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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 23.06.2004
Aktenzeichen: 3Z BR 29/04
Rechtsgebiete: BGB, KostO


Vorschriften:

BGB 2357
KostO § 30 Abs. 1
Der Geschäftswert für ein Beschwerdeverfahren, in dem ein Miterbe seinen Antrag auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins weiterverfolgt, bemisst sich im Regelfall nach dem angestrebten Anteil dieses Miterben am Nachlass. Ob der Wert des gesamten Nachlasses dann maßgeblich ist, wenn der Miterbe die Beschwerde auch im Interesse der anderen vermeintlichen Miterben führt, bleibt offen. Dies kann jedenfalls nicht schon allein daraus geschlossen werden, dass ein gemeinschaftlicher Erbschein beantragt worden war.
Gründe:

I. Die am 8.2.2003 verstorbene Erblasserin hatte testamentarisch verfügt, dass ihr Hausanwesen, das den wesentlichen Teil ihres Vermögens ausmachte, nach ihrem Tod in das Eigentum ihrer Großnichte, der Beteiligten zu 2, übergehen soll, wenn diese "das Haus mit ihrer Familie als ständigen Wohnsitz bewohnt und bewirtschaftet und ein zum Zeitpunkt des Erbfalls vorhandenes Haustier übernimmt und versorgt". Die Beteiligte zu 1, eine Schwester der Erblasserin, beantragte mit Schreiben vom 15.3.2002 einen "gemeinschaftlichen Erbschein mit einer Erbquote von 1/3". Die Beteiligte zu 2 beantragte am 16.4.2003 einen Erbschein, der sie als Alleinerbin ausweist. Das Amtsgericht erließ am 16.6.2003 einen Vorbescheid, wonach in Aussicht gestellt wurde, dem Antrag der Beteiligten zu 2 stattzugeben. Hiergegen legte die Beteiligte zu 1 Beschwerde ein mit dem Begehren, den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 2 zurückzuweisen und einen gemeinschaftlichen Erbschein zu erteilen, "in welchem die Beteiligten zu 1 bis 3 aufgrund testamentarischer Erbfolge als Erben zu je 1/3 ausgewiesen sind".

Das Landgericht wies die Beschwerde am 9.1.2004 zurück. Gegen die Festsetzung des Geschäftswerts des Beschwerdeverfahrens auf 300.000 EURO in diesem Beschluss richtet sich die mit Schriftsatz vom 22.1.2004 eingelegte "weitere Beschwerde" der Beteiligten zu 1 mit dem Ziel, diesen Geschäftswert auf 80.000 EURO herabzusetzen. Mit Schriftsatz vom 14.4.2004 wurde das Rechtsmittel auf die Hauptsacheentscheidung erstreckt.

II. 1. Der erkennende Senat hat nach der Geschäftsverteilung des Bayerischen Obersten Landesgerichts über die mit Schriftsatz vom 22.1.2004 eingelegte, auf die Festsetzung des Geschäftswerts für das Beschwerdeverfahren beschränkte Beschwerde zu entscheiden. Diese ist zulässig. Es handelt sich um eine Erstbeschwerde gemäß § 31 Abs. 3 KostO (vgl. BayObLGZ 2003, 87/88). Die Zulassung des Rechtsmittels durch das Landgericht (§ 31 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 14 Abs. 3 Satz 2 KostO) ist daher nicht erforderlich. Eine Rechtsanwaltsgebühr beträgt unter Zugrundelegung des festgesetzten Geschäftswerts 2.288 EURO, unter Zugrundelegung des mit der Beschwerde angestrebten Geschäftswerts 1.200 EURO, so dass der Beschwerdewert jedenfalls 50 EURO übersteigt.

2. Die Beschwerde ist zum Teil begründet. Der Geschäftswert für das landgerichtliche Beschwerdeverfahren ist auf 98.505 EURO festzusetzen.

a) Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren ist gemäß § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1 KostO nach freiem Ermessen zu bestimmen. Die besonderen Vorschriften für die Wertbestimmung im ersten Rechtszug bilden einen Anhaltspunkt für die Schätzung. Diese muss aber vor allem das wirtschaftliche Interesse des Beschwerdeführers am Erfolg seines Rechtsmittels berücksichtigen (vgl. BayObLG JurBüro 1983, 899; BayObLGZ 1993, 115/117; Rohs/Wedewer KostO § 131 Rn. 16). Daher ist im Beschwerdeverfahren, das einen Erbschein betrifft, vom reinen Nachlasswert auszugehen (§ 107 Abs. 2 Satz 1 KostO; BayObLG aaO.; Rohs/Wedewer Rn. 16a). Geht das wirtschaftliche Interesse des Beschwerdeführers nicht auf den gesamten Nachlass, sondern lediglich auf einen Anteil daran, ist der Wert des Anteils maßgeblich (BayObLG Rpfleger 1980, 140; FamRZ 1989, 99/102; OLG Celle Rpfleger 1964, 294; OLG Düsseldorf FamRZ 1995, 102). Ein Miterbe, der erfolglos einen Antrag auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins gestellt hat (§ 2357 Abs. 1 Satz 2 BGB), verfolgt im Beschwerdeverfahren in der Regel nur sein eigenes wirtschaftliches Interesse, das auf seinen Anteil beschränkt ist (BayObLGZ 1986, 489/492; OLG Celle aaO.). Dies gilt auch dann, wenn statt der Ablehnung des Antrags auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins ein Vorbescheid Gegenstand des Rechtsmittels ist, durch den die Erteilung eines Erbscheins angekündigt wird, der dem Antrag des Beschwerdeführers nicht entspricht. Das Interesse des Beschwerdeführers, die Erteilung des angekündigten Erbscheins zu verhindern, ist nur in Höhe seines Anteils gegeben. Ob anderes gilt, wenn das Rechtsmittel ausnahmsweise auch im Interesse der anderen Miterben geführt wird, die im Antrag des Beschwerdeführers enthalten sind, kann hier dahinstehen. Auch wenn der Beschwerdegegner als Alleinerbe vorgesehen ist, kann dessen Interesse am gesamten Nachlass nicht mit dem Interesse des Beschwerdeführers gleichgesetzt werden (BayObLG Rpfleger 1980, 140). Der Beschwerdeführer hat auch keine andere Wahl, als den Vorbescheid insgesamt anzufechten; eine Beschränkung des Rechtsmittels auf seinen Anteil ist nicht möglich.

