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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 04.02.2004
Aktenzeichen: 3Z BR 270/03
Rechtsgebiete: FGG, ZPO, BGB
Vorschriften:
FGG § 30 | |
ZPO § 526 | |
BGB § 1835 Abs. 1 | |
BGB § 1835 Abs. 4 | |
BGB § 1836 Abs. 2 | |
BGB § 1836a |
2. In die gesetzliche Ausschlussfrist für die Geltendmachung von Betreuervergütung ist eine Wiedereinsetzung nicht möglich. Das Vormundschaftsgericht ist im Regelfall auch nicht gehalten, auf den Ablauf der gesetzlichen Frist oder die damit verbundenen Rechtsfolgen gesondert hinzuweisen. Die gesetzliche Regelung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Gründe:
I.
Für den mittellosen Betroffenen war seit 1997 der Beteiligte, ein Rechtsanwalt, als Betreuer bestellt. Er übte sein Amt berufsmäßig aus. Durch Beschluss des Amtsgerichts vom 11.3.2002 erfolgte ein Betreuerwechsel.
Der Beteiligte machte mit Antrag vom 15.7.2003 Aufwendungsersatz und Vergütung für seine Betreuertätigkeit im Zeitraum 1.1.2000 bis 30.6.2000 geltend. Entsprechende Anträge vom 1.8.2003 und 12.8.2003 betrafen die Zeiträume 1.7.2000 bis 31.12.2000, 1.1.2001 bis 31.12.2001 und 1.1.2002 bis 22.4.2002. Das Amtsgericht wies die Anträge des Beteiligten mit Beschluss vom 15.10.2003 ab, weil etwaige Ansprüche durch Fristablauf erloschen seien. Die sofortige Beschwerde des Beteiligten hat das Landgericht mit Einzelrichterbeschluss vom 17.11.2003 zurückgewiesen. In den Gründen der Entscheidung ist ausgeführt, dass die weitere Beschwerde gemäß § 56g Abs. 5 Satz 2 FGG zuzulassen war. Gegen den formlos mitgeteilten Beschluss des Landgerichts richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten.
II.
Die zulässige sofortige weitere Beschwerde ist wegen eines Verfahrensmangels begründet.
1. Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig; insbesondere ist sie vom Landgericht gemäß §§ 69e Satz 1, 56g Abs. 5 Satz 2 FGG in den Gründen der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich zugelassen worden. Zwar gilt es allgemein als zweckmäßig, die Zulassung eines (weiteren) Rechtsmittels im Entscheidungssatz auszusprechen; eine Zulässigkeitsvoraussetzung stellt dies jedoch nicht dar. Die Zulassung in den Entscheidungsgründen ist daher ausreichend (vgl. BayObLGZ 2003, 221; Keidel/Kahl FGG 15. Aufl. Vorbem. §§ 19-30 Rn. 30).
Eine Rechtsmittelfrist (§ 56g Abs. 5 Satz 1 i.V.m. §§ 29 Abs. 2, 22 Abs. 1 FGG) war im vorliegenden Fall nicht einzuhalten, da eine Zustellung der angefochtenen Entscheidung an den Beschwerdeführer gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 FGG nicht erfolgt ist (vgl. Bassenge/Herbst/Roth FGG/RPflG 9. Aufl. § 16 FGG Rn. 12; Jansen FGG 2. Aufl. § 22 Rn. 8, § 16 Rn. 37).
2. Wegen eines Verfahrensfehlers ist die sofortige weitere Beschwerde im vorliegenden Fall auch begründet. Die angefochtene Entscheidung kann keinen Bestand haben, da der absolute Beschwerdegrund der nicht vorschriftsgemäßen Besetzung des Beschwerdegerichts (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 547 Nr. 1 ZPO) gegeben ist. Das Landgericht hätte im vorliegenden Fall nicht durch einen Einzelrichter entscheiden dürfen. Dies führt zwingend zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht unabhängig davon, ob sich die Entscheidung selbst als richtig erweist; § 561 ZPO ist hier nicht anwendbar (vgl. Bassenge § 27 FGG Rn. 20).
a) Die Entscheidung über Beschwerden im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, wie hier im betreuungsrechtlichen Verfahren, erfolgt bei den Landgerichten im Grundsatz durch eine Zivilkammer (§ 30 Abs. 1 Satz 1 FGG). Diese entscheidet grundsätzlich in der Besetzung mit drei Mitgliedern einschließlich des Vorsitzenden (§ 75 GVG). Das Beschwerdeverfahren kann allerdings entsprechend § 526 Abs. 1 ZPO zur Entscheidung auf einen Einzelrichter übertragen werden (§ 30 Abs. 1 Satz 3 FGG). Dies setzt jedoch nach dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 526 Abs. 1 ZPO einen Beschluss der Kammer voraus.
b) Ein solcher Beschluss ist vorliegend nicht ergangen, wie der Akteninhalt belegt. Wegen des fehlenden Übertragungsbeschlusses hat über die Erstbeschwerde nicht der gesetzliche Richter entschieden. Die angefochtene Entscheidung ist damit ohne weitere Prüfung aufzuheben; die Zurückverweisung erfolgt an das Kollegium der Zivilkammer (vgl. OLG Zweibrücken FGPrax 2003, 268).
3. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
Der Berufsbetreuer eines mittellosen Betroffenen kann die nach § 1836 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BGB zu bewilligende Vergütung nach Maßgabe des § 1 BVormVG aus der Staatskasse verlangen (§§ 1908i Abs. 1 Satz 1, 1836a BGB). Der Vergütungsanspruch erlischt jedoch, wenn er nicht binnen 15 Monaten nach seiner Entstehung beim Vormundschaftsgericht geltend gemacht wird; das Vormundschaftsgericht kann in sinngemäßer Anwendung von § 15 Abs. 3 Satz 1-5 ZSEG eine abweichende Frist bestimmen (§ 1836 Abs. 2 Satz 4 BGB). Die Frist kann ferner auf Antrag verlängert werden. Der Verlängerungsantrag muss aber vor Fristablauf eingehen. Bei der genannten Frist handelt es sich um eine materielle Ausschlussfrist; der Anspruch erlischt, wenn er nicht innerhalb der Frist geltend gemacht wird. Entsprechendes gilt für die Geltendmachung von Aufwendungsersatz (§ 1835 Abs. 1 Sätze 3 und 4, Abs. 4 BGB). Eine Wiedereinsetzung in die Ausschlussfrist ist nicht möglich; auf § 15 Abs. 3 Satz 6 ZSEG hat der Gesetzgeber bewusst nicht verwiesen (vgl. i.E. BayObLGZ 2003, 126/128 = FamRZ 2003, 1414/1415; OLG Schleswig FamRZ 2002, 1288; Soergel/Zimmermann BGB 13. Aufl. § 1835 Rn. 11, § 1836 Rn. 29; Staudinger/Engler BGB 13. Bearb. § 1835 Rn. 59, § 1836 Rn. 73; HK-BUR/Bauer/ Klie/Rink § 1835 BGB Rn. 3, § 1836 BGB Rn. 8 und 9, § 56g FGG Rn. 11, 12 und 16; Knittel Betreuungsgesetz § 1835 BGB Rn. 15, § 1836 BGB Rn. 43; BT-Drucks. 13/7158 S. 22 und 26/27).
Das Vormundschaftsgericht ist zudem im Regelfall nicht gesetzlich gehalten, einen Berufsbetreuer auf den Fristablauf gesondert hinzuweisen oder ihn vor dem gesetzlich vorgesehenen Verfallen des Anspruchs zu bewahren (OLG Dresden FamRZ 2004, 137). Die Kenntnis der für die Geltendmachung von Vergütungs- und Aufwendungsersatzansprüchen geltenden gesetzlichen Fristen wie auch der mit deren Ablauf verbundenen Rechtsfolgen kann von einem Berufsbetreuer erwartet werden. § 15 Abs. 3 Satz 3 ZSEG, auf den der Beteiligte verweist, begründet eine Hinweispflicht für das Gericht nur deshalb, weil im Fall des § 15 Abs. 3 ZSEG der Anspruchsverlust nicht durch den Ablauf einer gesetzlichen Frist eintritt, sondern durch die Versäumung einer durch das Gericht gesetzten Frist. § 1835 Abs. 1 Satz 4, § 1836 Abs. 2 Satz 4 BGB begründen deshalb durch Inbezugnahme von § 15 Abs. 3 Satz 3 ZSEG eine Verpflichtung des Gerichts zur Belehrung über die Folgen einer Fristversäumung nach Wortlaut und Sinn nur für den Fall der Verkürzung oder Verlängerung der Frist durch das Gericht. Die Belehrungspflicht gilt nicht für den "Normalfall", in dem die bereits im Gesetz selbst bestimmte Ausschlussfrist von 15 Monaten zur Anwendung kommt (OLG Frankfurt FamRZ 2002, 193).
Dafür, dass die Berufung der Staatskasse auf die Ausschlussfrist treuwidrig wäre (vgl. OLG Frankfurt aaO), liegen keine Anhaltspunkte vor.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die gesetzliche Regelung bestehen nach Auffassung des Senats nicht. Die Befristung der Ansprüche des Betreuers dient im Wesentlichen dem legitimen Interesse der Staatskasse. In erster Linie bezweckt die Regelung, der Gefahr vorzubeugen, dass der Betreuer durch zu langes Zuwarten hohe Ansprüche "auflaufen" lässt, deren Erfüllung die Leistungsfähigkeit des Betroffenen übersteigt und die deshalb infolge von dessen Mittellosigkeit aus der Staatskasse erfüllt werden müssten (vgl. BT-Drucks. 13/7158 S. 22/23 und 27). Die "Haftung" der Staatskasse kann aber nicht weiter reichen als entsprechende Verpflichtungen des vermögenden Betroffenen. Die Rechtsstellung des Betreuers wird dabei nicht sachwidrig verschlechtert. Dieser kann den Verlust seiner Ansprüche unschwer vermeiden, indem er sie in regelmäßigen Abständen, etwa jeweils zum Ende eines Jahres, zeitnah geltend macht. Daneben hat der Betreuer die Möglichkeit, vom Vormundschaftsgericht eine abweichende Fristbestimmung zu erwirken. Ein unverhältnismäßiger Eingriff in geschützte Rechtspositionen des Betreuers ist mit einer solchen Regelung nicht verbunden. Auch eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) sieht der Senat hier nicht als gegeben an. Es ist kein Grund ersichtlich, wieso der Gesetzgeber gezwungen gewesen wäre, die Ansprüche des Betreuers auf Aufwendungsersatz und Vergütung in gleicher Weise auszugestalten wie etwa Entschädigungen für Sachverständige oder andere Kosten- (erstattungs)ansprüche. Die geregelten Sachverhalte sind nicht identisch.
III.
Der Geschäftswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde berechnet sich nach der Höhe der vom Beschwerdeführer weiterhin geltend gemachten Aufwendungsersatz- und Vergütungsansprüche.
Ende der Entscheidung
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