Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 11.03.2004
Aktenzeichen: 3Z BR 3/04
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 1906
FGG § 70i
Eine Unterbringungsgenehmigung verliert ihre Gültigkeit, wenn der Betroffene eine nicht unerhebliche Zeit, hier mehr als zwei Monate, nicht (mehr) untergebracht ist. Ein gegen sie gerichtetes Beschwerdeverfahren ist dann in der Hauptsache erledigt.
Gründe:

I.

Die Betroffene leidet an einer organischen Wesensänderung bei paranoider Persönlichkeitsstörung, einem Diabetes mellitus und einer fast völligen Erblindung aufgrund unbehandelten grünen Stars. Für sie wurde vom 19.1.2001 bis 19.7.2001 und ab 5.9.2002 auf Dauer ein Betreuer bestellt. Dessen Aufgabenkreis wurde zwischenzeitlich erweitert. Er umfasst jetzt unter anderem die Aufenthaltsbestimmung mit Entscheidungen über eine Unterbringung.

Auf Antrag des Betreuers genehmigte das Amtsgericht am 2.1.2003 die vorläufige Unterbringung der Betroffenen in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses bis 5.4.2003. Diese Frist wurde vom Landgericht auf 13.2.2003 verkürzt, vom Amtsgericht dann wiederum verlängert auf 25.3.2003. Am 12.5.2003 genehmigte das Amtsgericht erneut eine solche vorläufige Unterbringung der Betroffenen, diesmal bis 23.6.2003. Am 11.8.2003 genehmigte das Amtsgericht abermals die vorläufige Unterbringung der Betroffenen bis 22.9.2003. Die genannten Entscheidungen sind jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsmittels.

Am 16.9.2003 genehmigte das Amtsgericht die Unterbringung der Betroffenen "in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses bzw. der beschützenden Abteilung einer Pflegeeinrichtung" auf Dauer bis 16.9.2004.

Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde der Betroffenen hat das Landgericht am 13.11.2003 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Betroffenen.

Mit Schreiben vom 5.1.2004 teilte die Einrichtung, in der sich die Betroffene befindet, mit, die Betroffene sei am 22.12.2003 versuchsweise in eine offene Wohngruppe verlegt worden. Mit Fax vom 24.2.2004 teilte der Betreuer mit, die Betroffene befinde sich weiterhin in der offenen Wohngruppe. Von dem Unterbringungsbeschluss vom 16.9.2003 werde gegenwärtig kein Gebrauch gemacht.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist unzulässig.

1. Macht der Betreuer von einer Unterbringungsgenehmigung über einen nicht unerheblichen Zeitraum hinweg keinen Gebrauch (mehr), verliert sie ihre Gültigkeit. Ein gegen die Unterbringungsgenehmigung gerichtetes Beschwerdeverfahren ist dann in der Hauptsache erledigt.

In einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit hat sich die Hauptsache erledigt, wenn nach seinem Beginn ein Umstand eingetreten ist, der den Verfahrensgegenstand hat wegfallen lassen, so dass die Weiterführung des Verfahrens keinen Sinn mehr hätte, da eine Sachentscheidung nicht mehr ergehen kann (vgl. BayObLGZ 1989, 131/133 m.w.N.; Keidel/Kahl FGG 15. Aufl. § 19 Rn. 85). Wird ein Untergebrachter entlassen, erledigt sich ein gegen die Unterbringungsanordnung gerichtetes Beschwerdeverfahren in der Hauptsache, wenn die Freiheit nur in einem neuen Verfahren beschränkt werden könnte (vgl. BayObLGZ 1968, 296/298; Keidel/Kahl aaO Rn. 87 "Freiheitsentziehung"). Dies ist auch der Fall, wenn ein Betreuer die gerichtlich genehmigte Unterbringung, sei es durch Entlassung, sei es durch Verlegung des Betroffenen in eine offene Abteilung der Einrichtung, nicht nur kurzfristig beendet.

a) Zwar mag in manchen Fällen ein Bedürfnis bestehen, einen Untergebrachten probeweise zu entlassen, um ihn bei ungünstigem Verlauf der Erprobung alsbald wieder unterzubringen. Auch treten Krankheitsbilder auf, bei denen Phasen unterschiedlicher Intensität einen möglicherweise sogar häufigeren Wechsel zwischen Unterbringung und Freiheit nahe legen. In diesen Fällen könnte ein Betreuer möglicherweise deshalb von einer Lockerung absehen, weil die erneute Unterbringung den Aufwand der Herbeiführung einer neuen gerichtlichen Genehmigung erforderte.

b) Das Oberlandesgericht Hamm (FGPrax 1999, 222/223; vgl. zum Rechtszustand vor Inkrafttreten des Betreuungsgesetzes auch BayObLGZ 1970, 197/202) hat jedoch überzeugend dargelegt, dass die Unterbringungsgenehmigung eine auf die jeweilige konkrete Situation bezogene richterliche Prüfung der Erforderlichkeit der Unterbringung erfordere, die nach einer nicht nur kurzfristigen Entlassung erneut durchzuführen sei. Die Entlassung sei jedenfalls im Regelfall dann nicht lediglich kurzfristig, wenn bis zu einer erneuten Unterbringung sechs Wochen verstrichen seien. Dem schließt sich der Senat an.

2. Nach diesen Grundsätzen hat sich das Verfahren der weiteren Beschwerde vorliegend in der Hauptsache erledigt. Die Betroffene befindet sich nach den Mitteilungen der Einrichtung und des Betreuers seit 22.12.2003, d.h. seit mehr als zwei Monaten, in einer offenen Wohngruppe. Sollte sich eine erneute Unterbringung der Betroffenen als erforderlich erweisen, kann nicht mehr auf die Unterbringungsgenehmigung vom 16.9.2003 zurückgegriffen werden. Vielmehr müsste eine neue Genehmigung beantragt werden, die nur nach Erholung eines weiteren Gutachtens und erneuter Anhörung der Betroffenen erteilt werden könnte.

Da die Betroffene, deren Verfahrensbevollmächtigter die genannten Mitteilungen, aus denen sich die Hauptsacheerledigung ergibt, nebst einem gerichtlichen Hinweis übermittelt wurden, keine weiteren Erklärungen (vgl. BayObLG BtPrax 2003, 268) abgegeben hat, ist ihr Rechtsmittel zu verwerfen.



Ende der Entscheidung

Zurück