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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 06.12.2000
Aktenzeichen: 3Z BR 280/00
Rechtsgebiete: GG, KostO, 69/335/EWG


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 20 Abs. 3
KostO § 18 Abs. 1
EG-Gesellschaftssteuerrichtlinie vom 17.7.1969 (69/335/EWG)
Die Wertgebühren für Eintragungen im Grundbuch sind nicht grundgesetzwidrig.
BayObLG Beschluß

LG Augsburg 4 T 3489/99; AG Landsberg a. Lech

3Z BR 280/00

06.12.00

BayObLGZ 2000 Nr. 75

Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Fuchs und Dr. Denk. am 6. Dezember 2000 in der Kostensache betreffend Eintragungen im Grundbuch auf die weitere Beschwerde der Beteiligten

beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des Landgerichts Augsburg vom 7. August 2000 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Beteiligte erwarb im Dezember 1998 mehrere Grundstücke. Für die Eintragung der Auflassung im Grundbuch stellte ihr der Kostenbeamte, ausgehend von dem Kaufpreis für die Grundstücke (2549602 DM), mit Kostenansatz vom 28.5.1999 eine volle Gebühr in Höhe von 3950 DM in Rechnung, ferner hieraus 30 % für die Fortführung des Liegenschaftskatasters. Daneben setzte er, wiederum ausgehend vom Kaufpreis, ein Viertel der vollen Gebühr, also 987,50 DM, für die Löschung der Auflassungsvormerkung an.

Hiergegen legte die Beteiligte Erinnerung ein. Die Gebührenhöhe stehe in keinem Verhältnis zum Arbeitsaufwand des Grundbuchamtes in ihrer Sache. Dies widerspreche dem für Gebühren allgemein geltenden Äquivalenzprinzip. Für Kapitalgesellschaften betreffende Eintragungen in das Handelsregister sei auf Grund europarechtlicher Vorgaben entschieden worden, dass die Wertgebühren durch die tatsächlich anfallenden Kosten begrenzt seien. Dies müsse auch für Grundbuchgebühren gelten, da andernfalls der Gleichheitssatz verletzt sei. Das Amtsgericht wies die Erinnerung mit Beschluss vom 26.7.1999 als unbegründet zurück.

Die Beschwerde der Beteiligten gegen diese Entscheidung hat das Landgericht mit Beschluss vom 7.8.2000 zurückgewiesen. Die Vorschriften der Kostenordnung, die dem angefochtenen Kostenansatz zugrunde liegen, verstießen weder gegen europäisches Gemeinschaftsrecht noch gegen das Grundgesetz. Die Gesellschaftssteuerrichtlinie 69/335/EWG sei weder unmittelbar noch entsprechend auf das Recht der Grundbuchgebühren anwendbar. Die Wertgebühren der Kostenordnung genügten den verfassungsrechtlichen Anforderungen sowohl unter dem Gesichtspunkt der Äquivalenz der staatlichen Leistung wie auch dem der Gleichbehandlung von Registergebühren.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beteiligte mit der vom Landgericht zugelassenen weiteren Beschwerde, mit der sie ihr Anliegen weiterverfolgt.

II.

Das zulässige Rechtsmittel der Beteiligten (§ 14 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 KostO) ist sachlich nicht begründet. Der durch das Landgericht bestätigte Kostenansatz des Amtsgerichts ist aus Rechtsgründen (§ 14 Abs. 3 Satz 3 KostO, § 550 ZPO) nicht zu beanstanden.

