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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 01.06.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 29/01
Rechtsgebiete: FGG


Vorschriften:

FGG § 12
FGG § 13a Abs. 2
Der Tod des Betroffenen beendet das Unterbringungsverfahren.
Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Dr. Plößl und Dr. Denk

am 1. Juni 2001

in der Unterbringungssache

auf die sofortigen weiteren Beschwerden der Betroffenen

beschlossen:

Tenor:

Die Unterbringungsverfahren sind beendet.

Gründe:

I.

Mit Beschluss vom 18.10.2000 ordnete das Amtsgericht mit sofortiger Wirksamkeit die vorläufige geschlossene Unterbringung der Betroffenen bis längstens 28.11.2000 an. Die sofortige Beschwerde der Betroffenen hiergegen hat das Landgericht mit Beschluss vom 13.12.2000 zurückgewiesen. Dagegen wandte sich die Betroffene mit der sofortigen weiteren Beschwerde vom 17.12.2000 (Verfahren 3Z BR 29/01).

Mit Beschluss vom 28.11.2000 verlängerte das Amtsgericht mit sofortiger Wirksamkeit die vorläufige Unterbringung der Betroffenen bis längstens 27.1.2001. Die sofortige Beschwerde der Betroffenen hiergegen hat das Landgericht mit Beschluss vom 9.1.2001 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Unterbringung nur bis längstens 18.1.2001 dauere. Dagegen wandte sich die Betroffene mit der sofortigen weiteren Beschwerde vom 16.1.2001 (Verfahren U BR 30/01).

Der Senat hat durch Beschluss vom 13.2.2001 die beiden Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde verbunden und bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs über eine vorgreifliche Rechtsfrage ausgesetzt.

Die Betroffene ist am 19.4.2001 verstorben. Ihr Verfahrensbevollmächtigter hat die Fortführung der Verfahren beantragt.

II.

Durch den Tod der Betroffenen sind die Unterbringungsverfahren beendet.

1. Der Tod eines Beteiligten wirkt sich im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit je nach Art des Verfahrens und der Beteiligung des Verstorbenen unterschiedlich aus. In Betracht kommen grundsätzlich die schlichte Beendigung des Verfahrens, die Erledigung des Verfahrens in der Hauptsache oder die Fortsetzung des bisherigen Verfahrens durch andere, bereits bisher Beteiligte bzw. die Rechtsnachfolger des Verstorbenen. Sowohl die Annahme der Erledigung des Verfahrens in der Hauptsache als auch die Fortsetzung des bisherigen Verfahrens setzen das Vorhandensein von Verfahrensbeteiligten voraus (vgl. z.B. BayObLGZ 1958, 222/223; 1965, 348/350; BayObLG FamRZ 2000, 1183 und 1328). Die schlichte Beendigung des Verfahrens dagegen tritt ein, wenn es keinen Verfahrensbeteiligten mehr gibt, was in der Regel dann vorliegt, wenn der Verstorbene der einzige Verfahrensbeteiligte war und der Verfahrensgegenstand nicht vererblich ist (vgl. Jansen FGG 2. Aufl. Vorbem. § 8 bis 18 Rn. 36 und 37; Keidel/Kayser FGG 14. Aufl. § 12 Rn. 79 bis 82; Bumiller/ Winkler FGG 5. Aufl. § 12 Rn. 6; Bassenge/Herbst FGG/RPflG 8. Aufl. FGG Einl. Rn. 69). So liegt der Fall hier. Die Unterbringung wurde lediglich von der Betroffenen, vertreten durch ihren Verfahrensbevollmächtigten, angefochten. Nach Ablauf der jeweiligen Unterbringungszeit, also dem 28.11.2000 im Verfahren M BR 29/01 und dem 18.1.2001 im Verfahren 3Z BR 30/01, begehrte die Betroffene die Feststellung der Rechtswidrigkeit der zugrunde liegenden Anordnungen.

Die Fortführung der Verfahren mit diesem Ziel war zulässig (Senatsbeschluß vom 13.2.2001, S. 3). Beschwerdeberechtigt (§ 20 Abs. 1 FGG) ist nach einer solchen Umstellung des Rechtsschutzziels ausschließlich der Betroffene einer Freiheitsentziehung. Denn die Grundlage seines jetzigen Begehrens ist im wesentlichen das Grundrecht der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) in Verbindung mit dem Grundrecht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG; vgl. BVerfG NJW 1998, 2432/2433; NJWE-FER 1998, 163). Diese Grundrechte sind höchstpersönliche, nicht vererbliche Individualrechte. Es geht um den einzelnen Menschen und um den Schutz der mit seiner Person verbundenen Rechtsstellung (Maunz/Dürig GG 24. Lieferung Art. 19 Rn. 8). Daraus folgt, dass mit dem Tod des Betroffenen niemand mehr vorhanden ist, der beschwerdeberechtigt wäre. Insbesondere kommt den Erben des Verstorbenen kein rechtliches Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Unterbringungsanordnungen zu. Ein Makel, vergleichbar dem eines Strafurteils, dessen postume Beseitigung in Betracht zu ziehen wäre (vgl. Leipold/ Rupprecht BVerfGG Köln 1968 § 90 Rn. 22), haftet einer Unterbringung schon deshalb nicht an, weil eine psychische Krankheit, anders als die Begehung einer Straftat, kein Unrecht beinhaltet.

2. Eine Kostenentscheidung ergeht nicht. Gerichtskosten sind nicht angefallen (§ 128b KostO). Der Senat sieht auch keinen Anlass zur Anordnung einer Kostenerstattung. Eine Anordnung gemäß § 13a Abs. 1 FGG scheidet schon mangels weiterer Beteiligter aus. Gemäß § 13a Abs. 2 Satz 1 FGG kann das Gericht zwar die Auslagen des Betroffenen, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, ganz oder teilweise der Staatskasse auferlegen, wenn das eine Unterbringungsmaßnahme nach § 70 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 FGG betreffende Verfahren ohne Entscheidung über die Maßnahme beendet wird.

Hier sind jedoch immerhin in beiden Verfahren die Unterbringung anordnende bzw. bestätigende Entscheidungen des Amtsgerichts und des Landgerichts ergangen, bevor sich die angegriffenen Maßnahmen jeweils durch Zeitablauf erledigten. Ausweislich des Akteninhalts waren auch die materiellrechtlichen Voraussetzungen für die Unterbringung (§ 1906 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BGB) gegeben. Die Betroffene, die bereits vielfach wegen chronischen Alkoholmissbrauchs mit hohen BAK-Werten in Krankenhäuser aufgenommen worden war, war während der kalten Jahreszeit erneut betrunken und unansprechbar auf einem Parkplatz aufgefunden worden. Ausweislich der Gutachten hatte der langjährige Alkoholmissbrauch zu einer auch organischen Persönlichkeitsstörung geführt, die eine freie Willensbestimmung ausschloss und eine ärztliche Behandlung erforderte, um eine erhebliche Verschlechterung der Krankheit, unter Umständen sogar den Tod der Betroffenen abzuwenden. Unter diesen Umständen sieht der Senat, auch wenn der Anwendungsbereich des § 13a Abs. 2 Satz 1 FGG eröffnet sein sollte, keinen Anlass, der Staatskasse die notwendigen Auslagen der Betroffenen aufzuerlegen.

Ende der Entscheidung

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