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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 11.09.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 279/01
Rechtsgebiete: BGB, BVormVG


Vorschriften:

BGB § 1836 a
BVormVG § 1 Abs. 3
Nach § 1 Abs. 3 BVorffiVG kann dem Betreuer eines mittellosen Betreuten ein erhöhter Stundensatz versagt werden, wenn die Bestellung erst nach Ablauf der ursprünglichen Übergangsfrist (30.6.2000) erfolge und der Betreuer keine Nachqualifizierung anstrebt.
Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Dr. Schreieder und Dr. Nitsche

am 11. September 2001

in der Betreuungssache

auf die sofortige weitere Beschwerde des ehemaligen vorläufigen Betreuers beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Weiden i.d.OPf. vom 1. August 2001 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht bestellte für den mittellosen Betroffenen am 3.11.2000 für alle Angelegenheiten einen vorläufigen Betreuer; zugleich stellte es fest, dass dieser die Betreuung berufsmäßig führt. Der Betroffene ist am 22.12.2000 verstorben.

Der vorläufige Betreuer begehrte für seine Tätigkeit in der Zeit vom 2.11.2000 bis 20.2.2001 neben Aufwendungsersatz auch eine Vergütung aus der Staatskasse auf der Grundlage eines Stundensatzes von 50 DM zuzüglich Mehrwertsteuer. Das Amtsgericht billigte dem Betreuer mit Beschluss vom 12.7.2001 eine Vergütung auf der Grundlage eines gemäß § 1 Abs. 3 BVormVG von 45 auf 50 DM erhöhten Stundensatzes zuzüglich Mehrwertsteuer zu.

Auf die auf die Höhe des Stundensatzes beschränkte sofortige Beschwerde der Staatskasse hat das Landgericht mit Beschluss vom 1.8.2001 nur eine Vergütung auf der Grundlage eines Stundensatzes von 45 DM zuzüglich Mehrwertsteuer gewährt. Hiergegen wendet sich die zugelassene sofortige weitere Beschwerde des vorläufigen Betreuers.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt, der Zeitaufwand des Betreuers sei lediglich mit einem Stundensatz von 45 DM zu vergüten. Die Kammer halte eine Auslegung von § 1 Abs. 3 BVormVG dahin, dass sich die Übergangsvorschriften nur auf Betreuungen beziehe, die vor dem 1.1.1999 übernommen worden seien, für sachgerecht. Diese Frage könne aber offen bleiben. Die Vorschrift räume dem Gericht einen Ermessensspielraum ein, der sich auch auf die Frage beziehe, ob eine Erhöhung überhaupt gerechtfertigt sei. Diese Entscheidung sei unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes zu treffen. Da die Übergangsvorschrift eine Befristung vorsehe, werde ein Vertrauensschutz um so weniger in Betracht kommen, je näher der Zeitpunkt, in dem die Betreuung übernommen worden sei, dem Fristende liege. Im vorliegenden Fall sei die Betreuung erst nach der zunächst vorgesehenen Frist vom 30.6.2000 übernommen worden. Die weitere Verlängerung dieser Frist hänge offenbar damit zusammen, dass teilweise die Voraussetzungen für eine Nachqualifizierung noch nicht geschaffen worden seien. Dieser Umstand habe aber im Hinblick auf einen Vertrauensschutz nur dann Bedeutung, wenn der Betreuer auch ernsthaft eine Nachqualifizierung angestrebt habe oder anstrebe. Wer dies von Anfang an nicht gewollt habe, sei daher bereits ab Inkrafttreten des Vergütungsgesetzes gehalten gewesen, sich darauf einzustellen, dass nach Ablauf der Übergangsfrist er mit den neuen Vergütungssätzen zurechtkommen müsse. Für die erst am 3.11.2000 übernommene Betreuung könne der vorläufige Betreuer keinen Vertrauensschutz mehr beanspruchen, da weder ersichtlich noch vorgetragen sei, dass er jemals eine Nachqualifizierung angestrebt habe.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 27 Abs. 1 FGG, 550 ZPO).

a) Der Stundensatz, der der Vergütung eines Berufsbetreuers aus der Staatskasse zugrunde zu legen ist, beträgt gemäß der derzeit geltenden gesetzlichen Regelung je nach der Qualifikation des Betreuers 35, 45 oder 60 DM (§ 1908i Abs. 1 Satz 1, § 1836a BGB, § 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 BVormVG).