1. Das Amtsgericht hat für die Eintragung der Beteiligten als Eigentümerin in das Grundbuch eine volle Gebühr (§ 60 Abs. 1 Satz 1 KostO), für die Übernahme dieser Veränderung in das Liegenschaftskataster 30 % aus dieser Gebühr (Art. 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, Art. 3 des Gesetzes über Gebühren für die Fortführung des Liegenschaftskatasters, BayRS 2013-1-19-F) und für die Löschung der Auflassungsvormerkung ein Viertel der vollen Gebühr (§ 68 i.V.m. § 66 Satz 1, § 60 Abs. 1 Satz 1 KostO) angesetzt und die Gebühren gemäß § 32 KostO nach dem Kaufpreis als Geschäftswert berechnet (§ 18 Abs. 1, § 19 Abs. 1 Satz 1, § 20 Abs. 1 Satz 1 KostO; vgl. BayObLGZ 1974, 422/424). Dies entspricht den einschlägigen bundes- und landesrechtlichen Vorschriften. Auch die Beteiligte bestreitet dies nicht. Sie meint jedoch, die genannten Wertvorschriften seien nicht verbindlich, da die Ermittlung der Gebühren ausschließlich nach einem am Wert des betroffenen Grundstücks orientierten Geschäftswert gegen höherrangiges Recht verstoße. Stattdessen müßten die durch die Eintragung im Grundbuch tatsächlich entstandenen Kosten angesetzt werden oder zumindest eine Begrenzung der Wertgebühren bilden. Dem kann der Senat nicht folgen.

a) Die Berechnung der genannten Gebühren nach dem Kaufpreis des Grundstücks als Geschäftswert verstößt nicht gegen Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaften, insbesondere nicht gegen die Gesellschaftssteuerrichtlinie.

aa) Die Gesellschaftssteuerrichtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 17.7.1969 (69/335/EWG i.d.F. der Richtlinie vom 10.6.1985, 85/303/EWG, abgedruckt bei Lutter Europäisches Unternehmensrecht 4. Aufl. S. 791) sollte die indirekten Steuern auf Ansammlung von Kapital harmonisieren. Sie ist nur auf Kapitalgesellschaften und vergleichbare Personenvereinigungen anzuwenden (Art. 3). Sie enthält Angaben zu den Vorgängen, die der Gesellschaftssteuer unterliegen, sowie zur Berechnung der Steuer. Schließlich bestimmt Art. 10 Buchst. c, dass, abgesehen von der Gesellschaftssteuer und den Abgaben mit Gebührencharakter für Eintragungen (Art. 12 Abs. 1 Buchst. e), die Mitgliedsstaaten von Kapitalgesellschaften keine anderen Steuern oder Abgaben auf die der Ausübung einer Tätigkeit vorangehende Eintragung oder sonstige Formalität erheben, denen die Gesellschaft aufgrund ihrer Rechtsform unterworfen werden kann (vgl. BayObLGZ 1998, 303/306).

bb) Die hier fraglichen Gebührentatbestände fallen nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie, insbesondere nicht unter das Verbot des Art. 10 Buchst. c. Zum einen ist es, wie das Landgericht zutreffend feststellt, für diese Tatbestände gleichgültig, ob der Beteiligte einer Grundbucheintragung natürliche Person oder Kapitalgesellschaft im Sinne der Gesellschaftssteuerrichtlinie ist. Die Beteiligte ist der Gebühr nicht aufgrund ihrer Rechtsform unterworfen, sondern aufgrund der Teilnahme am Rechtsverkehr unabhängig von ihrer Rechtsform. Zum anderen betreffen die Gebührentatbestände nicht eine der Ausübung der Gesellschaftstätigkeit vorangehende Eintragung oder sonstige Formalität.

cc) Der Europäische Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 2.12.1997 (ZIP 1998, 206) auch keinen allgemeinen Grundsatz dahin aufgestellt, dass die Mitgliedsstaaten generell keine Gebühren für staatliche Leistungen erheben dürften, die über die Kosten für die jeweilige Leistung hinausgehen. Die Entscheidung beschränkt sich, ebenso wie diejenige vom 29.9.1999 (ZIP 1999, 1681/1683), auf die Auslegung der Gesellschaftssteuerrichtlinie und die von dieser Richtlinie erfaßten Abgabentatbestände. Auf andere Sachverhalte kann die Entscheidung nicht übertragen werden. Die Urteilsgründe enthalten keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gerichtshof die Erhebung von Gebühren auch in Bereichen beschränken wollte, die in der Richtlinie nicht geregelt sind (vgl. BayObLG NJW-RR 2000, 736 = Rpfleger 2000, 128).

