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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 24.01.2002
Aktenzeichen: 3Z BR 3/02
Rechtsgebiete: KostO


Vorschriften:

KostO § 19
KostO § 60
Geschäftswert für die Grundbucheintragung des Erstehers eines Grundstücks in der Zwangsversteigerung ist der Verkehrswert des Grundstücks und nicht die Höhe eines darunter liegenden Meistgebots.
Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Dr. Plößl und Dr. Denk

am 24. Januar 2002

in der Kostensache

betreffend eine Eintragung im Grundbuch

auf die weitere Beschwerde des Beteiligten

beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Passau vom 8. November 2001 wird zurückgewiesen. Jedoch wird der Beschluss dahin berichtigt, dass die angefochtene amtsgerichtliche Entscheidung vom 25. Mai 2001 datiert.

Gründe:

I.

Der Beteiligte erwarb durch Zuschlag am 17.3.2000 auf sein Bargebot von 6 Mio. DM Grundstücke, auf denen seit 1972 ein großes Hotel betrieben wurde. Der Verkehrswert des gesamten Anwesens war im Zwangsversteigerungsverfahren entsprechend einem Sachverständigengutachten, das zum Dezember 1991 erstellt und im Jahr 1998 ergänzt worden war, auf 15570000 DM festgesetzt worden.

Für die Eintragung als Eigentümer in das Grundbuch wurden dem Beteiligten Gebühren in Rechnung gestellt, die sich nach dem festgesetzten Verkehrswert richteten. Hiergegen legte der Beteiligte Erinnerung ein, unter anderem, weil er meint, für den Geschäftswert sei das Meistgebot maßgeblich. Das Amtsgericht verringerte darauf zwar den Geschäftswert um 600000 DM, da sich die Bewertung in dieser Höhe auf bewegliche Sachen bezog, wies jedoch die Erinnerung (im übrigen) am 25.5.2001 zurück. Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Beteiligten hat das Landgericht am 8.11.2001 zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Beteiligte mit seiner weiteren Beschwerde.

II.

Die weitere Beschwerde wurde vom Landgericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen (§ 14 Abs. 3 Satz 2 KostO). Hieran ist der Senat gebunden, obwohl die Frage der Gebührenhöhe für sich allein, auf die das Landgericht in seiner Begründung abstellt, insoweit kein Kriterium sein dürfte (vgl. Korintenberg/Lappe KostO 14. Aufl. § 14 Rn. 174).

Das auch im übrigen zulässige Rechtsmittel des Beteiligten ist jedoch in der Sache nicht begründet. Der durch das Landgericht bestätigte Kostenansatz des Amtsgerichts ist aus Rechtsgründen (§ 14 Abs. 3 Satz 3 KostO, § 546 ZPO n. F.) nicht zu beanstanden.

1. Das Amtsgericht hat zu Recht für die Eintragung des Beteiligten als Eigentümer in das Grundbuch eine volle Gebühr (§ 60 Abs. 1 KostO) und für die Übernahme dieser Veränderung in das Liegenschaftskataster 30 % aus dieser Gebühr (Art. 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, Art. 3 des Gesetzes Über Gebühren für die Fortführung des Liegenschaftskatasters, BayRS 2013-1-19-F) angesetzt. Dies stellt auch der Beteiligte nicht mehr in Frage.

2. Auch dass das Gericht die Gebühren gemäß § 32 KostO nach dem gemäß § 74a Abs. 5 ZVG vom Vollstreckungsgericht festgesetzten Verkehrswert der durch Zuschlag erworbenen Grundstücke abzüglich des Wertes mitversteigerter beweglicher Sachen als Geschäftswert berechnet hat, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

a) In Rechtsprechung und Literatur besteht weitgehend Einigkeit, dass der maßgebliche Geschäftswert für die Grundbucheintragung des Erstehers eines zwangsversteigerten Grundstückes, nach den Vorschriften der § 18 Abs. 1, § 19 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 KostO zu bestimmen ist.

Danach sind alle ausreichenden Anhaltspunkte für einen den Einheitswert übersteigenden Wert heranzuziehen, um dem Verkehrswert des versteigerten Grundstücks zum Zeitpunkt der Grundbucheintragung - als dem gemeinen Wert im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 1 KostO - möglichst nahe zu kommen. Der Verkehrswert lässt sich nicht mathematisch exakt errechnen, vielmehr nur schätzen; der Wert ist also Ermessenswert (Korintenberg/ Bengel KostO 14. Aufl. Rn. Rohs/Wedewer KostO 76. ErgLfg. zur 2. Aufl. Rn. 2b, je zu 19).

