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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 05.10.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 272/01
Rechtsgebiete: GG, EG-Gesellschaftssteuerrichtlinie, KostO


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 20 Abs. 3
EG-Gesellschaftssteuerrichtlinie vom 17.7.1969 (69/335/EWG) Art. 10
EG-Gesellschaftssteuerrichtlinie vom 17.7.1969 (69/335/EWG) Art. 12
KostO § 60
KostO § 18 Abs. 1
Grundbuchgebühren für die Einbringung eines Grundstücks als Einlage in eine Gesellschaft im Sinne von Art. 3 der Gesellschaftssteuerrichtlinie werden rechtmäßig erhoben.
Gründe:

I.

Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 8.9.1998 wurde die Beteiligte, eine GmbH & Co. KG, gegründet und die Einbringung bebauter Grundstücke, die bis dahin im Eigentum einer aus den Kommanditisten der Beteiligten bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts standen, in die neue Gesellschaft als Sacheinlage vereinbart. Für die Eintragung als neuer Eigentümerin stellte das Grundbuchamt der Beteiligten auf der Grundlage eines Grundstückswertes von 6.682.946 DM Gebühren in Höhe von 13208 DM in Rechnung. Die von der Beteiligten erhobene Erinnerung hiergegen wies das Amtsgericht am 18.5.1999 zurück.

Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Beteiligten ist gemäß Beschluss des Landgerichts vom 4.8.2000 ohne Erfolg geblieben.

Hiergegen wendet sich die Beteiligte mit ihrer weiteren Beschwerde vom 26.7.2001. Sie meint, die Erhebung einer am Grundstückswert orientierten Grundbuchgebühr verstoße sowohl gegen die EG-Gesellschaftssteuerrichtlinie vom 17.7.1969 (69/335/EWG) als auch gegen deutsches Verfassungsrecht. Zulässig sei lediglich eine am Aufwand des Grundbuchamtes orientierte, erheblich niedrigere Gebühr.

II.

Die weitere Beschwerde wurde vom Landgericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen (§ 14 Abs. 3 Satz 2 KostO). Sie ist auch im übrigen zulässig. Da ihre Einlegung keiner Frist unterliegt, ist es nicht zu beanstanden, dass sie erst fast ein Jahr nach Erlass der angefochtenen Entscheidung erhoben wurde. Das Beschwerderecht ist nicht verwirkt (vgl. BayObLGZ 1992, 171/172 f.).

Das Rechtsmittel der Beteiligten ist jedoch in der Sache nicht begründet. Der durch das Landgericht bestätigte Kostenansatz des Amtsgerichts ist aus Rechtsgründen (§ 14 Abs. 3 Satz 3 KostO, § 550 ZPO) nicht zu beanstanden.

1. Das Amtsgericht hat für die Eintragung der Beteiligten als Eigentümerin in das Grundbuch eine volle Gebühr (§ 60 Abs. 1 Satz 1 KostO) und für die Übernahme dieser Veränderung in das Liegenschaftskataster 30 % aus dieser Gebühr (Art. 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, Art. 3 des Gesetzes über Gebühren für die Fortführung des Liegenschaftskatasters, BayRS 2013-1-19-F) angesetzt und die Gebühren gemäß § 32 KostO nach dem Wert der bebauten Grundstücke als Geschäftswert berechnet (§ 18 Abs. 1, § 19 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 KostO; vgl. BayObLGZ 1972, 297/300 ff.). Dies entspricht den einschlägigen bundes- und landesrechtlichen Vorschriften. Auch die Beteiligte stellt dies nicht in Frage. Ihrer Argumentation, die genannten Wertvorschriften seien vorliegend wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht nicht verbindlich, kann der Senat nicht folgen.

a) Die Berechnung der genannten Gebühren nach dem Wert des bebauten Grundstücks als Geschäftswert verstößt nicht gegen Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaften, insbesondere nicht gegen die Gesellschaftssteuerrichtlinie.

aa) Die Gesellschaftssteuerrichtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 17.7.1969 (69/335/EWG) i.d.F. der Richtlinie vom 10.6.1985 (85/303/EWG; im folgenden "RL") soll die indirekten Steuern auf Ansammlung von Kapital harmonisieren. Sie ist nur auf Kapitalgesellschaften und vergleichbare Personenvereinigungen anzuwenden (Art. 3). Sie enthält Angaben zu den Vorgängen, die der Gesellschaftssteuer unterliegen (Art. 4) und zur Erhebung der Steuer (Art. 5 bis 9). Schließlich bestimmt Art. 10, dass neben der Gesellschaftssteuer grundsätzlich keine weiteren Steuern oder Abgaben aufgrund des steuerbaren Sachverhalts (Buchst. a), der Einlagen, Darlehen oder Leistungen im Rahmen dieses Sachverhalts (Buchst. b) oder der der Ausübung einer Tätigkeit vorangehenden Eintragung oder sonstigen Formalität, der die Gesellschaft aufgrund ihrer Rechtsform unterworfen werden kann (Buchst. c), erhoben werden dürfen, es sei denn, es liegt eine der in Art. 12 genannten Ausnahmen vor.

Das Verbot des Art. 10 RL ist hinreichend genau und unbedingt abgefasst. Es begründet daher für die Beteiligte Rechte, auf die sie sich auch vor den deutschen Gerichten berufen kann. Sie kann insbesondere geltend machen, dass die Richtlinie insoweit nicht oder unrichtig in deutsches Recht umgesetzt worden sei, und dass die deutschen Gesetze (hier: die Bestimmungen der Kostenordnung) gegen das Verbot verstießen (EuGH WM 1998, 2193/2198 "Fantask" Tz. 52 bis 55; ZIP 1999, 1681/1683 "Modelo II" Tz. 33 bis 35; NZG 2000, 1115/1117 "Modelo II" Tz. 36 bis 38; BayObLGZ 1998, 303/307). Die nationalen Gesetze sind nicht verbindlich, soweit sie der Richtlinie widersprechen (Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts; BayObLGZ aaO; BayObLG JurBüro 1999, 205/206; Gustavus ZIP 19981 502/503).

bb) Erwirbt eine Gesellschaft im Sinne von Art. 3 RL ein Grundstück, werden die hierbei anfallenden Grundbuchgebühren nicht vom Verbot des Art. 10 Buchst. c RL erfasst, weil die sie auslösende Eintragung im Grundbuch nicht Voraussetzung für die Ausübung der Tätigkeit der Gesellschaft ist und die Gesellschaft der Gebührenpflicht nicht aufgrund ihrer Rechtsform, sondern aufgrund ihrer Teilnahme am Rechtsverkehr wie jede andere natÜrliche oder juristische Person unterworfen wird (vgl. BayObLGZ 2000, 350/352).

cc) Anderes gilt aber für Grundbuch- und Katasterfortführungsgebühren, die anlässlich der Einbringung eines Grundstücks als Einlage in eine Gesellschaft im Sinne von Art. 3 RL, sei es bei Gründung der Gesellschaft, sei es zur Kapitalerhöhung, wegen des sich hierbei ergebenden Eigentumswechsels anfallen. Sie sind in den Anwendungsbereich der Richtlinie einzubeziehen.

(1) Das Landgericht hat sich in diesem Zusammenhang mit Art. 10 Buchst. b RL auseinandergesetzt. Diese Vorschrift verbietet unter anderem die Erhebung von Abgaben auf die Einlagen oder Leistungen im Rahmen der Gründung der Gesellschaft oder der Erhöhung des Kapitals der Gesellschaft durch Einlagen jeder Art. Dem Landgericht ist zuzugeben, dass ihre Anwendung auf Grundbuchgebühren nicht zwingend ist, da diese nicht an die Erbringung einer Einlage, sondern an die Eigentumsumschreibung anknüpfen (vgl. auch OLG Hamm RNotZ 2001, 242; NJW-RR 2001, 379).