b) Die Berechnung der Gebühren nach dem durch den Kaufpreis bestimmten Geschäftswert ist auch mit dem Verfassungsrecht vereinbar. Die Anknüpfung der Höhe der Gebühr an den Wert des Geschäfts (§ 18 Abs. 1 KostO) verstößt weder gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) noch gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG).

aa) Das Bundesverfassungsgericht hat sich wiederholt mit der Frage der Vereinbarkeit von Wertgebühren mit dem Grundgesetz beschäftigt (BVerfGE 50, 217/225 ff.; 80, 103/106 f.; 85, 337/346 f.; 97, 332/334 ff.; JurBüro 2000, 146). Nach den hierzu entwickelten Grundsätzen muß eine Verknüpfung zwischen der Gebühr und den Kosten der öffentlichen Leistung bestehen mit dem Zweck, die Kosten ganz oder teilweise zu decken; die Gebühr darf diese Kosten jedoch übersteigen oder unterschreiten (BVerfGE 50, 217/226) und neben der Deckung der anfallenden Kosten auch andere Ziele verfolgen (BVerfG JurBüro 2000, 146). In diesem Zusammenhang darf der Gesetzgeber auch dem Gesichtspunkt der Leistungsfähigkeit des Gebührenschuldners Bedeutung zumessen, um dem verfassungsrechtlich abgesicherten Sozialstaatsprinzip und dem Justizgewährungsanspruch Rechnung zu tragen (BVerfGE 80, 103/107). Aus der Zweckbindung der Gebühr ergibt sich keine verfassungsrechtlich begründete Begrenzung der Gebührenhöhe durch die tatsächlichen Kosten einer staatlichen Leistung; das Kostendeckungsprinzip und ähnliche gebührenrechtliche Prinzipien sind keine Grundsätze mit verfassungsrechtlichem Rang (BVerfG JurBüro 2000, 146). Der weite Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers ist nur dann überschritten, wenn die Gebühr völlig unabhängig von der gebührenpflichtigen Staatsleistung festgesetzt wird und kein vernünftiger Gesichtspunkt vorhanden ist, unter dem die Verknüpfung von Gebühr und Leistung sachgemäß erscheint (BVerfGE 50, 217/227).

Diese weit gefaßte Grenze ist hier nicht überschritten. Die Beteiligte beanstandet den fehlenden Bezug zwischen dem die Höhe der Gebühr bestimmenden Geschäftswert, der hier dem Kaufpreis entspricht, und dem für die Eintragung anfallenden Aufwand. Ihr ist zuzugeben, dass kein Bezug zwischen der Höhe des Kaufpreises und der Bearbeitungsdauer besteht. Einen Erfahrungssatz, wonach die Eintragungen bei hohen Kaufpreisen öfter schwierige Probleme mit sich brächten als bei niedrigen Kaufpreisen, gibt es nicht. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die Gebühr nicht nur zur Deckung des für die konkrete Eintragung anfallenden Arbeitsaufwands bestimmt ist, sondern auch zur Deckung der sonstigen allgemein mit der Grundbuchführung verbundenen Aufwendungen wie den Sachinvestitionen, der Abgleichung des Grundbuchs mit anderen öffentlichen Registern, insbesondere dem Liegenschaftskataster, den Rechtsbehelfsverfahren und der Kosteneinziehung.

