtigt hat. Kann ein als Vertreter des Betroffenen auftretender Beteiligter aber den Nachweis der Vollmacht nicht erbringen oder etwaige Bedenken gegen die vorgelegte Vollmacht nicht beseitigen, so muss das Gericht die Verfahrenshandlungen des Vertreters letztlich zurückweisen (vgl. Jansen FGG § 13 Rn. 38). Der Vertreter trägt die Feststellungslast für den Bestand der von ihm behaupteten Vollmacht (vgl. Keidel/Schmidt § 12 FGG Rn. 214).

III.

Der Senat sieht davon ab, dem Beteiligten als vollmachtlosem Vertreter im vorliegenden Fall die Kosten des Verfahrens persönlich aufzuerlegen, weil die Betroffene dem Beteiligten durch Unterzeichnung der von ihm vorgelegten Vollmacht zumindest dem äußeren Anschein nach Anlass zu seinem Auftreten im Verfahren gegeben hat (vgl. Jansen § 13 Rn. 40).

Ende der Entscheidung

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