Vom Rechtsbeschwerdegericht kann diese Ermessensentscheidung nur auf ihre Gesetzmäßigkeit nachgeprüft werden, d.h. ob der Tatsachenrichter den maßgebenden Sachverhalt ausreichend und ohne Gesetzesverletzung erforscht hat, ob die Ermessensausübung auf grundsätzlich fehlerhaften Erwägungen beruht, ob Rechtsvorschriften, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt oder wesentliche Tatumstände außer acht gelassen worden sind (Jansen FGG 2. Aufl. § 27 Rn. 24). Die Angemessenheit und Zweckmäßigkeit unterliegt hingegen nicht der Nachprüfung des Rechtsbeschwerdegerichts (BayObLG JurBüro 1988, 91; BayObLGZ 1993, 173/176 ff.).

b) Nach diesen Grundsätzen durfte das Landgericht von dem gemäß § 74a Abs. 5 ZVG festgesetzten Verkehrswert ausgehen. Dieser und das Meistgebot sind die Anhaltspunkte, die ein Zwangsversteigerungsverfahren für die Schätzung des maßgeblichen Verkehrswertes stets und ohne Ermittlungsaufwand zur Verfügung stellt. Beide Anhaltspunkte divergieren im Regelfall. Eine gesetzliche Regelung, die auf den Vorrang eines der beiden Anhaltspunkte hindeutet, fehlt. Im Einzelfall können jedoch weitere Anhaltspunkte vorhanden sein, die bei der Festsetzung des Geschäftswerts zu berücksichtigen sind. Das können z.B. erhebliche allgemein- oder gerichtsbekannte zwischenzeitliche Veränderungen des Grundstücksmarktes sein, aber auch Veränderungen des Bewertungsobjekts wie etwa durch Brand eines Gebäudes oder ein von den Ausgangswerten erheblich abweichender auf dem freien Markt erlöster Kaufpreis.

Die Würdigung des Landgerichts, dass Anhaltspunkte für eine überhöhte Festsetzung des Verkehrswertes durch das Vollstreckungsgericht hier nicht vorhanden seien, lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Sie steht im Einklang mit den Akten und der hieraus ersichtlichen Belastung des Anwesens seit 1973 mit Fremdgrundschulden. Insbesondere durfte das Landgericht davon ausgehen, dass auf dem örtlichen Grundstücksmarkt zwischen dem Zeitpunkt der Bewertung im Zwangsversteigerungsverfahren, die für die dortige Verkehrswertfestsetzung maßgeblich war, und dem der Grundbucheintragung keine erheblichen gerichtsbekannten Veränderungen stattgefunden haben. Der Beschwerdeführer hat auch diesbezüglich nichts vorgetragen.

Unter diesen Umständen war von den beiden eingangs genannten Anhaltspunkten der zu wählen, der für die vorzunehmende Bewertung verlässlicher ist.

aa) Der Großteil der Rechtsprechung wählt in diesem Falle den gemäß § 74a Abs. 5 ZVG festgesetzten Verkehrswert als Anhaltspunkt, wenn er höher als das Meistgebot ist (vgl. BayObLGZ 1978, 8/10, OLG Frankfurt JurBüro 1980, 1061/1062, LG Hannover NdsRpfl 1984, 121 und Rpfleger 1984, 333, LG Bielefeld Rpfleger 1985, 40, BayObLG Rpfleger 1986, 158, LG Düsseldorf JurBüro 1987, 1530, OLG Zweibrücken JurBüro 1988, 1045, BayObLG JurBüro 1989, 1710/1711, OLG Stuttgart Rpfleger 1991, 30/31, BayObLG JurBüro 1996, 207, LG Koblenz Rpfleger 1999, 237/238, OLG Celle Report 2000, 289 - alle in zeitlicher Reihenfolge).

bb) Das Oberlandesgericht Düsseldorf hingegen stellt in seiner neueren Rechtsprechung (anders noch OLG Düsseldorf, KostRspr § 60 Nr. 36), auf die sich der Beteiligte beruft, grundsätzlich auf das Meistgebot ab (vgl. Rpfleger 1987, 411 und JMB1NRW 2000, 10/11; ebenso AG Titisee-Neustadt Rpfleger 1995, 183/184).

cc) Die Meinungen in der Literatur sind uneinheitlich. Zum Teil wird der Mehrheitsmeinung (aa) zugestimmt (Rohs/Wedewer KostO 74. ErgLfg. zur 2. Aufl. § 60 Rn. 21b und c, Lappe in Anm. zu KostRspr § 60 Nr. 36 und Nr. 43). Einschränkungen insoweit werden (von Korintenberg/Lappe § 60 Rn. 23, Mümmler in Anm. JurBüro 19e8, 1046 und Assenmacher/Mathias/Mümmler KostO 14. Aufl. "Ersteher" 1.3) aus einer Entscheidung des Senats (JurBüro 1985, 434) abgeleitet. Andere stellen (wie bb) grundsätzlich auf das Meistgebot ab (Hartmann Kostengesetze 31. Aufl. § 60 KostO Rn. 12, Stöber ZVG-Handbuch 7. Aufl. Rn. 799).