Ferner treten neben das Kriterium des Bearbeitungs- und Sachaufwands weitere Umstände, die geeignet sind, die Wertgebühr sachlich zu rechtfertigen. Dazu gehört zum einen die Bedeutung der Eintragung für die Beteiligten. Je höher der Grundstückswert, desto höher ist das wirtschaftliche Interesse der Beteiligten an der staatlichen Leistung. Damit korrespondiert im übrigen im Regelfall auch die Leistungsfähigkeit der Beteiligten. Der durch die Wertabhängigkeit der Gebühren vermittelte Ausgleich zwischen nicht kostendeckenden Eintragungen mit geringem Geschäftswert und Eintragungen mit hohem Geschäftswert spiegelt so eine Komponente des Sozialstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 1 GG) wider. Ferner steigt das Haftungsrisiko der öffentlichen Hand entsprechend dem Grundstückswert. Schließlich kann für die Wertgebühr ihre Übersichtlichkeit, und damit auch ihre Berechenbarkeit und Vorhersehbarkeit für die Beteiligten sowie ihre einfache Handhabbarkeit für die öffentliche Hand ins Feld geführt werden. Sie kommt letztlich wiederum den Beteiligten zugute, weil eine kostspielige Erfassung des Aufwands allein zu Zwecken der Gebührenberechnung unterbleiben kann. Ein allzu starke~ Anstieg der Gebühr bei höheren Geschäftswerten wird durch die in § 32 KostO vorgesehene Gebührendegression vermieden.

bb) Das Bundesverfassungsgericht hat nicht beanstandet, dass der Gesetzgeber die Höhe der Gerichtsgebühren in bürgerlichrechtlichen Streitigkeiten überwiegend an den Streit- und Geschäftswert knüpft (BVerfGE 85, 337/346). Letzterer könne im Rahmen zulässiger Pauschalierung als Anhaltspunkt für den Wert der staatlichen Leistung angesehen werden. Diese Beurteilung kann auf die Grundbuchgebühren übertragen werden. Auch bei bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten besteht kein unmittelbarer Bezug zwischen Streit- oder Geschäftswert einerseits, Bearbeitungsaufwand andererseits. Die oben genannten Kriterien reichen daher hier wie dort für die sachgerechte Entscheidung des Gebührengesetzgebers zugunsten der Wertgebühr aus, zumal es sich in Grundbuchsachen um ein Massengeschäft handelt, das in besonderem Maß nach einer Pauschalierung verlangt. Dem entspricht es, dass das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde einer Beteiligten, die sich erfolglos gegen die Wertgebühren in Grundbuchsachen gewandt hatte (vgl. den nicht veröffentlichten Beschluss des Senats vom 1.2.1990 - 3Z BR 9/90), nicht zur Entscheidung angenommen hat (Beschluß vom 1.2.1999 - 1 BvR 162/90; vgl. auch OLG Karlsruhe Rpfleger 1997, 56/57).

cc) Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet nicht die entsprechende Anwendung der Grundsätze, die der Senat zu den Handelsregistergebühren, insbesondere zu § 26 KostO entwickelt hat, auf Grundbuchgebühren. Der Senat hat zu dieser Vorschrift entschieden, dass Gebühren für bestimmte Handelsregistereintragungen den tatsächlichen Aufwand nicht übersteigen dürfen (BayObLGZ 1998, 303/306). Diese (richtlinienkonforme) Auslegung nationaler Kostenvorschriften war durch die Gesellschaftssteuerrichtlinie und die auf ihrer Grundlage ergangenen, bereits erwähnten Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften geboten. Demgegenüber ist der Gebührenmaßstab für Grundbucheintragungen im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben durch die Vorschriften der Kostenordnung abschließend geregelt. Europarechtliche Vorgaben, die eine abweichende Handhabung rechtfertigen könnten, bestehen nicht. Wollte man anders entscheiden, liefe dies darauf hinaus, dem europäischen Normgeber mittelbar über den Gleichheitssatz Einfluß auf nationale Rechtsvorschriften einzuräumen, auf die sich seine Kompetenz nicht erstreckt.

dd) Diese Überlegungen gelten, soweit die angesetzten Gebühren auf bayerischem Landesrecht beruhen, auch für dessen Vereinbarkeit mit den Vorschriften der Bayerischen Verfassung, insbesondere mit Art. 118 Abs. 1 Satz 1 BV.

2. Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf § 14 Abs. 5 KostO nicht zu treffen.

Ende der Entscheidung

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