Hat der Betreuer Betreuungen schon seit mindestens 1.1.1997 berufsmäßig geführt, kann ihm das Gericht gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 BVormVG für eine Übergangszeit einen über 35 bzw. 45 DM hinausgehenden Stundensatz zubilligen, und zwar unabhängig davon, wann der Betreuer die konkrete Betreuung, für die er die Vergütung beansprucht, übernommen hat (vgl. OLG Düsseldorf FGPrax 2000, 194; OLG Hamm FGPrax 2000, 20). Die Bestimmung des § 1 Abs. 3 BVormVG stellt eine Härteregelung dar. Sie will unzumutbare Nachteile vermeiden, die sich für Berufsbetreuer aus dem Wechsel der für die Vergütung ihrer Tätigkeit maßgeblichen Bemessungskriterien ergeben können (vgl. BayObLGZ 2000, 136/138). Sie dient der Besitzstandswahrung (vgl. OLG Dresden FamRZ 2000, 552/553; OLG Hamm FGPrax 1999, 223 und 2000, 20; Wagenitz/Engers FamRZ 1998, 1273/ 1275) und gewährt Vertrauensschutz im Hinblick darauf, dass die auf den bisher erzielten Einnahmen beruhenden Einkommenserwartungen in der Regel einen wesentlichen Faktor finanzieller Dispositionen und wirtschaftlicher Kalkulation darstellen. Die seit mindestens zwei Jahren tätigen Berufsbetreuer, denen bisher höhere Stundensätze bewilligt wurden als ihnen nach der Neuregelung zustünden, sollen Gelegenheit erhalten, sich der veränderten Vergütungssituation anzupassen, z.B. indem sie durch die in § 2 BVormVG vorgesehene Umschulung und Fortbildung eine zu einem höheren Stundensatz führende Qualifikation erreichen oder die Unkosten in einer Weise reduzieren, dass ihnen ihre Tätigkeit auch bei geringerer Vergütung eine ausreichende Existenzgrundlage verschafft (vgl. BayObLGZ 2000, 136/138 f.; 2000, 331/334; OLG Braunschweig BtPrax 2000, 130; OLG Düsseldorf FGPrax 2000, 194; OLG Hamm FGPrax 1999, 223/224; 2000, 20; Dodegge NJW 2000, 2704/2713). Den erhöhten Stundensatz kann auch ein Betreuer erhalten, der keine Nachqualifizierung durchführt (BayObLGZ 2000, 136; OLG Karlsruhe FGPrax 2001, 117).

b) Ob, für welchen Zeitraum und in welchem Ausmaß einem Berufsbetreuer auf der Grundlage von § 1 Abs. 3 BVormVG ein Härteausgleich gewährt wird, steht im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters (vgl. BayObLGZ 2000, 136/138; OLG Dresden FamRZ 2000, 552/553; Zimmermann FamRZ 1999, 630/635). Dieser hat alle nach dem Sinn und Zweck der Härteregelung relevanten Umstände zu berücksichtigen, in erster Linie, in welchem Umfang der dem Betreuer nunmehr noch zustehende Stundensatz hinter dem bisher gewährten zurückbleibt (vgl. OLG Dresden FamRZ 2000, 552/553). Das Ermessen des Gerichts ist allerdings insoweit eingeschränkt, als der abweichend von § 1 Abs. 1 BVormVG zuzubilligende Stundensatz zwar 60 DM nicht übersteigen darf (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BVormVG), sich jedoch an dem bisherigen Stundensatz orientieren soll (§ 1 Abs. 3 Satz 2 BVormVG).

c) Die Ermessensentscheidung des Tatrichters ist im Verfahren der weiteren Beschwerde nur eingeschränkt überprüfbar (BayObLGZ 2000, 136/138). Diese Überprüfung ergibt hier keinen Rechtsfehler. Das Landgericht hat den entscheidungserheblichen Sachverhalt verfahrensfehlerfrei und damit für den Senat bindend festgestellt (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 561 ZPO). Auch seine Überlegungen zur Ausübung des Ermessens sind nicht zu beanstanden. Die Kammer hat bei ihrer Entscheidung die dargestellten Grundsätze beachtet, insbesondere ist nicht ersichtlich, dass nicht alle wesentlichen Umstände berücksichtigt und in vertretbarer Weise gewichtet worden sind. Sie hat bei ihrer Entscheidung nicht verkannt, dass sie von Gesetzes wegen nicht gehindert wäre, einem Betreuer, der erst nach dem 1.1.1999 bestellt worden ist und keine Nachqualifizierung anstrebt, einen Härteausgleich zu gewähren. Ihre Erwägungen rechtfertigen es auch unter Berücksichtigung des § 1 Abs. 3 Satz 2 BVormVG, dem vorläufigen Betreuer nur einen unter der bisherigen Vergütung von 50 DM liegenden Stundensatz zuzuerkennen. Nach dieser Vorschrift stellt die bisherige Vergütung einen zwar besonders wichtigen Orientierungspunkt, aber nicht das ausschließliche Kriterium für die Höhe der zu gewährenden Vergütung dar (vgl. auch OLG Koblenz FamRZ 2000, 181; Zimmermann FamRZ 1999, 630/635 f.). Jedenfalls wenn die bisherige Vergütung wie hier den nach der Neuregelung gültigen Stundensatz nur geringfügig übersteigt, ist der Tatrichter nicht gehindert, bei seiner Ermessensausübung im Einzelfall auch zu berücksichtigen, dass die Bestellung des vorläufigen Betreuers, der keine Nachqualifizierung anstrebt, erst einige Zeit nach Ablauf der vom Gesetzgeber in der ursprünglichen Fassung des § 1 Abs. 3 Satz 1 BVormVG als ausreichend angesehenen Übergangsfrist bis zum 30.6.2000 erfolgt ist. Nach diesem Zeitpunkt kommt dem Gesichtspunkt der Besitzstandswahrung und der Ermöglichung einer Anpassung der Organisation des Bürobetriebs an die veränderte Einkommenssituation regelmäßig entscheidende Bedeutung nicht mehr zu (vgl. BayObLGZ 2001, 122/125 f.).

Ende der Entscheidung

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