dd) Der Senat hält daran fest, dass der gemäß § 74a ZVG festgesetzte Verkehrswert, wenn er höher als das Meistgebot ist als Anhaltspunkt für die Bewertung nach § 19 Abs. 2 Satz 1 KostO verlässlicher ist als das Meistgebot und diesem daher bei Fehlen zusätzlicher Anhaltspunkte, die Abweichungen rechtfertigen könnten, vorzuziehen ist (vgl. bereits BayObLGZ 1978, 8/10 ff.). Die Verkehrswertfestsetzung beruht auf einem Sachverständigengutachten, das in aller Regel sowohl die gängigen Bewertungsmethoden als auch die jeweilige Marktlage berücksichtigt. Der Zuschlag in einer Zwangsversteigerung hingegen erfolgt häufig unter Wert, weil der bestmögliche Zeitpunkt für einen Verkauf nicht abgewartet werden kann und die Bieter sich bewusst zurückhalten, um die Zwangslage, die der eines Notverkaufs ähnlich ist, bestmöglich ausnützen zu können. Die Vorschrift des § 19 Abs. 1 Satz 2 KostO stellt ausdrücklich auf den im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielbaren Preis ab (vgl. bereits Lappe zu KostRspr § 60 KostO Nr. 89). Eine Zwangsversteigerung fällt schon aus den genannten Gründen nicht unter den gewöhnlichen Geschäftsverkehr. Im übrigen ist die Mehrzahl der an dem Zwangsversteigerungsverfahren Beteiligten häufig nicht daran interessiert, dass der höchstmögliche Erlös erzielt wird. Die beteiligten Gläubiger haben in der Regel nur ein durch die Höhe und die Rangstelle ihres Grundpfandrechts begrenztes Interesse an der Höhe des Erlöses. Der Schuldner hat nur geringe Möglichkeiten, das Interesse finanzkräftiger Bieter zu wecken, ganz im Gegensatz zu seiner Situation bei einem Verkauf durch ihn auf dem freien Markt. Die vom Oberlandesgericht Düsseldorf (JMBlNRW 2000, 10/11) angeführten Einschränkungen bei Zwangsversteigerungen (keine Gewährleistung, häufig keine Besichtigungsmöglichkeit und keine Pläne) vermindern den Anreiz, einen marktgerechten Preis zu bieten und erhöhen das spekulative Element. Die Notwendigkeit sofortiger Sicherheitsleistung (§§ 67 bis 70 ZVG) schließt zudem Käuferschichten aus, die nicht in der Lage sind, diese Sicherheitsleistung sofort aufzubringen bzw. ad hoc-Finanzierungen für den Versteigerungstermin zustande zu bringen. Da mithin das Meistgebot nicht im gewöhnlichen Geschäftsverkehr abgegeben wird, ist es im Grundsatz nicht geeignet, die Aussage des Verkehrswertgutachtens und der darauf beruhenden Verkehrswertfestsetzung hinsichtlich des erzielbaren Kaufpreises zu widerlegen.

Schließlich kann auch § 29 Abs. 2 GKG nicht entsprechend angewendet werden (anders Stöber aaO). Dies wäre nur möglich, wenn eine Regelungslücke bestünde (vgl. Palandt/Heinrichs BGB 61. Aufl. Einl. Rn. 40, 47 und 48). Die §§ 18 und 19 KostO regeln jedoch das Verfahren zur Gewinnung des für Grundbucheintragungen maßgeblichen Geschäftswerts ausdrücklich und hinreichend, wenngleich nicht übereinstimmend mit § 29 Abs. 2 GKG. Es liegt grundsätzlich im Ermessen des Gesetzgebers, ähnliche Sachverhalte als hinreichend verschieden anzusehen, um unterschiedliche Rechtsfolgen an sie zu knüpfen. Der Gesetzgeber hat jedoch die seit längerem bekannte Kontroverse zur vorliegenden Problematik nicht zum Anlass genommen, eine dem § 29 Abs. 2 GKG entsprechende Regelung in die Kostenordnung aufzunehmen.

3. Die Verfassungsmäßigkeit von Wertgebühren, zu denen die vom Beteiligten hier eingeforderten Gebühren zählen, hat der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 6.12.2000 (BayObLGZ 2000, 350/352 ff.) bejaht. Es wird hierauf Bezug genommen.

4. Der Tenor der angefochtenen Entscheidung ist insoweit zu berichtigen, als das Landgericht dort unzutreffender Weise das Datum der Nichtabhilfeentscheidung des Amtsgerichts aufgeführt hat. Eine Berichtigung des Tenors der amtsgerichtlichen Erinnerungsentscheidung ist nicht veranlasst, da sich der Inhalt dieser Entscheidung aus ihren Gründen eindeutig ergibt.



Ende der Entscheidung

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