b) Nach diesen Grundsätzen ist der von der Beteiligten zu 1 angestrebte Anteil von einem Drittel des Nachlasses für den Geschäftswert des vorliegenden Beschwerdeverfahrens maßgeblich. Dass die mit Schriftsatz vom 23.7.2003 eingelegte Beschwerde auch im Interesse der beiden anderen Beteiligten geführt worden wäre, geht weder aus ihrem Wortlaut noch aus den übrigen Umständen hervor. Die Beteiligte zu 2 ist vielmehr einerseits nach dem Antrag der Beteiligten zu 1 Miterbin zu 1/3, andererseits als im Vorbescheid vorgesehene Alleinerbin Beschwerdegegnerin, so dass die Wahrnehmung ihrer Interessen durch die Beteiligte zu 1 schon deshalb nicht anzunehmen ist. Die Beteiligte zu 1 hat mit der Beantragung eines gemeinschaftlichen Erbscheins den unter Zugrundelegung ihrer Auffassung betreffend die materielle Erbrechtslage richtigen Weg eingeschlagen. Einen Teilerbschein (vgl. Palandt/Edenhofer BGB 63. Aufl. § 2353 Rn. 4) zu beantragen, wäre angesichts seiner eingeschränkten Verwendbarkeit nicht sinnvoll gewesen. An der gesetzlich vorgesehenen Antragstellung für alle Miterben kann ohne Hinzutreten weiterer Umstände, die hier nicht ersichtlich sind, eine Wahrnehmung der Interessen der Miterben im Beschwerdeverfahren nicht abgelesen werden.

c) Den Wert des reinen Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls nimmt der Senat mit 350.513,67 EURO an.

aa) Er geht dabei von einem Wert des Hausanwesens von 320.000 EURO aus. Diese Annahme stützt sich auf die Bewertung des Rechtspflegers des Amtsgerichts, die der Bezirksrevisor mit ergänzender Stellungnahme vom 10.5.2004 vorgelegt hat, und die Schätzung des Nachlasspflegers (§ 19 Abs. 2 Satz 1 KostO). Zur Bewertung von Grund und Boden kann danach von einem erzielbaren Preis von 230 EURO/m² ausgegangen werden (so auch der Beteiligte zu 3 in seiner Stellungnahme vom 5.5.2004). Grundstücksgröße ist laut Grundbuch 598 m². Der vom Rechtspfleger vorgenommene Sicherheitsabschlag von 25 % ist in Ordnung (vgl. BayObLGZ 1995, 59); danach ergibt sich ein Bodenwert von 103.155 EURO. Die Berechnung des Gebäudewerts nach den von der Bayerischen Versicherungskammer bestätigten Eckdaten (Brandversicherungssumme und Baujahr des Gebäudes) mit 188.741 EURO ist ebenfalls in Ordnung (vgl. BayObLG DNotZ 1977, 434). Der Senat trägt darüber hinaus jedoch auch dem Umstand Rechnung, dass der mit den örtlichen Verhältnissen vertraute Nachlasspfleger den Wert des Anwesens auf 375.000 EURO geschätzt hat. Dass dieser den Wert um seiner Vergütung willen zu hoch angesetzt hätte, schließt der Senat aus, da dem Nachlasswert für die Berechnung der Vergütung keine unmittelbare Bedeutung mehr zukommt (Palandt/Edenhofer § 1960 Rn. 27). Für einen höheren Wert als den vom Rechtspfleger errechneten spricht auch die aktuelle Gesamtversicherungssumme für das Gebäude von 380.400 EURO. Der Senat schätzt daher den Wert des Anwesens, wie eingangs aufgeführt, auf 320.000 EURO.

bb) Im Übrigen legt der Senat seiner Bewertung die Aktiva und Passiva aus dem vom Nachlasspfleger mit Schriftsatz vom 8.9.2003 vorgelegten vorläufigen Nachlassverzeichnis zugrunde. Diese Angaben wurden von den Beteiligten nicht in Zweifel gezogen. Von dem sich hieraus ergebenden Saldo in Höhe von 335.048,65 EURO ist noch das Vermächtnis für Frau Eva B. in Höhe von 39.534,97 EURO abzuziehen. Ein Drittel des verbleibenden Betrags (295.513,68 EURO : 3) bildet den festzusetzenden Geschäftswert.

3. Als Geschäftswert des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist die ungefähre Differenz der Gerichts- und Anwaltsgebühren aus dem vom Landgericht festgesetzten und dem mit der Beschwerde angestrebten Geschäftswert anzunehmen. Im Übrigen gilt § 31 Abs. 4 KostO.



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