(2) Zu beachten ist jedoch das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 11.12.1997 (EuGHE 1 1997, 7106 IISIFII), auf das die Beteiligte zu Recht hinweist. Gegenstand dieser Entscheidung ist u.a. die italienische Katasterabgabe, die für die Eintragung des Eigentümerwechsels an einem Grundstück im Kataster erhoben wird und die sich nach dem Wert der Liegenschaft bemisst (EuGH aaO Tz. 10 S. 7110). Sie wurde anlässlich der Einbringung von Grundstücken zur Kapitalerhöhung einer Gesellschaft im Sinne von Art. 3 RL erhoben (Tz. 14 S. 7111). Der Gerichtshof hat, ohne konkret auf Art. 10 Buchst. b RL einzugehen, ausgesprochen, dass die Gesellschaftssteuerrichtlinie auf die Katasterabgabe Anwendung finde (Tz. 26 S. 7114), weil sie bei der Übertragung des Eigentums an einem Grundstück und damit auch bei der Einbringung eines Grundstücks in die Gesellschaft ausgelöst werde (Tz. 25 S. 7114). Sie stelle eine indirekte Steuer mit den gleichen Merkmalen wie die Gesellschaftssteuer dar und gefährde damit die mit der Gesellschaftssteuerrichtlinie verfolgten Zielsetzungen (Tz. 31 S. 7115).

Dieser Sachverhalt ist dem hier zu beurteilenden in allen wesentlichen Merkmalen vergleichbar. Da der Europäische Gerichtshof für die Katasterabgabe die Anwendbarkeit des Art. 10 RL bejaht hat, liegt es nahe, gleiches auch für die bei der Einbringung anfallenden Grundbuchgebühren einschließlich der Gebühr für die Fortführung des Liegenschaftskatasters gelten zu lassen (zur Bindung der deutschen Gerichte vgl. BayObLGZ 1998, 303/307; BayObLG JurBüro 1999, 205/206).

dd) Auch wenn die Grundbuchgebühr (einschließlich der Katasterfortführungsgebühr) danach unter Art. 10 RL fällt, kommt allerdings nach Maßgabe der genannten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes, was die Beteiligte übersieht, die Ausnahmeregelung in Art. 12 Abs. 1 Buchst. b RL zum Tragen (EuGH aaO Tz. 32 S. 7115). Danach kann ein Mitgliedstaat Besitzwechselsteuern einschließlich der Katastersteuer auf die Einbringung von in ihrem Hoheitsgebiet gelegenen Liegenschaften in eine Gesellschaft im Sinne von Art. 3 RL erheben, sofern diese nicht höher sind als diejenigen, die auf alle anderen Eigentumsübertragungen von Privatpersonen oder Gesellschaften ohne Erwerbszweck erhoben werden (Art. 12 Abs. 2 Satz 2 RL; EuGH aaO Tz. 37 S. 7116). Die italienische Katasterabgabe erfüllt diese Voraussetzungen (EuGH aaO Tz. 34 bis 36 S. 7116). Für die deutschen Grundbuch- und Katasterfortführungsgebühren, die von natürlichen wie juristischen Personen gleich und unabhängig davon, ob sie einen Erwerbszweck verfolgen, erhoben werden, gilt nichts anderes. Da der Europäische Gerichtshof die entscheidungserhebliche Frage bereits beantwortet hat, bedarf es keiner Vorlage gemäß Art. 234 EGV.

ee) Die Gesellschaftssteuerrichtlinie enthält über Art. 10 hinaus kein generelles Verbot von Wertgebühren (vgl. BayObLG Rpfleger 2000, 128; BayObLGZ 2000, 350/352).

b) Die Berechnung der Grundbuchgebühren nach dem durch den Kaufpreis bestimmten Geschäftswert ist auch mit dem deutschen Verfassungsrecht vereinbar. Der Senat nimmt auf die ausführliche Begründung in seiner Entscheidung vom 6.12.2000 (BayObLGZ 2000, 350/352 ff.) Bezug.

2. Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf § 14 Abs. KostO nicht zu treffen.

Ende der Entscheidung

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